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Neues aus dem Lummerland
November 2024
Theatralisch
Unserem Eingewöhnungskind fällt beim Durcheinander in der Garderobe beim Anziehen für den Garten plötzlich die Mutter ein und Tränen fließen. Ein Knöpfle beobachtet es mitleidig, holt aus seinem Rucksack einen Lolli und hält es dem Neuen freundlich hin. Dieses nimmt ihn zögernd, versteckt sich aber wieder hinter seiner Jacke, doch sich anziehen und in den Garten gehen will es trotzdem nicht. Da kommt der Kollege mit einem Knopf-Kind von draußen und nähert sich mit erhobener Hand dem Unglücklichen. „Five!“, ruft er auffordernd. Aber erst, nachdem das Knopf-Kind bei ihm eingeschlagen hat, traut sich auch das Knöpfle und klatscht den Erwachsenen ab. Dieser taumelt daraufhin sehr theatralisch zurück, rappelt sich auf und hält erneut seine Hand dem Knöpfle hin. Das hat sein Weinen vergessen und schlägt abermals gespannt zu. Wieder haut es den Kollegen fast um und er landet auf dem Po. Unser Neuling grinst und eine Weile geht das Spiel so hin und her. Auch das Knopf-Kind mischt sich ein, hält ebenfalls die Hand hin und imitiert den Erwachsenen gekonnt, sehr zum Vergnügen des Knöpfle. Anziehen und in den Garten gehen klappt zwar nicht, aber die Laune ist sichtlich gehoben, als die Mutter zum Abholen kommt. In den folgenden Tagen hat sich das Spiel verselbständigt und immer wieder fallen Kinder nach dem Abklatschen durch unseren Neuling bühnenreif um.
Anstoß
Im Garten verstreuen sich die meisten Kinder sofort nach dem Rausgehen in alle Richtungen. Zwei Knöpfle bleiben allerdings am Rockzipfel der Schreiberin hängen, völlig unschlüssig darüber, was sie mit sich anfangen sollen. „Na, dann gehen wir doch mal wieder balancieren, oder?“, schlägt die Erwachsene vor. Die beiden Kleinen sind sofort mit dabei. Zuerst reicht die Erwachsene jedem eine Hand und führt sie über die Holzstämme im Viereck um die Wiese herum. Dass es dabei auf dem feucht-rutschigen Holz zu lustigen Situationen kommt, bleibt nicht aus, was wiederum ein Molly-Kind erheitert und es auf eine Einladung hin gern mit dazukommt. So geht es einige Runden gackernd im Gänsemarsch. Aber bald dauert es einem der Kinder zu lange, auf die anderen zu warten, und es beginnt, das vor sich laufende Kind nachdrücklich zu schieben, was diesem gar nicht gefällt. Von da ab läuft dann jeder für sich allein, auch die Schreiberin. Diese kommandiert als Variation die Kinder durch die Betonröhre, einmal ums Spielhäusle und den Nussbaum herum, bevor es wieder zurück zu den Balancierstämmen geht. Ein Knopf-Kind, das interessiert zuschaut, wird eingeladen mitzumachen und es schließt sich voll Enthusiasmus dem Balancierzug an. Langsam aber sicher hat sich die Sache so verselbständigt, dass niemand bemerkt, dass sich ein anderes Kind die Schreiberin geschnappt und zur Schaukel gezogen hat.
Der Spaß kommt beim Basteln
Ein Emma-Kind möchte keine Laterne basteln, aber so einfach kommt es nicht davon, schließlich geht es um Feinmotorik, Konzentration, Durchhaltevermögen, Kreativität und Sprachförderung. Am Anfang fragt es beim Ausschneiden der Eulensilhouette unsicher: „Ist das so richtig?“ und „Wo soll ich schneiden?“ Den größten Teil schafft es, aber bevor es zu den schwierigen Eulenohren kommt, möchte es doch lieber spielen gehen. Beim zweiten Anlauf gibt es kein Pardon, selbst als alle Kinder in den Garten gehen, bleiben Schreiberin und Bastlerin gemeinsam im Gruppenraum und ziehen das Ding durch. Und siehe da, das Emma-Kind setzt die Tipps der Schreiberin, um die vier Eulenohren einfach zu meistern, um. Es hat jetzt den Dreh heraus und ohne Ablenkung durch andere Kinder auch die nötige Ruhe und Konzentration. Zwischendurch gibt es an passender Stelle ein Lob und das Emma-Kind freut sich sichtlich darüber mit einem „Dankeschön!“ Beim Hinterkleben der Ausschnitte mit buntem Transparentpapier ist die Bastelarbeit inzwischen zum Selbstläufer geworden; Gespräch und Spaß kommen deshalb nicht zu kurz. Und plötzlich ist die Laterne fertig und die Freude so groß, dass das Kind – sehr zum Amüsement der Schreiberin – noch eine kleine Musical-Einlage anhängt, wobei Melodie, Text und Tanz höchst kreativ aus dem Moment geboren werden.
Oktober 2024
Von Arm zu Arm
Das Knöpfle-Kind ist heute sehr anhänglich und wechselt beim Kommen vom Arm der Mutter sogleich auf den der Schreiberin. Bis zum Morgenkreis weicht es nicht von ihrer Seite. Am Frühstück sitzt es bei der Kollegin am Tisch, danach trennen sich die Wege, weil die Schreiberin ins Büro muss. Ein Wiedersehen gibt es im anderen Gruppenraum, als die Erwachsene später etwas suchen geht, das sie benötigt. Das Knöpfle hat, es ist Tauschtag, sich in diese Gruppe gewagt und sitzt jetzt höchst traurig auf dem Arm des Kollegen. Es streckt die Ärmchen nach der Schreiberin aus. „Tja, dann musst du eben mit mir ins Büro kommen“, beschließt diese. Zur Ablenkung darf das Kind am Bürotisch mit der Krimskrams-Kiste spielen, in der sich allerlei buntes Zeug findet, das sich im Lauf der Jahre angesammelt hat: von der Lupe bis zum Ü-Ei-Figürchen, vom Muggelstein bis zum Mini-Auto. Als das irgendwann einmal langweilig ist, wird das Dreieinhalbjährige kurzerhand zur Bürohilfe erklärt und in die Bedienung des Schredderers eingewiesen. Mit Umsicht, geschäftigem Ernst und Hingabe widmet es sich seiner Arbeit, meldet sich, wenn der Auffangbehälter voll ist und hilft beim Umfüllen des Schredderguts in Tüten. So arbeiten beide eine ganze Weile einmütig nebeneinander her. Da klopft es und Vater und Mutter schauen erstaunt ins Büro. Da lässt das Knöpfle Arbeit Arbeit sein und stürzt sich in die Arme der Mutter.
Lieder und Diskussionen
Der Kollege und die Schreiberin sitzen mit ihrer Emma-Gruppe an einer Bastelarbeit für den Emma-Kalender um einen Tisch. Währenddessen schwatzen die Kinder munter wie die Waschweiber. Ein Emma-Kind fängt gar zu singen an, keine Kinderlieder, es hört sich mehr nach Schlager an. Der Kollege fragt: „Woher kennst du denn die Lieder?“ – „Mein Papa ist DJ, der legt auf“, ist die lapidare Erklärung. Weiter geht es mit der Singerei. Ein anderes Emma-Kind stimmt mit ein, kennt sich wohl auch aus. Als der Kollege ebenfalls mitsingt und dafür einen fragenden Blick der Schreiberin erntet, klärt er die ahnungslose auf: „Das sind jetzt Disney-Musicals.“ Allenthalben geht es um Liebe und andere Gefühle, um Freud und Leid. Die nicht singenden Kinder klappern inzwischen derweil ein Thema nach dem anderen ab und sind gerade bei der Frage ‚Was ist, wenn die Menschen aussterben?‘ angelangt. „Die Menschen sterben alle, wenn die Sonne schwarz wird. Dann werden sie zu leuchtenden Skeletten“, erklärt eins im Brustton der Überzeugung. Das ist die Überleitung zum Thema Knochen, wo es noch verrückter wird. „Haare haben Knochen“, ist sich eins sicher, löst aber damit kollektiven Widerspruch aus, bei dem sich sogar die Sänger einmischen. Erst als die Kollegin ins Zimmer kommt und erklärt, dass die anderen Kinder jetzt in den Garten gehen, finden Diskussion und Emma-Stunde ein Ende.
Laternenproduktion
Nach Erntedank beginnen wir mit dem Laternenbasteln. In diesem Jahr stehen Eulen in verschiedenen Schwierigkeitsstufen auf dem Plan. Die Emma-Kinder legen vor und beginnen nacheinander während des Freispiels mit dem Ausschneiden, die Molly-Kinder folgen. So ganz einfach ist die Sache nicht, denn die einzelnen Elemente müssen teilweise nicht nur außen, sondern auch innen ausgeschnitten werden, eine tückische Sache. Manches Kind kriegt die Kurve nicht und ignoriert die Schneidelinie, entweder im Eifer des Gefechts oder aus Verzweiflung über die Schwierigkeit, und schnippelt einfach durch alles hindurch. Zum Glück gibt es Klebefilm, das ultimative Eulenpflaster, das alles wieder heil macht. Die Knopf- und Knöpfle-Kinder brauchen diesmal die Schere nur für Augen und Schnabel, ist doch die Grundlage ihrer Eule das Unterteil einer pfandfreien 1,5-Liter Plastikflasche, das wir Erwachsene abtrennen. Hier haben wir Erwachsenen die Schwierigkeiten, denn die Flaschen sind noch gefüllt und der Inhalt – bestes stilles Trinkwasser – zu schade, um es nur einfach an die Pflanzen zu gießen. Also müssen wir fleißig trinken und bekommen sogar Flaschen übers Wochenende mit nach Hause, um sie leerzutrinken, damit auch bei unseren Jüngsten die Laternenproduktion beginnen kann.
Perfekter (Draußen-)Tag
Freitag, Brückentag, ein rundum vergnügter Tag: In jeder Gruppe ist ein Geschwisterkind zu Besuch (einmal erste, einmal dritte Klasse) und wir feiern Geburtstag im Morgenkreis mit einem bestens aufgelegten, frischgebackenen Vierjährigen, das den ganzen Tag über seine Krone auf dem Kopf behält. Nach dem Frühstück bringen wir die Erntegaben, die die Familien in großer Fülle mitgebracht haben, in die Kirche. Jedes Kind trägt etwas, sei es eine Tüte Nudeln, ein Stück Obst, eine Packung Kekse oder eine Dose Tomaten. Nachdem alles sehr dekorativ in mitgebrachten Körben verstaut in der Kirche zurückgelassen ist, gehen wir über die Burgstraße und die S-Bahnbrücke in die Gärtlesäcker, wo wir das Zuhause eines unserer frisch eingewöhnten Kinder besuchen wollen. Davor legen wir aber, sehr zur Freude der Kinder, noch auf einem der Spielplätze dort eine kleine Pause ein. Der Wind ist kühl, der Himmel bedeckt, aber das stört nicht wirklich. Endlich mal wieder ein richtiger Draußen-Tag. Nachdem wir das obligatorische Foto an der Haustür gemacht haben, nehmen wir spontan den längeren Rückweg und besuchen noch das Zuhause eines zweiten neuen Kindes. Bald darauf sind wir wieder im Kindergarten und – obwohl wir den Garten heute ganz für uns allein haben – gehen wir gern nach drinnen und spielen und basteln dort hochzufrieden und ausgeglichen.
September 2024
Nuss-Mus(s)
Unsere geknackten Haselnüsse wandern am Dienstag in Gruppen in die Pfanne und rösten jeweils gemächlich vor sich hin, bis sie rundum Farbe angenommen haben und herrlich duften. Am Donnerstag schlägt dann endlich ihre Stunde. Die Emma-Kinder probieren erst ungeröstete Exemplare, dann die gerösteten. Die Meinungen gehen auseinander. „Der Nachgeschmack ist lecker“, findet ein Emma-Kind, während es für viele andere bitter schmeckt. Wir mahlen die Kerne, aber die Nüsse kleben an den Seiten der Küchenmaschine fest, sodass wir statt feinem Mus eine körnige Masse bekommen. Was tun, damit es Nutella wird? „Schokolade!“, wünscht sich ein Kind, bekommt aber stattdessen Backkakao. „Das schmeckt nicht gut“, weiß eins – die anderen stimmen nach einer Runde Schlecken fast durchweg zu. Trotzdem, Kakao und Nüsse werden gemischt. Die Farbe kommt der von Nutella schon näher. „Zucker fehlt!“, werden jetzt Stimmen laut. Wir aber nehmen was anderes. Wer kennt Datteln? Wenige Minuten später kennen sie alle und wissen, dass sie total lecker und süß sind. Dann mischen wir Dattelsirup unter die Nussmasse, die allerdings ziemlich krümelig bleibt. Ob sie nach Nutella schmeckt? Nein – aber nach Hanuta! Auch lecker! Aus dem Rest, der nicht gegessen wird, formt die Schreiberin mit feuchten Händen kleine Kugeln und friert sie ein: Hanuta-Eis!
Wissen finden
Am Montag steigen wir mit dem Lied „Augen, Ohren, Nase, Zunge und die Haut, alle meine Sinne, sie sind mir vertraut“ in unser neues Jahresthema „Mit allen Sinnen die Welt entdecken“ ein. Einfache Bildkarten symbolisieren die fünf Sinne und dienen gleichzeitig als Merkhilfe für das Lied. Nach dem Morgenkreis hängen wir die Bildkarten an die Wand, damit die Kinder sie immer vor Augen haben und auch die Eltern über das, was wir gerade machen, informiert sind. In den weiteren Morgenkreisen dieser ersten Themenwoche widmen wir uns dem Auge. Der Kollege, der am Freitag den Morgenkreis hält, ist erst im Lauf der Woche zu uns gestoßen und hat das Lied noch nicht gehört. Er fragt die Kinder, wer ihm sagen kann, wie das Lied, das sie gelernt haben, heißt. Bei manchen Kindern kann man auf den Gesichtern lesen, dass sie sich gerade fragen, ‚Welches Lied? Haben wir ein Lied gelernt?‘ und ‚Ja, da war was, aber was war das noch mal?‘. Ein paar Kinder schütteln verhalten den Kopf. Dann heben sich zögerlich ein, zwei Hände. Statt dem Emma-Kind ruft der Kollege das Molly-Kind auf. Das holt erst ein paarmal Luft, schielt an die Wand und sagt dann, zwischendurch immer wieder zur Wand blickend: „Augen … Ohren … Nase … Zunge … und die Haut“. Bravo, Kind, völlig korrekt und ganz nebenbei begriffen, dass man nicht alles wissen muss, sondern nur wissen, wo man etwas findet.
Nussiges
Unter dem Haselstrauch ist der Boden dicht bedeckt von Haselnüssen. Na klar, die sammeln wir auf, die kann man schließlich essen. „Aus denen wird Nutella gemacht!“, verkündet die Schreiberin, um die Kinder zum Aufsammeln zu animieren. „Machen wir daraus Nutella?!“, kommt natürlich gleich die Frage. Kurzes Zögern, dann Zustimmung – und im Nu sind zwei Eimer mit Haselnüssen voll. ‚Warum nicht auch gleich aufknacken?‘, überlegt die Erwachsene und zieht mit ein paar eifrigen, interessierten Kindern in Richtung Steintisch bei der Ritterburg. Aus der Küche wird schnell eine Schüssel geholt, alles andere findet sich draußen. Am Gemeindehaus liegen ein paar große Steine und erstaunlich schnell haben die Kinder den Dreh mit dem Aufklopfen heraus. Der erste Nusskern ist noch etwas zerdrückt, beim zweiten klappt es mit der Kraftdosierung aber schon gut und der Kern bleibt ganz. Die harten, spitzen Schalen werden in einem Eimer gesammelt, die Nusskerne kommen in die Schüssel. Als dann die Kinder mit immer mehr Nüssen ankommen, dürfen sie diese zum Eigenverzehr öffnen. Da wird dann fröhlich geklopft, geknackt, gegessen, verschenkt, Klopfsteine ausgetauscht und Nachschub angeschleppt – bis zum Aufräumen. Wenn das kein Beweis dafür ist, dass in den Adern des Nachwuchses immer noch Sammlerblut fließt?! Oder liegt es an der Aussicht auf selbstgemachtes Nutella?
Open-Air-Krankenhaus
Im Garten auf der großen Bank liest die Kollegin ein paar Kindern vor. Unvermittelt eilt eine andere Kollegin mit einem Kind auf dem Arm herbei und legt dieses auf der Bank ab. „So, jetzt bist du im Krankenhaus. Es kommt gleich jemand und kümmert sich um dich“, damit kehrt sie wieder um und geht. Die Vorleserin unterbricht die Lektüre. „Was ist passiert?“, will sie wissen, gibt sich aber gleich selber die Antwort: „Ich sehe, Du hast eine Verletzung am Oberschenkel. Du bekommst gleich eine Spritze und dann schläfst Du ein. Schau, da ist schon die Schwester.“ Ein Knöpfle-Kind kommt interessiert herbei, soeben zur Krankenschwester erkoren. Da „schläft“ der Patient schon. Die Kollegin operiert sogleich munter drauf los und kommentiert dabei jeden Handgriff. Sie befestigt geräuschvoll eine Metallplatte mit vier Schrauben auf dem kaputten Knochen, woraufhin das Kind geheilt davoneilt. Die Krankentransport-Kollegin hat inzwischen weitere Verletzte eingeliefert und auf der Bank hat sich eine ganze Reihe von Patienten mit den verschiedensten Gebrechen eingefunden. Sie lauschen geduldig und gebannt den OP-Berichten der Doktorin. Da werden orthopädische Schuhe verpasst, Prothesen angefertigt, eine Kniescheibe mit orthopädischem (?) Leim geklebt – zu jedem Problem findet sich eine originelle Lösung. Dass hinterher alles wieder gut ist, versteht sich von selbst.
August 2024
Im Zoo
Bei einer Stippvisite im Büro entdeckt die Schreiberin eine E-Mail der Kollegin vom angrenzenden Dschungelkinderhaus. Darin wird berichtet, dass einige ihrer Kinder im Garten, im Sichtschutz des üppig grünen Gebüsches, Kontakte mit Erwachsenen von jenseits des hohen Bretterzauns hatten und dabei Schokolade über die Einfriedung gewandert ist – natürlich von draußen nach drinnen und unbemerkt von jedem pädagogischen Auge. Wahrscheinlich hat der Schokoladenbart die Kinder verraten oder der Neid der nicht in den Genuss gekommenen Altersgenossen; aber davon stand nichts in der Nachricht. Nun, das hätte uns genauso passieren können, denn das Gebüsch ist eben da und hat ja auch seinen Sinn: Manchmal ist es schön, den ständigen, pädagogischen Überwachungsblicken zu entkommen, manchmal macht es einfach nur Spaß, sich durch das blättrige Dickicht zu kämpfen und sich wie im Urwald zu fühlen und im Grunde ist die Schreiberin froh, dass wir mit unserer Kinderschar nicht wie auf dem Präsentierteller für alle von draußen zu sehen sind, schließlich sind wir nicht im Zoo. Tja, das mit dem Blätterwald ist jetzt Vergangenheit, denn als Konsequenz aus der Affäre wurde das Dickicht deutlich gelichtet. Die Schreiberin fragt sich indessen, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, außen am Zaun alle paar Meter Warnschilder anzubringen: „Füttern verboten“
Juli 2024
Bis nach den Ferien!
Verwandlungsfest und Putztag sind vorbei, die Ferien haben begonnen. Der Kindergarten liegt verwaist und öde. Die Schreiberin sitzt im Büro, sie hat noch einige Dinge zu erledigen. Als letzte Aufgabe liegt ein Stapel Amtsblattseiten vor ihr, teilweise noch von 2021. Mit Schere, Klebstoff und Kugelschreiber bewaffnet macht sie sich an die Archivierung der Lummerland-Artikel. Natürlich nutzt sie die Gelegenheit, die kleinen Geschichten nochmals zu lesen. Das eine Mal kommt schon bei der Überschrift die Erinnerung an die jeweiligen Kinder und das beschriebene Ereignis, das andere Mal erzeugt die Überschrift lediglich ein Fragezeichen im Oberstübchen, aber spätestens nach den ersten Sätzen werden die Geschehnisse wieder gegenwärtig. Schmunzeln über die witzigen Aussprüche der Kinder, Wehmut, dass all diese Zeiten einfach vorbei sind, erneutes Vergnügen, weil man beim Lesen ja alles noch einmal erlebt, Verwunderung über das, was es alles zu berichten gegeben hat, und Freude über den bunten Reichtum unseres Kindergartenalltags wechseln sich ab. Wenn man all diese kleinen, schönen Momente beim Lesen bewusst wieder nachvollzieht, dann treten die mühsamen und fordernden Zeiten, die es auch fast täglich gibt, in den Hintergrund. – Wir wünschen allen einen schönen Sommer und lesen uns nach den Ferien wieder.
Hofleben
Am Mittwoch laufen wir schon um halb neun los zum Gemüsehof einer unserer Familien, wo nach dem Frühstück ein Rundgang durch die Hallen, vorbei am Gerätefuhrpark und über die angrenzenden Felder erfolgt: Getreide, Karotten, Kraut und Kartoffeln an Ort und Stelle begutachten und anfassen. Im Anschluss wartet der Spielzeugfuhrpark mit Bobbycars, Trettraktoren in allen Größen, sogar ein Mini-Gabelstapler und eine Schaukel-Kletter-Anlage. Da lässt es sich gut aushalten. Spielen und nebenher frische Krautblätter knabbern, was will das Kinderherz mehr? Als der Kollege dann sogar den riesigen Traktor ein paar Meter vor- und rückwärts fahren darf, ist auch sein Glück vollkommen. Da geben wir uns dem Traum eines Bauernhofkindergartens hin und fantasieren darüber, wie dort der Alltag aussehen könnte. Die mannshohen Traktorreifen hätten eine Grundreinigung nötig – ob das den Kindern mit Wasser und Bürste Spaß machen würde? Nach der Kartoffelernte nochmals über das Feld laufen und die übriggebliebenen Kartoffeln einsammeln – und daraus dann das Mittagessen kochen? Vielleicht wären ein paar Hühner nicht schlecht, um die sich die Kinder kümmern könnten? In einer der großen Hallen wäre sicherlich noch Platz für so einen Kindergarten, oder? Ach, aber einstweilen müssen wir uns damit begnügen, dass die Bäuerin sagt: „Das machen wir mal wieder.“ Ja, gern!
Taubenschicksal
Das Emma-Kind schaut hinauf in die Esche. „Na, da sitzt ja die Taube und brütet!“, freut sich die Schreiberin. „Ja, ich rede mit ihr, damit ihr nicht so langweilig ist“, erklärt das Kind. „Aber warum dreht sie sich jetzt weg?“ – „Die muss sich auch mal bewegen und außerdem die Eier gleichmäßig bebrüten“, mutmaßt die Erwachsene. Das Emma-Kind nickt verständnisvoll. Bald darauf flattert die Taube davon und landet weiter weg in einem Walnussbaum. „Warum fliegt sie jetzt weg?“, fragt die Taubenfreundin. „Hm, vielleicht ist immer nur brüten langweilig, außerdem ist es ja warm. – Wie lang es wohl dauert, bis ihre Kinder schlüpfen?“ – „In zwei oder drei oder vier Monaten, hat sie gesagt“, erwidert das der Taubensprache mächtige Kind und läuft zum Spielen davon. Tags darauf, wir sind wieder im Garten, kommt es mit zwei kleinen, grau-weißen Federn zur Schreiberin und meint mit unheilschwangerer Stimme: „Ich vermute, da ist ein Unglück passiert. Überall liegen Federn …“ Wie zur Bestätigung sammelt es eine weitere Taubenfeder vom Boden auf. Ein Blick in die Esche zeigt, dass das Nest leer ist. Ein paar Tage später späht das Kind zufrieden in den Baum, wo die Taube auf ihrem Nest sitzt und brütet, als sei nichts passiert. „Sie ist wieder da!“, verkündet es. Da fühlt sich auch die Erwachsene erleichtert und beide nicken sich zufrieden zu. Vorerst ist alles wieder in Ordnung.
Endlich!
Es ist Freitag, kurz vor 14 Uhr, die Schreiberin und die Kollegin stuhlen im Gruppenraum auf, während die letzten Kinder von ihren Eltern abgeholt werden. Heute können sich die Putzleute nicht über fehlende Arbeit beklagen; hier und da liegen ein Stück Paprika, etwas Gurke oder Tomate auf dem Boden, unter einem Stuhl ist wohl unbemerkt eine Trinkflasche ausgelaufen und überall kullern grüne Erbsen. In der Garderobe sieht es auch nicht besser aus: ein einzelner Schuh, ein Käppi und eine Jacke auf dem Boden, etwas Gebasteltes, ein gemaltes Bild … Solange die Kollegin den Geschirrspüler in Gang bringt, legt die Schreiberin schnell alles auf die Bänke, dann sperrt sie im Büro alle wichtigen Unterlagen und Gegenstände weg – schon stellt die Kollegin neben ihr die Stühle hoch. Also geht die Schreiberin in den Vorraum zu den Schuhen, stellt die Besucherpantoffeln auf die Bank, atmet dann tief durch, denn da liegen wieder jede Menge Hausschuhe und Gummistiefel neben den Regalen. Der Hausschuhzwerg jedoch, der immer mal wieder die unaufgeräumten Schuhe einsammelt und verschwinden lässt, ist schon im Wochenende und mag nicht mehr kommen, also schnell alles in die Regale gestellt. Sind alle Lichter aus, alle Fenster und Türen zu, sind die Herdsicherung, der Drucker und der PC ausgeschaltet? Haben wir sonst noch was vergessen? Nein? Dann, endlich, schönes Wochenende!
Juni 2024
Vergnügt
Der Kollege und die Schreiberin sitzen mit sechs ihrer Molly-Kinder in der U-Bahn Richtung Killesberg – es ist Molly-Ausflug. Das Wetter passt, die Sonne strahlt und die Mollys sind voller Erwartung. Mehrere andere Kindergruppen steigen lärmend an der Endhaltestelle hinauf zum Park. Zum Glück verteilen sich die Horden gleich in alle Richtungen, wobei wir uns links halten und vor dem Tal der Rosen unser Frühstück einnehmen. Die Kinder spielen auf der großen Wiese Fangen und wollen gar nicht weiter, so zufrieden sind sie. Wir locken mit der Besteigung des Turms, das wirkt. Auf der zweiten Plattform haben zwei der Kinder genug und der Kollege erklärt sich gern bereit, mit ihnen zu warten, bis die Gipfelstürmer wieder zurückkehren. Die Aussicht ist prima, das Fußballstadion glänzt silbrig im Neckartal und irgendwo hinter dem Fernsehturm liegt Echterdingen. Im Anschluss geht es über Seitenwege mit Kletterbäumen und Brücken zum großen Spielplatz, danach vorbei an der Streichelwiese, dem Badewannentheater und über die Brücke hinab zum Wasserspielplatz. Schuhe und Socken ausziehen, wir machen Plantsch-Pause. Wenn danach auch manches Hosenbein feucht ist, bei diesem Wetter trocknet es bis zum Nordbahnhof wieder. In der S-Bahn sind die Kinder so witzig und fröhlich, dass eine Mitfahrerin, von der guten Laune angesteckt, uns beim Aussteigen noch einen vergnügten Nachmittag wünscht.
Feuchte Angelegenheit
Unser erster Tag im Wald beginnt bei leichtem Nieselregen, der dann, als wir auf der Spielwiese sind, allmählich aufhört. Während des Morgenkreises kommen dann große Tropfen durch das Laub der Bäume auf uns herab und wir flüchten zum Frühstück unter das Hüttendach. Es vespert sich gut, wenn draußen ein weißer Regenvorhang über der Wiese hängt und die nassen Ströme über das Dach rauschen. In den Pfützen lässt es sich danach prima herumpatschen und an dem Bächlein der Dachrinne kann man sich die Hände waschen. Die Sonne kommt durch die Wolken und wir wollen mit unserem Häuflein Kindern einen kleinen Waldspaziergang machen – auf befestigten Wegen. Wir sind keine 500 Meter weit gekommen, haben eine Weinbergschnecke und ein paar Nacktschnecken gesehen, da tröpfelt es vom Himmel. „Ist ja nur Niesel“, meint die Schreiberin optimistisch. Gleich darauf ziehen sich alle schnell die Kapuzen über, denn plötzlich befinden wir uns im schönsten Regenschauer. Kehrt Marsch, zurück zur Spielwiese und nix wie unters Dach. Wie ein Rudel begossener Pudel stehen wir wieder dort, wo wir gestartet sind. Zum Glück haben alle Kinder Wechselkleidung dabei, denn bei einigen hat es zum Kragen, bei anderen in die Schuhe reingeregnet und einer ist gar komplett durchnässt. Und kaum dass alle wieder trocken sind, zeigt sich die Sonne, als ob sie uns auslachen will.
Arbeitsleben
Der Sandkasten hat eine Grundreinigung nötig und die Schreiberin, der Kollege, zwei Knöpfle und ein Emma-Kind sind als Kernarbeitstrupp zugange. Andere Kinder stoßen immer mal wieder kurz dazu, gehen dann aber lieber spielen. Die Knöpfle schaufeln den verunreinigten Sand in das große Gartensieb, das Emma-Kind schwingt es hin und her, die groben Überreste landen in einem Eimer. Der Kollege sorgt für einen reibungslosen Ablauf, während sich die Schreiberin des Graswildwuchses annimmt. „Also, ich hab Rückenschmerzen, ich muss zum Arzt“, lässt da das Emma-Kind verlauten, schwingt sich auf seinen Roller und rauscht davon. „Was? Kaum zehn Minuten und du musst schon in Reha?“ Die Schreiberin übernimmt die Siebarbeit als willkommene Abwechslung, da kehrt auch schon das Emma-Kind zurück. „So, jetzt geht es weiter, alles gut.“ Keine fünf Minuten später geht das Emma-Kind für ein paar Rollerrunden in den Urlaub und kommt dann wieder. Etwas später pflügt der Kollege mit der Grabgabel durch den Sand und fördert jede Menge Wurzelwerk zutage, das die Kinder packen und herausziehen. „Also, ich geh jetzt in Rente“, sagt da unser Emma-Kind. Das wird ja immer schöner, erst Reha, dann Urlaub, dann Rente; da kennt sich jemand aus mit dem Arbeitsleben. „Hallo, ich bin die neue Mitarbeiterin“, meldet sich da das Emma-Kind völlig überraschend zurück und wird prompt eingestellt.
Im Garten
In der Woche von Fronleichnam verbringen wir die Zeit nach dem Frühstück bis zum Abholen bzw. zum Mittagessen komplett im Garten. Der Dschungel macht Ferien und auch unsere Kinderschar ist relativ überschaubar. Da werden nicht nur die Fahrzeuge und die Sandelspielsachen aus den Hütten geholt, sondern auch die Besen, Rechen und Gartenscheren. Der Walnussbaum wirft endlich seine Kätzchen ab, die von den Kindern gesammelt und als „Brokkoli“ weiterverarbeitet werden. Die Hecke um unsere Sitzbank wird zurückgeschnitten, damit man sehen kann, wer sich dort aufhält. Ein paar Kinder wollen unter der Rotbuche Fußball spielen. Just im selben Augenblick kommt der Hausmeister und möchte genau dort die Buchenhecken stutzen. Das geht natürlich vor, denn dunkle Wolken ziehen auf. Also wird aus der Not eine Tugend gemacht. „Kommt, wir helfen und räumen das Schnittgut weg, dann ist Herr Alber schneller fertig und ihr könnt bald Fußball spielen!“ Au ja, da sind alle gleich dabei und unser Gärtner muss die Kinder in die Schranken weisen, denn er braucht einen Sicherheitsvorsprung. Bald schleppen Knopf-, Molly- und Emma-Kinder Buchenzweige und stopfen sie in die Biotonne; einige von ihnen beweisen große Ausdauer und nach einer Weile ist die Gartenarbeit abgeschlossen und das Fußballspiel kann beginnen. Die finsteren Wolken haben sich inzwischen auch wieder verzogen.
Tierische Freundschaft
Die Schreiberin und ein Emma-Kind beobachten gemeinsam im Garten eine Taube, die eifrig zwischen der Esche am Gemeindehaus und der Birke am Dschungel hin- und herflattert. Auf dem Flug zur Esche hat sie stets einen dürren Birkenzweig im Schnabel. „Die baut ihr Nest“, sagt das Kind fachmännisch und weist mit dem Kinn nach oben. „Ich kann nämlich mit der Tauben sprechen, sie ist meine Freundin. – Kannst du auch die Taubensprache?“ – „Gu guuh gu, gu guuh gu?“, versucht sich die Erwachsene, doch das Kind winkt ab, macht „Huuh, huuh, huuh“ und prompt reagiert die Taube mit „Huuh, huuh, huuh.“ – „Siehst du, sag ich doch!“ Zufrieden und mit weiteren Taubenlauten wandert das Kind Richtung Birke davon, immer wieder zur Freundin hochschauend. Ein Weilchen später kommt das Emma-Kind wieder zur Schreiberin und meint leicht pikiert und angeekelt: „Ich glaube, sie hat mir auf den Kopf gekackt.“ Und wirklich, an einer Haarsträhne kleben die feuchten Hinterlassenschaften der geflügelten Freundin. Während die Erwachsene dem Kind dann im Badezimmer die Haare gründlich reinigt, versichert sie ihm: „Weißt du, ich denke, sie mag dich wirklich. Man sagt nämlich, wenn jemand von Vogelkacke getroffen wird, bringt das Glück. Die Taube wünscht dir Glück, wie eine echte Freundin.“ – „Ja!“, da leuchten die Augen verständnisvoll auf, „sie mag mich wohl wirklich!“
Mai 2024
In eigener Sache
Zum ersten Mal seit vielen Jahren legen wir wieder einmal eine Ferienpause ein, haben uns die Woche nach Pfingsten freigenommen und die Türen vom Lummerland bleiben ein paar Tage lang geschlossen. In unserer Abwesenheit können sich die Kolleginnen und Kinder vom Dschungel nach Lust und Laune im Garten ausbreiten. Wenn wir dann wieder unsere Türen öffnen, machen die Dschungelaner eine Woche frei und wir Lummerländer haben das ganze Kindergartengelände für uns allein. Eine willkommene Abwechslung für alle. Wenn wir aber nicht im Kindergarten sind, kann es an dieser Stelle jedoch leider keine aktuelle Geschichte aus dem Kindergartenalltag geben. Aus diesem Grund hier nun der Hinweis auf die Homepage der Evangelischen Kirchengemeinde Echterdingen (ekg-echterdingen.de), wo – unter der Rubrik „Kindertageseinrichtungen“ und dann „Lummerland“ – alle neuen und alten Amtsblattberichte und auch solche, die nicht erschienen sind, (nach-)gelesen werden können. Auch Informationen zu unserem Team und dem, was uns bei unserer Arbeit wichtig ist, lässt sich dort erfahren. Noch eine Bitte: Wenn Sie Malpapier in allen möglichen Größen und Farben, auf Rollen oder Blöcken, in kleiner oder großer Stückzahl übrig haben – es kann auch einfach die freie Rückseite alter, gut erhaltener Kopien sein – dann freuen wir uns über jede Spende.
Dein Freund und Helfer
Am 15. Mai dürfen die Emma-Kinder mit der zuständigen Kollegin und einem der Emma-Vätern das Polizeirevier in Filderstadt besuchen. Zuvor überlegen sie noch gemeinsam, was sie dort wohl sehen werden: vielleicht einen Taser, eine Laserpistole, gar ein Gefängnis? Viele Fragen … Dort angekommen begrüßt sie Herr Emmert, er ist für die Besuchergruppen zuständig, und geleitet sie hoch in den dritten Stock. In einen Raum liegen auf einem Tisch viele Dinge, die zu der Ausrüstung eines Polizisten gehören: Handschellen, Warnweste, Polizeimütze, Handschuhe, Funkgerät … Herr Emmert erklärt, wozu die Polizeibeamten alles bei sich tragen und beantwortet jede Frage. Nein, Laserpistolen und Bomben gibt es nicht, dafür aber ein Pfefferspray. Danach geht es hinunter in den Keller, wo die Zellen sind. Der Besuch im „Gefängnis“ ist spannend, eine Zelle ist besetzt, in die andere dürfen die Kinder und ihre Begleitung hineinschauen. Darin gibt es eine Matratze und ein Klo – und oben in einer Ecke eine Kamera. Plötzlich geht, wie durch Zauberhand, die Klospülung los, gesteuert von der Zentrale oben, wo der Beamte die Zelle durch die Kamera überwachen kann. Mit dem Aufzug geht es wieder ein Stockwerk höher, wo Polizeirätselhefte und anderes Material für Kinder zum Mitnehmen wartet. Zum Abschluss dürfen die Emmas noch in ein Polizeiauto steigen, samt sich drehendem Blaulicht und aufheulender Sirene. Die Zeit vergeht bei so vielen Eindrücken natürlich wie im Flug und die Heimreise in den Kindergarten steht an. Die Besuchergruppe bedankt sich bei Herrn Emmert für diesen spannenden und interessanten Vormittag auf dem Polizeirevier und verabschiedet sich. Zurück im Kindergarten bespricht die Kollegin noch einmal mit den Kindern was sie gesehen und erlebt haben, will sie doch darüber im Amtsblatt berichten. Die Schreiberin, die gerade in der Küche zugange ist, vernimmt gespannt, wie die Kinder in der Garderobe ihre Eindrücke schildern. Nach einer Weile tritt sie dazu und fragt in die Runde: „Und, wie ist es jetzt? Brauche Kinder Angst vor der Polizei zu haben?“ – „Nein!“, kommt es einstimmig aus allen Kehlen. „Und, sperrt die Polizei Kinder ins Gefängnis?“ – „Nein! Gar nicht!“, lautet auch hier überzeugend die einmütige Antwort. Prima, da haben sie was Wichtiges gelernt, schließlich ist die Polizei gerade auch Kindern ein Freund und Helfer.
Gemeinsam
Nach langem Überlegen – Sollen wir in den Klettergarten oder zum Paintball, Kegeln oder Essen gehen? – einigt sich unser Team auf einen Spieleabend bei der Kollegin. Das ist zwar auch nicht nach jedermanns Geschmack, aber wenn wir uns jetzt nicht einigen, wird wohl nie etwas aus unserem Teamabend. Die Schreiberin gehört zu den weniger Begeisterten, hat sie doch mit Spielen nicht viel am Hut. Bis heute ist ihr nicht einsichtig, wozu das gern angeführte Argument „man muss auch verlieren lernen“ gut sein soll. Selbst beim Obstgartenspiel im Kindergarten, wo die Kinder gemeinsam gegen den Raben würfeln, um vor ihm das Obst zu ernten, übernimmt sie die Rolle des Raben und wirbt dafür, dass das Obst doch für alle reicht. An diesem Abend wird zuerst ein Kartenlegespiel ausgewählt, bei dem, wie kann es anders sein, das Glück entscheidet – Wasser auf die ablehnenden Spiel-Mühlen der Schreiberin. Dann wendet sich zum Glück das Blatt und bei den nächsten Spielen geht es um Begriffe, Assoziationen, gemeinsame Überlegungen, Kreativität, Hilfsbereitschaft – Grips und Kooperation statt Glück. Die Schreiberin versöhnt sich langsam mit dem Spiele-Thema. Miteinander kommunizieren, gemeinsam überlegen und zu einer Lösung kommen – das ist es doch, was wir auch bei der Arbeit üben und brauchen und was wir den Kindern vermitteln wollen; nicht gewinnen oder verlieren.
Kommen und Gehen
Mit dem Monat April verlässt uns unsere liebgewonnene Praktikantin nach dem Abschluss ihres Anerkennungsjahres. An ihrem letzten Tag wird sie schon morgens von den ankommenden Kindern mit selbstgemalten Bildern, Blümchen und Süßigkeiten bedacht. Im Morgenkreis stellen wir sie, bei Gesang und weiteren Geschenken, noch einmal in den Mittelpunkt. Für uns hat sie selbstgebackene Muffins mitgebracht. Beim Abholen der Kinder gibt es immer wieder herzliche Abschiede. Am Ende des Tages geht sie dann zum letzten Mal aus unserer Eingangstür, beladen mit all den herzlichen Zeichen der Wertschätzung, und versichert, dass sie recht bald wieder vorbeischauen wird. – Als dann der Mai beginnt, heißen wir ein neues Kind aus der Dschungelkrippe willkommen, dessen ältere Schwester eins unserer Molly-Kinder ist. Der Übergang gestaltet sich wohl gerade deshalb besonders gut, denn der Neuling hat mit ihr eine vertraute Person um sich, die sich bestens auskennt und bei der Eingewöhnung behilflich ist. Auch die Kollegin findet immer wieder neue und spannende Beschäftigungen, die das Kind interessiert und offen annimmt, und leistet damit einen wichtigen Beitrag für ein gutes Ankommen.
April 2024
Geschlaucht
Einer unserer Kindergartenväter ist ein freiwilliger Feuerwehrmann und so bekommen unsere Emma- und Molly-Kinder die Gelegenheit, sich die Echterdinger Feuerwache von innen anzusehen und Einblicke in die Feuerwehrarbeit zu bekommen. Unterstützt von zwei jüngeren Kollegen werden die Kinder von dem Vater kurz und kindgerecht in die Thematik eingeführt. Auch in die Fahrzeuge dürfen alle mal reinsitzen und werden sogar in einem von ihnen zum Kindergarten zurückgefahren. Die Schreiberin lässt sich, da sie selber nicht mitgegangen ist, von den zurückgekommenen Kindern vom Erlebten berichten. „Und, wenn du die Feuerwehr brauchst, welche Nummer musst du dann anrufen?“ – „Eins“, das Kind hält einen Daumen hoch; „Eins“, es zeigt den Daumen der anderen Hand; „Zwei“, jetzt werden beide Finger gleichzeitig nochmals hochgehalten. Prima, gut gemerkt! „Rauch ist schlimmer als Feuer“, berichtet ein anderes Kind, „denn der geht überall als erstes hin.“ Richtig, gut aufgepasst! „Wenn Feuerwehrleute in ihren Anzügen kommen, dann brauchen wir keine Angst zu haben, hat der Mann gesagt.“ Klingt einleuchtend. „Und was habt ihr gemacht?“, will die Erwachsene von einem Kind wissen. „Wir haben Wasser geschlaucht“, lautet die begeisterte Antwort. Soso, besser Wasser schlauchen als die Männer.
Fast Sommer
Mittwoch ist der erste sonnige Tag der Woche und wir gehen zeitig in den Garten, um das schöne Wetter auszunutzen. Um ein Knopf-Kind zum Rutschen zu bewegen, erklimmt die Schreiberin mit ihm den Rutschturm, setzt es sich auf den Schoß und ab geht die Post. Prompt melden sich andere Kinder für den Tandemrutsch an, unter anderem auch ein Knöpfle. Als es an der Reihe ist und die Erwachsene sich gerade zu ihm setzten will, rutscht es bereits mit einem zeitlupenhaften, stuntreifen Purzelbaum die Rinne hinunter und landet, Arme voraus, bäuchlings im Sand. Bis die Schreiberin nachgerutscht ist, ertönt schon Geschrei und sie rechnet mit dem Schlimmsten. „Wo tut es weh? Lass mal sehen!“ Zwischen kleinen Schluchzern hebt das Knöpfle seitlich den Kopf – nirgends Blut zu sehen und die Nase ist auch noch ganz – und stößt weinend hervor: „Da ist überall Sand in der Hose.“ – „Komm, da schauen wir gleich nach.“ Die Erwachsene stellt das Kind auf die kleine Gartenbank. Tatsächlich hat sich die Jeans ordentlich mit Sand gefüllt und der staut sich in den Hosenbündchen. Bei warmem Sonnenschein lässt das Knöpfle, inzwischen quietschvergnügt, die Hosen runter, zieht Schuhe und Socken aus und alles wird ausgeklopft. Wenn man jetzt nur die Boxershorts, die Nackebeine und den Sand darum herum sieht, könnte man fast meinen, es wäre schon Sommer.
Nach Ostern
Was in eine Viertagewoche so alles hineinpasst, ist schon erstaunlich, zumal die ganze Woche zwei bzw. drei Kollegen zu ersetzen sind. Gut, es sind Ferien, da schwanken die Kinderzahlen. Am Dienstag, als es personell besonders knapp ist, lassen manche Eltern ihre Kinder dankenswerterweise spontan daheim. An den restlichen Tagen sind wir dann wieder gut besucht, aber auch besser besetzt. Wir feiern zwei Geburtstage, gestalten das Abschiedsgeschenk für die Praktikantin, treffen erste Vorbereitungen für den Muttertag und haben am Mittwoch zwei, am Donnerstag vier und am Freitag ein Besuchskind. Sie alle wollen sich für einen Vormittag wieder in die Kindergartenzeit zurückversetzen lassen und genießen das Spielen und Herumtoben. Eine nette Begegnung gibt es am Dienstagnachmittag, als die Schreiberin vor der Bürotür hört, wie der Bruder eines Kindes beim Abholen sagt: „Mein Freund war früher auch hier. Vielleicht gibt es noch jemanden, der ihn kennt?“ – und fühlt sich gleich angesprochen. Nach einem kurzen aufklärenden Gespräch mit dem Bruder und besagtem Freund, einem großen jungen Mann, kommen die Erinnerungen wieder. Wie schnell doch die Zeit vergeht und wie schön, wenn dann ein ehemaliges Kindergartenkind als Jugendlicher vor einem steht und sich freut, dass sich noch jemand an ihn erinnert.
Ostersuche
Die drei Kindergartentage vor Ostern bringen Abwechslung mit sich: Der Montag beginnt mit dem Osterbüfett, bei dem neben Karotten und anderem Gemüse, Brot und Kräuterfrischkäse auch selbstgebackene Waffeln aufgetischt werden. Am Dienstag bekommen wir Besuch vom Roten Kreuz, das mit zwei Mann mit Rettungswagen, zwei riesigen Teddybären und einem Karton voller elastischer Binden anrückt. Während die eine Kindergruppe die Teddys reichlich einwickelt, lassen sich die anderen Kinder auf der fahrbaren Trage festschnallen und genießen es, bei eingeschaltetem Blaulicht hinter dem Lenkrad des Rettungswagens zu sitzen. Danach wird getauscht. Da die Kinder in den Jahrgangsstufen die Ostergeschichte bereits in vier Teilen gehört haben, geht es am Mittwoch im Morgenkreis noch einmal um die ganze Geschichte. Die Kinder helfen tatkräftig beim Erzählen mit. Nach dem Frühstück geht es zum Suchen hinaus in den Garten, zuerst die Knopf- und Knöpflekinder, danach die Mollys und schließlich die Emmas. Wer einen Schokohasenlolli findet, darf mit ihm sein Osterkörbchen einlösen. Das Wetter ist so schön, dass wir gleich im Garten bleiben. Welcher junge, motivierte Mensch möchte nach der Schulzeit ein Jahr im Lummerland sein FSJ machen und vielleicht bald an dieser Stelle über sich lesen? Wir bieten ein buntes Sortiment an Kindern zwischen zwei und sechs Jahren und ein offenes Team.
März
Geschafft!
Hoch die Hände, Wochenende! – Nicht ganz, denn sechseinhalb Stunden trennen uns noch davon; und die haben es in sich. Zwei Kolleginnen fehlen und bis neun Uhr sind wir zu dritt. Vorlesen, Knete holen und wieder wegräumen, basteln, Memory spielen, Papierflieger falten, ein Kind davon abhalten, die Rückenflosse vom Bully-Haifisch abzunagen, dort Streit schlichten, den Turm in der Bauecke vor einem Knöpfle beschützen … Der Morgenkreis ist eine kurze Verschnaufpause. Ab da sind wir zu fünft und etwas entspannter. Nach Frühstück und Aufräumen fürs Wochenende geht es in den Garten. Die Matschhose ist nicht obligatorisch, was freudig begrüßt wird. Ein Knöpfle-Kind entdeckt den Wasserhahn, der sich nicht abstellen und auch noch leicht öffnen lässt. Als die Schreiberin genug davon hat, Wasserhahn und Kind auseinander zu halten, schnappt sie es und packt es samt Inklusionskind in die Nestschaukel. Dort sind die zwei eine ganze Weile glücklich. An der Betonröhre spielen ein paar Kinder „Opa liest die Zeitung“, im Sandhäuschen wird allerlei Gebäck, Essen und Eis angeboten und an den beiden Brettschaukeln warten Kinder, bis sie an der Reihe sind. Auf einmal werden die ersten Kinder abgeholt und dann geht es doch schneller als gedacht. Das Mittagessen verläuft ruhig, die Eltern kommen rechtzeitig, Flur und Büro werden noch für den Wochenendputz aufgeräumt, dann ist es geschafft.
Warten
Fotoapparat, Notfalltasche und Handy sind eingepackt, die Kinder stehen paarweise in einer Schlange vom Hauseck bis zum Kindi-Eingang, die Schreiberin ist mit einem Inklusionskinder vorne, alle warten, bis die etwas Langsameren auch noch dazustoßen und wir loslaufen können: zum Flughafenzaun. Moment mal! „Wo ist denn deine Mütze?“ – „Hab keine.“ – „Doch, hast du wohl. Geh rein und hol sie. – Und ihr zwei geht auch gleich eure Mützen holen!“ Drei Kinder marschieren zurück ins Gebäude. „Warst du auf der Toilette, wie ich es gesagt habe?“, fragt da der Kollege ein anderes Kind. Zögern, Überlegen, Kopfschütteln, Abmarsch aufs stille Örtchen. Oh, da ist noch eine Jacke offen. „Komm mal her, ich mach sie Dir zu.“ Der Wind weht kühl und das Inklusionskind will endlich loslaufen oder wenigstens spielen gehen. Die anderen harren noch geduldig aus. Nach und nach kommen die restlichen Kinder und Erwachsenen dazu, das andere Inklusionskind sitzt warm eingepackt im Kinderwagen, die letzte Kollegin in der Reihe hat schon den Schlüssel in der Hand und zählt nochmals durch. Dann kommt Bewegung in die Erwachsenen am Ende der Schlange. Die Praktikantin rennt leicht hysterisch lachend herbei und meldet, dass noch ein Kind seelenruhig mit einem Buch in der Leseecke sitzt. Heute üben wir uns im Warten.
Platt
Der jährliche Ausflug ins Kikimondo steht an und allein die Fahrt im Reisebus ist für alle ein besonderes Erlebnis, denn normalerweise gehört dieser nicht zu den alltäglichen Transportmitteln. Auf hoher Warte schaukeln wir durch den Ort und schweben über die Autobahn nach Kirchheim/Teck, wo die bunte Spielewelt allein auf uns wartet. Vor dem Spielen wird gefrühstückt, dann stürzen sich die alten Hasen ins Vergnügen, die Neulinge werden bei ihren ersten Schritten begleitet und gehen bald ihre eigenen Wege. Die Erwachsenen sind mittendrin, beobachten, lassen sich herausfordern zu Wettklettern und -rutschen, begleiten zur Toilette, wechseln Windeln, trösten und sind beeindruckt, wie sich die Kinder in der anderen Umgebung verhalten. Ein Knöpfle, von dem wir erwartet haben, dass es uns die ganze Zeit auf Trab hält, bleibt durchgehend im Kleinkindbereich, klettert, balanciert und rutscht danach ins Bällebad, wo es völlig entspannt das besondere Liegevergnügen auf sich wirken lässt. Der davon inspirierte Kollege ist bald von den Kindern komplett mit Bällen abgedeckt und nicht mehr zu sehen – auch nicht von dem Kind, das plötzlich herankommt und sich unbedarft in die Bälle und somit auf den Kollegen wirft. Aua. Dass die Rückfahrt, wie all die Jahre zuvor auch, ruhig verläuft, war zu erwarten, denn die Hälfte der Kinder schläft, der Rest ist einfach nur platt.
Februar 2024
Frühlingssuche im Februar
Weil der Winter sich nicht mehr wie Winter anfühlt, machen wir uns auf, den Frühling zu suchen. Wir haben es von den Schneeglöckchen läuten hören, dass am Zeppelinstein die Krokusse blühen – also nichts wie hin. Zwar sieht man beim Näherkommen einen leichten lila Schimmer durch die kahlen Buchenhecken, aber als wir uns dann – schön auf dem Weg bleibend – dem Gedenkstein nähern, sieht das erwartete lila Blumenmeer etwas enttäuschend aus: Wegen bedecktem Himmel haben die Frühblüher ihre Kelche eng zusammengelegt und von der Blütenpracht ist leider nicht viel zu sehen. Die Kinder nehmen es zur Kenntnis, doch dann lautet die Frage: „Dürfen wir jetzt zum Stein?“ Na, klar doch. Und dann stürmen die Kinder den Raum zwischen dem Gedenkstein und der ihn einfassenden Buchshecke und ab geht die wilde Raserei – ein Teil rechts herum, der andere links, und wo sie sich treffen wird gedrängelt. Ein paar Kinder üben sich im Klettern, ein paar andere dehnen ihren Bewegungsradius auf den Weg außerhalb der Buchshecke aus, was dann viel mehr Spielvariationen zulässt: verstecken, anschleichen, guck-guck-da-da, größere Runden rennen – den Kindern fällt immer wieder etwas ein und ihre Energie scheint unerschöpflich. Frühling suchen? Kein Thema mehr. Welches Kind braucht schon ein Blütenmeer, wenn es einen großen Stein mit einer Hecke drumherum gibt!
Bunter Fasching
Faschingsfreitag bis -dienstag dürfen die Kinder verkleidet kommen. Freitag fühlt sich alles noch irgendwie ungewohnt an, die Kinder stehen etwas ratlos herum und wissen nicht, was sie mit sich und ihren Kostümen anfangen, geschweige denn spielen sollen. Montag ist dies schon kein Problem mehr und Dienstag, als die Party steigt, ist alles Gewohnheit und jeder ein Verkleidungsprofi. Nun ja, fast jeder. Eine Prinzessin hat Probleme mit ihrer langen Tüllschleppe, in die sie sich und andere ständig verheddert, und wird ziemlich grantig. Bei der Modenschau ist sie allerdings wieder ganz Dame. Reise nach Jerusalem, Luftballontanz, ohne Hände Salzbrezeln von einer Schnur vespern – mit einfachen Spielen kann man die Kinder begeistern und der andere Gruppenraum, der als Rückzugsmöglichkeit für Faschingsmüde dient, bleibt verwaist. Beim Büfett sitzen alle im Flur um die Tafel und können wählen zwischen Obst, Gemüse und Stücken von Fastnachtskrapfen, alles von Eltern beigesteuert. Am besten von jedem etwas, lautet die Devise. Da sitzen sie, die Superheldinnen, Elsas, Monster, Vampire, Fernsehhelden, Piraten, Feuerwehrleute, der Gentleman und auch das Häufchen der Unverkleideten einträchtig nebeneinander und kauen genüsslich und zufrieden.
Ich bin ein Kind, holt mich hier raus!
Die Schreiberin hilft in der anderen Gruppe aus, sitzt in der Bauecke beim Inklusionskind und bespielt ein Knöpfle, um es abzulenken, da sein Bezugserzieher krank ist. Unterstützung bekommt sie von einem Emma-Mädchen, das ihr – leicht amüsiert – geduldig zuarbeitet. Angefangen hat es mit einem Duplo-Auto, einem -Männchen und einem kranken -Tier, inzwischen steht da eine große Tierauffangstation, wo ständig neue Insassen geliefert werden und der Tierarzt in seinem Auto (gespielt von dem Knöpfle) lautstark und mit großer Begeisterung in die Anlage rast, Zaun und Tiere umwirft und großen Spaß hat, wenn die beiden Mitspielerinnen die Augen verdrehen und „Nicht schon wieder! Was ist nur mit dem Tierarzt los?“ seufzen. Nebenan lärmen zwei Jungs mit ihren selbstgebauten Monstertrucks, am Maltisch unterhalten sich ein paar Mädchen ziemlich laut, zwei brüllen sich über ihr Magnetspiel hin an, einem Knopf-Kind geht es nicht nach seinem Kopf und es kriegt einen Schreianfall und die Kollegin versucht mit drei Kindern ein Spiel am Tisch zu machen. Der Lärmpegel ist hoch und lässt sich nur kurzzeitig positiv beeinflussen. Nach einer Weile sieht das Emma-Mädchen die Schreiberin gespielt verzweifelt an und meint trocken: „Ich ruf meine Mama an, dann bin ich bald raus aus diesem Laden.“
Gut erholt
Der Draußentagausflug führt uns mal wieder zum Wasserspielplatz an der Adolf-Murthum-Straße. Nach der Ankunft sind die Kinder nicht mehr zu halten. Die einen stürmen sofort den Hügel, um über die Hängebrücke die Kletterspinne zu erreichen, die anderen sichern sich einen Platz auf der Dreierschaukel, während die Kleinen sich zur Nestschaukel drängen oder das kleine Piratenschiff entern. Die Wege auf den Hügel sind durch die Nässe der letzten Tage zu Matschrinnen geworden. Natürlich rutschen die Kinder gerade dort auf Händen und Füßen nach oben und einige voll Vergnügen auch gleich wieder nach unten. Unser Inklusionskind sitzt auf der Federwippe, wo es freudige Laute von sich gibt und sich den Rest des Aufenthaltes von der Schreiberin schaukeln lässt. Auf dem kleinen Schiff kämpfen die angehenden Piratinnen um das Fernrohr, auf der Kletterspinne winken von oben die Mutigsten herunter, auf dem Hügel nimmt es mit der Matschrutscherei kein Ende und an der Nestschaukel? Seit wir angekommen sind, steht dort die Kollegin und schaukelt die Kinder gemütlich hin und her. Schon lang ist keins mehr ein- oder ausgestiegen, sie liegen dort total entspannt dicht an dicht und rühren sich nicht: Drei der sechs sind tatsächlich eingeschlafen. Als es dann aber Zeit fürs Zurückgehen ist, sind alle wieder auf den Beinen, die einen etwas müde, die anderen gut erholt.
Januar 2024
Puderzuckerbart
Die Eltern haben uns zu Weihnachten zwei Waffeleisen geschenkt. Am Donnerstag wollen die beiden Kollegen sie in der Nachmittagsbetreuung einweihen. So scharen sie sich mit neun Kindern um den großen Tisch und sind schwer beschäftigt. Natürlich möchten alle Kinder gern ein Ei aufschlagen, allerdings werden nicht alle zehn gekauften Eier benötigt. Die ersten paar Kinder meistern die schwierige Aufgabe gut. Doch als ein Kind sein Ei über der Schüssel mit beiden Händen zerdrückt und es komplett in die Eiermasse fallen lässt und nichts mehr zu retten ist, kommen doch noch die restlichen Kinder an die Reihe und die Kollegin ist froh, die große Eierpackung gekauft zu haben. Nun schlagen die Kinder die Eier einzeln in eine kleine Schale auf und geben sie erst danach in die große Schüssel. Jetzt kann der Teig fertiggestellt werden: Ein Kind rührt die Eier, zwei lassen Zucker und Vanillezucker einrieseln, ein Knopf-Kind füllt Mehl in eine zweite Schüssel, ein Emma-Kind hat die Zahlen auf der Waage im Blick und gibt Anweisung: „Noch ein bisschen. Nochmal, aber weniger …“ Wie die Sache ausgeht? Die neuen Waffeleisen leisten hervorragende Arbeit, jedes Kind verdrückt eine komplette Teigladung knusprig-braun gebackener Herzwaffeln und posiert mit zufriedenem Puderzuckerbartgrinsen für die Kamera.
Draußen und drinnen
Letzte Woche ist es an einem Tag kalt und ungemütlich. Weil die Kinder so schön spielen, nehmen wir dies als Vorwand, gegen besseres Wissen, drinnen zu bleiben. Wie erwartet rächt sich das und die letzte Stunde wird anstrengend, es lohnt sich aber auch nicht mehr wirklich sich anzuziehen und rauszugehen. Tags darauf ist es etwas besser, statt kalt und windig ist es nur noch kühl und es nieselt. Da gibt es dann keine Ausrede, außerdem sind wir vom Vortag gewarnt – eine Wiederholung wird es nicht geben! Also gleich nach dem Frühstück ziehen alle Matschhosen und dicke Jacken an und ab geht es, eine Runde spazieren. Das neue Kind, das zuvor noch sehr aufgedreht war, ist plötzlich ganz entspannt, als es nach draußen geht. Da kann die Schreiberin getrost ins Büro gehen, weiß sie doch ihr Eingewöhnungskind an der Hand der Kollegin gut aufgehoben. Tschüs, ihr Lieben, bis später. Punkt für Punkt auf der To-do-Liste wird abgearbeitet. Nach einer richtig langen Weile hört man draußen Gepolter und Stimmen und die Meute kehrt zurück – haben die es aber lang ausgehalten! Entsprechend sehen sie auch aus: Die Jacken glänzen regenfeucht und alle drängen ins Warme herein. „Endlich!“ – „Es regnet die ganze Zeit!“ – „Ich bin ganz nass!“ Beim genauen Hinsehen ist das Untendrunter bei allen aber trocken geblieben und die Freude am drinnen Spielen groß. Rausgehen tut allen gut – zurückkommen auch!
Fast wie im Herbst
Der Nussbaum im Garten hat uns im Herbst großzügig und über Wochen hinweg mit Nüssen beschenkt. Ein Teil davon ist tagesfrisch in den Mägen und Jackentaschen der Kinder verschwunden, der andere wurde im Kindergarten gewaschen und getrocknet und dann in die Nikolausstiefel gesteckt oder fürs Frühstücksbüfett geknackt. Trotzdem stehen immer noch zwei Kartons voller Nüsse in der Küche, die ihre Bestimmung bisher noch nicht gefunden haben. In der ersten Woche im neuen Jahr aber schlägt dann ihre Stunde. Wir sind bei kalten Temperaturen, aber freundlichem Sonnenschein im Garten. Unter dem kahlen Nussbaum, wo das Laub vom Herbst noch herumliegt, spielen Kinder. Plötzlich fallen von oben Nüsse zwischen sie. „Nüsse!“ So schnell, wie sie gekommen sind, verschwinden sie in den Jackentaschen oder werden gleich mit den Schuhen geknackt und gevespert. Dann landet wieder eine Ladung in der Nähe spielender Kinder. Ein paar kullern gezielt in die Betonröhre und direkt zwischen die dort hockenden Emma-Kinder. Nicht eins wundert sich, woher plötzlich die Nüsse kommen. Schnapp, knack, mmh! Ach, ist das ein Spaß, die Nüsse auf diese Weise loszuwerden! Andere Kinder, die noch gar nichts von dem „Regen“ mitbekommen haben, staunen nicht schlecht, als auch ihnen plötzlich Nüsse vor die Füße rollen. Es ist fast wie in den guten alten Herbsttagen.
Dezember 2023
Mit Spaß bei der Sache
Wie so oft samstags früh steht die Schreiberin beim Drogeriemarkt am Fotodrucker, wartet auf die Bilder der vergangenen Woche und staunt nicht schlecht: Alle Fotos sind vom selben Tag. Erst die Bilder der Geburtstagsfeier des Emma-Kindes im Morgenkreis, danach die aus dem Gruppenraum beim Spielen und dann noch ganz viele aus der Küche beim Plätzchenbacken. Immer zwei Kinder sind bei der Kollegin in der Küche und die Bilder legen Zeugnis davon ab, was dort so vor sich gegangen ist. Hier streut ein Kind blau-weiße Zuckerdekoration auf einen Teigstern, dort ein anderes bunte Streusel auf eine Glocke, während im Hintergrund die Teigengel im Backofen schon eine gesunde Farbe angenommen haben. Auf einem anderen Foto sticht ein Knopf-Mädchen vergnügt einen solchen Engel aus dem Plätzchenteig, während ein Molly-Junge mit zwei Ausstechformen in der Hand in die Kamera grinst. Hier sieht man, wie zwei Kinder behutsam den Teig aus den Formen lösen, dort linst ein Knopf-Mädchen begehrlich nach den Plätzchen auf dem Blech. Ein Knöpfle drückt mit beiden Händen die Form in den Teig und legt seine ganze Kraft in die Bewegung hinein, während ein anderes fasziniert auf den eben ausgestochenen Stern schaut. Das Geburtstagskind ist deutlich an seiner Krone zu erkennen. Alle haben aber eins gemein: Jedes Kind ist ganz bei der Sache und hat sichtlich Spaß.
Tausendmal besser
Die letzten beiden Jahre hat sich am 6. Dezember die Hauptperson des Tages krankheitshalber entschuldigt und die Säckchen bzw. Socken der Kinder per Paketpost zustellen lassen. In diesem Jahr gibt es im Morgenkreis kein Paket. Aber den Kindern fällt das nicht auf, sind sie noch voll des Wunders der gefüllten Stiefel daheim am frühen Morgen. Später, als wir mit beiden Gruppen zusammen im Stuhlkreis sitzen und singen, kündigt sich draußen unerwartet mit Gepolter und Geschnauf der Nikolaus an in eleganter, sehr feiner Bischofstracht. Die zwei jüngsten Knöpfle krallen ihre Hände dem Kollegen in den Oberschenkel und holen tief Luft. Manch andere Kinder halten den Atem an. Ein Emma-Kind presst aus anderem Grund die Lippen zusammen und verkneift sich ein Grinsen, ist ihm doch klar geworden, wer sich hinter der beeindruckenden Verkleidung verbirgt. Dem jüngeren Geschwisterkind allerdings stehen Mund und Augen ehrfürchtig offen, es sieht nur den Nikolaus. Als sich der Unbekannte dann als durchaus freundlicher, milder und humorvoller Gast entpuppt, verlieren die Kinder bald ihre Scheu. Jedes traut sich, seinen Stiefel persönlich beim Nikolaus abzuholen und sich mit ihm zur Erinnerung ablichten zu lassen. „Ich muss Papa sagen, dass der Nikolaus da war“, flüstert eins der Knöpfle-Kinder dem Kollegen begeistert ins Ohr. Ja, so in echt ist tausendmal besser als ein Paket.
Dezemberfreitag
Freitag, 1. Dezember, leise rieselt der Schnee, es ist noch dunkel und im Lummerland leuchten heimelig nur die bunten Lichtgläser – es ist das alljährliche Adventsflüstern. Nacheinander trudeln die Kinder ein und die meisten erinnern sich noch an das Adventsflüstern vom letzten Jahr, andere sind von ihren Eltern gut darauf vorbereitet worden. So bleibt es ganz lange unglaublich ruhig und fast still in den Räumen, bis – ja bis das unvermeidlich erste Kind kommt, dem die ganze Sache neu, völlig ungeheuer und wohl eher gruselig ist. „Ich will heim!“, brüllt es gleich im Eingang. Zum Glück lässt es sich nach einer Weile guten Zuredens beruhigen und bald darauf spielt es ebenso leise wie die anderen Kinder im Gruppenraum. Beim nächsten Kind, dem die eigentlich gemütlich gemeinten bunten Lichtflecken Angst machen, helfen alle beruhigenden Worte nicht, da muss die Mutter noch ein wenig mit ihrem Knöpfle-Kind im Kindergarten ausharren. Beim Morgenkreis bricht schon das Tageslicht vorsichtig durch das Oberlicht in den Flur und danach, beim Händewaschen, ist schon fast wieder alles wie sonst, sowohl Helligkeit als auch Lautstärke. Auf dem Weg zum Frühstück darf unser Knöpfle eins der Adventslichter auspusten und als es dann mit der Vesperdose vor sich am Tisch sitzt, kann die geduldige Mama – natürlich mit kindlicher Erlaubnis – endlich heimgehen. Dann bis zum nächsten Freitag!
November 2023
Bärenspaß
In der Molly-Stunde reden wir über Bären im Winter. Die Kinder wissen schon viel: Die Bären fressen sich eine Fettschicht an, um danach in einer Höhle den Winterschlaf abzuhalten. Bei der folgenden Bastelarbeit hat sich der Bär – untypisch aber dafür sehr niedlich – für seinen Schlaf unter eine Kuscheldecke gelegt. Diese malen die Kinder als erstes an. Auch der Kollege setzt sich an einen Tisch und macht mit. Er malt eine blaue Decke mit goldenen Sternen und einem Mond und findet etliche Nacheiferer. Die fertige Bastelarbeit soll frei im Raum aufgehängt werden und muss deshalb von beiden Seiten schön anzusehen sein. Bei manch einem gibt es deshalb, zumindest auf einer Seite, weiße Bettwäsche. Danach sind die Bärenteile auszuschneiden: Kopf, Schnauze, Augen, Arme, Beine, Ohren – alles, was halt so unter der Decke hervorschaut – und manches davon eben doppelt. Der Kollege meint vergnügt: „Das macht ja richtig Spaß!“ Damit, und mit der fließenden Unterhaltung während des Arbeitens, gelingt es ihm, die Kinder bei der Stange zu halten; zumindest an seinem Tisch. Endlich geht es ans Zusammenkleben der Einzelteile und das Ende ist abzusehen. Einige Bären haben auf der einen Seite die Augen offen, auf der anderen Seite schlafen sie – eine nette Idee. Am Ende hängen sie unter ihren Kuscheldecken zusammen im Flur. „Rate mal, welches meiner ist?“, fragt der Kollege jeden voll Stolz.
Feuchte Augen
Eine unserer Familien zieht weiters weg und der letzte Kindergartentag unseres Noch-Molly-Kindes ist da. Die Eltern und Mitarbeiter tun sich sichtlich schwerer mit der Situation als die Kinder und vor allem als das betroffene Molly-Kind. Wir sehen in allem etwas wehmütig dieses ‚letzte Mal‘, doch das Kind kommt ganz selbstverständlich wie immer herein, macht, was zu tun ist, und ist vergnügt dabei. Natürlich wird im Morgenkreis der Abschied so richtig zelebriert. Neben dem Molly-Kind steht sein Patenkind, das es mitverantwortlich eingewöhnt hat, und als dieses strahlend, in kindlicher Unbefangenheit ein kleines Geschenk überreicht, ist dies zum Dahinschmelzen süß. Es gibt eine Wunderkerze, Wunschlieder, Kuchen und ein kleines Geschenk und bei allem steht das Molly-Kind im Mittelpunkt. Es darf ganz allein die gesamten Kalender- und Tagesereigniskarten an die Magnettafel hängen und die Seife fürs Händewaschen verteilen. Es ist mit Freude und Ernsthaftigkeit dabei und meistert jede Situation souverän und genussvoll. Der Vormittag vergeht viel zu schnell und die Abholzeit ist da. Wir sind im Garten, da geht die Verabschiedung im ganzen Trubel nebenher und ziemlich fix. „Unser Kind mag keine Abschiede“, erklären die Eltern, von denen wir uns tags davor schon in Ruhe verabschiedet haben. „Wir auch nicht“, sagen wir mit feuchten Augen.
Piep-piep-piep
Der für den Brandschutz zuständige Kollege will den Ernstfall proben und eine Evakuierungsübung durchführen. Er instruiert das Team und bereitet die Kinder auf den Probedurchlauf vor. Einige wissen schon, wie gefährlich Rauch ist, woran man die Fluchtwege erkennt und wie man die Feuerwehr erreicht, und als der Kollege fragt: „Wenn der Rauchmelder piept, können wir dann noch unsere Straßenschuhe anziehen?“, ertönt es aus allen Kehlen: „Nein!“ – „Können wir dann noch die Jacken holen?“ – „Nein!“ – „Haben wir dann noch Zeit zum Aufräumen?“ – „Nein!“ Das hört sich doch schon ganz gut an. Später, während des Freispiels, gellt plötzlich das laute Piep-piep-piep eines unserer Rauchmelder – das Startsignal! Jetzt schnell Kinder aus dem Flur holen, Badezimmer kontrollieren, Zimmertüren schließen, Fluchtfenster öffnen. Zuerst klettert die Schreiberin hinaus und nimmt die nachfolgenden Kinder mit zum Sammelplatz im Garten, während das verbliebene Kollegium einem Kind nach dem anderen ins Freie hilft und am Ende selbst nachkommt. Es klappt wie am Schnürchen, nicht einmal vier Minuten sind seit dem Signal vergangen! Fix noch überprüfen, ob alle da sind, dann nichts wie wieder rein, denn es ist ganz schön kalt so ohne Jacke und in Hausschuhen. Der Kollege ist zufrieden mit der Übung und plant schon die nächste Evakuierung.
Tradition
Der Vormittag ist grau, kühl und verregnet. Gut, dass Krämermarkt ist. Bei einem Spaziergang dorthin können sich die Kinder die Beine vertreten, frische Luft schnappen und den Duft von Zuckerwatte und gebrannten Mandeln einatmen. Einer jahrelangen Tradition folgend wollen wir den Kindern Magenbrot kaufen – im Blick auf unser Ernährungsthema allerdings eine etwas fragwürdige Sache. Als Kinder und Kollegen dann vom Markt zurückkommen, bringen sie statt Magenbrot getrocknete Apfelringe und Bananenscheiben mit. Dass es keinen Stand mit Liebesäpfeln und Zuckerwatte gegeben hat, spielt uns passgenau in die Karten. Zuerst schauen wir uns mit den Kindern das Trockenobst gut an. Auf den ersten Blick sind Bananen und Äpfel gar nicht so richtig auseinanderzuhalten. Die Kinder stellen schnell fest, woran das liegt: „Die Schale fehlt!“ Genau, denn ohne sehen beide Früchte einfach nur beige aus. Dann wird probiert: zuerst die Banane. Sie ist knackig, hart, fruchtsüß und lecker, schmeckt jedoch nicht so richtig wie Banane sonst schmeckt. Der Apfel hingegen ist weich und fluffig, ebenfalls fruchtsüß und richtig apfelig. Ein Kind bemerkt: „Sonst ist der Apfel hart und die Banane weich, aber getrocknet ist es gerade andersherum.“ Stimmt, stört aber nicht und schnell ist der Teller leergevespert. An Magenbrot denkt keiner mehr. Ist das womöglich der Beginn einer neuen Tradition?
Oktober 2023
Kein Platz auf der Arche
Die Kollegin erzählt im Flur einer kleinen Gruppe Kinder die Geschichte der Arche Noah. Die Schreiberin muss ins Büro, möchte aber nicht stören und wartet eine Weile ab. Beim nächsten Blick nach draußen herrscht dort plötzlich reges Treiben. Da werden Isomatten, Hocker und Bänke zusammengetragen – was ist passiert? „Die Kinder wollen selber eine Arche bauen“, erklärt die Kollegin. Magisch angezogen tauchen weitere Kinder und Kollegen auf und wollen mitmachen. Die „Arche“ ist schon viel zu klein. „Kommt, wir holen einen Tisch und drehen ihn um, wie auf der Bewegungsfortbildung“, schlägt jemand vor. Gesagt, getan, das Schiff wächst und mit ihm die Zahl der aufzunehmenden Passagiere. „Was seid ihr denn für Tiere?“ – „Ich bin ein Flamingo.“ – „Ich auch.“ – „Ich bin ein Puma.“ – „Und ich eine Giraffe.“ Nun muss die Schreiberin aber endlich mal ins Büro. Als sie zurückkommt, haben die Kinder ihre Vesperdosen und Trinkflaschen an Bord geholt. „Sie meinten, auf der Arche braucht man auch Proviant“, berichtet die Kollegin. Während mittendrin ein paar Mädchen ein Picknick machen, drängen sich im Heck die Jungs zusammen. „Noah“ steht am Bug und hält das Balancierkissen als Steuerrad in den Händen. „Wo soll‘s denn hingehen?“, fragen die Erwachsenen. „Nach Süden!“, ruft ein Kind. Wir Großen winken der abfahrenden Arche nach und sind ein wenig traurig, weil für uns kein Platz mehr ist.
Ganz schön bunt
Beim Frühstück redet das Knopfkind zur Linken der Schreiberin ohne Unterlass und gelegentlich auch mit vollem Mund. Was es da erzählt, macht höchstens für es selbst Sinn, deutet aber auf eine sehr ausgeprägte Fantasie hin. Als das Kind mal wieder vom Brot abbeißt, grätscht die Erwachsene schnell dazwischen, um den Monolog in ein sprachförderliches Gespräch über Farben umzulenken, denn das Knopf-Kind tut sich damit noch etwas schwer. Also deutet die Schreiberin auf die gelbe Bananendose des Emma-Kindes nebenan und fragt: „Welche Farbe ist das?“ Das Knopf-Kind senkt nur kurz den Blick, hebt ihn sofort wieder und sagt, wie aus der Pistole geschossen: „Orange.“ Die Erwachsene klopft auf die orangene Tischfläche und fragt: „Und der Tisch? Welche Farbe hat der?“ Ohne zu zögern und völlig gelassen kommt die Antwort: „Blau.“ Dritte Chance: „Welche Farbe hat dein Pulli?“ Das gute Stück ist blau. Diesmal ein kurzes Zögern, dann gibt es ein sehr überzeugtes und zufriedenes „Rot!“ als Antwort. Okay, eins noch: „Welche Farbe hat meine Jacke?“ Das ist gemein, denn Kaki oder Olivgrün sind mit Sicherheit nicht im Vokabular des Knopf-Kindes beheimatet. Das überlegt ein Weilchen, die Jacke taxierend, und ist nicht um eine Antwort verlegen: „Das ist Matschfarbe.“ Es legt gleich noch eins obendrauf, auf die transparente Vesperbox der Schreiberin deutend: „Und deine Dose ist Wolkenfarbe.“
Soo hungrig
Am Krautfestfreitag schlängeln wir uns durch die fleißig arbeitenden Menschen, die das Fest vorbereiten, und werfen einen Blick gen Backhaus. Dort haben wir Glück, denn die Landfrauen und -männer mitten in der Krautkuchenproduktion erlauben uns, in kleinen Grüppchen einen Blick in die gute Backstube zu werfen, wo es ziemlich verheißungsvoll duftet, sodass eins der Kinder beim Hinausgehen seufzt: „Ich hab sooo Hunger!“ Doch wir gehen weiter, denn wir haben noch etwas vor: Es gibt da jenseits der Hauptstraße ein Wiesenstück, auf dem wir Äpfel aufsammeln dürfen. Wie wohltuend es ist, die schwer befahrene Hauptstraße hinter sich zu lassen und durch ein Gartentörchen in eine andere Welt zu treten! Eins der Knopfkinder drückt es, angesichts der weiten, grünen Wiese mit den Bäumen darauf, ganz herzerfrischend so aus: „Hier ist das Leben schön!“ Ja, da kann man nur zustimmen. Im Nu haben die Kinder genügend Äpfel aufgesammelt, um damit die mitgebrachten großen und kleinen Beutel zu füllen. Wir schleppen sie, uns abwechselnd, zurück zum Kindergarten, wo die Kollegin sogleich damit beginnt, das Obst zu waschen und in Stücke zu schneiden. Zweimal muss sie danach eine weitere Ladung essfertig machen, denn die Kinder langen reichlich zu, schließlich muss der Hunger gestillt werden.
Was wächst denn da?
Bei einer Runde über die Felder wollen wir nach dem Herbst schauen und nach dem, was es dort für Mensch und Tier noch zu essen gibt. Das Wetter könnte nicht besser sein. Von den Walnussbäumen grüßen die aufplatzenden Fruchthüllen und von den Büschen leuchten Hagebutten. Da kann doch mal jeder der mag gleich ein rotes Früchtchen aufmachen. Manch ein Kind hat schon Hägenmark gegessen oder Hagebuttentee getrunken und die Großen erinnern sich an ihre Kindheitserlebnisse mit den behaarten Kernen. Die Schlehen hängen schon ziemlich verschrumpelt an den stacheligen Zweigen, während die schwarzen Ligusterbeeren glänzen. Viel Menschenfutter gibt es aber nicht mehr. Unsere Lebensmitteldetektive können an den Überresten der umgepflügten Äcker feststellen, dass dort einmal Getreide oder Mais gewachsen ist. Keine Spur mehr von Kartoffeln, Salat oder Rüben. Nachdem wir an einem der letzten und ziemlich traurigen Maisfelder vorbeigelaufen sind, kommen wir an eine riesige Fläche, die mit blättrigem Grünzeug bewachsen ist. Was mag das nur sein? Salat, mutmaßt ein Kind, aber die dicken Blätter sind viel zu groß und hart. Kohl? Schon besser. Schaut euch doch mal die Form an, die spitzen Enden! Hm, ratlose Blicke. Okay, ein kleiner Tipp: Wir feiern bald ein Fest zu Ehren dieses Gemüses. Nach einigem Nachdenken meint ein Knopfkind: „Da wächst Krautfest!“
Umwege
Am Donnerstag geht es zum Zaunackerspielplatz. Das Inklusionskind darf, nebst Ausflugsrucksack und sämtlichen Trinkflaschen der Kinder, in den Bollerwagen. Eins der neuen Kinder meint, da sei noch genug Platz für es, und sieht partout nicht ein, dass es laufen soll – es bleibt ihm aber nichts anderes übrig. Unsere Karawane zieht gen Spielplatz, einen Umweg nehmend, da wegen Bauarbeiten die übliche Route gesperrt ist. So laufen wir eben eine andere Strecke und sehen mal was anderes. Später, auf dem Heimweg, nachdem die Kinder eine Stunde lang ihren Spaß gehabt und sich verausgabt haben, will ein Kind uns eine Abkürzung zum Kindi zeigen, damit es schneller geht. Allerdings führt diese über Treppen, sodass die Schreiberin mit dem Bollerwagen den üblichen, langen Weg nimmt. Dort, wo sie vermutet, dass die Abkürzung einmündet, wartet sie eine Weile und lauscht nach Kinderstimmen. Die hört sie zwar, aber kein Kind ist zu erspähen. Ob es da wirklich einen Geheimweg gibt, den sie nicht kennt? Schulterzuckend wandert sie zurück zum Kindi und wartet, mit dem Inklusionskind auf dem Schoß schaukelnd, auf die anderen. Als sie endlich ankommen, erfährt sie, dass auch die Abkürzung versperrt war und alle gemeinsam doch den langen Weg nehmen mussten – auch unser fußmüdes Kind hat es geschafft und rennt anschließend wieder energiegeladen durch den Garten.
September 2023
Vom Knopf- zum Molly-Kind
Am Mittwoch finden sich die Schreiberin und ihr Kollege mit ihren ehemaligen Knopf-Kindern im wohlvertrauten Gruppenraum mit der wohlvertrauten Kinderschar wieder, die sie erwartungsvoll anschaut, ist dies doch ihre erste Molly-Stunde. Zuerst gibt es keine große Änderung zur Knopf-Stunde des vergangenen Kindergartenjahrs. Wir lauschen der Klangschale, singen – sehr zur Freude der Kinder – das „alte“ Anfangslied und trommeln unsere Namen. Hier gibt es aber eine kleine Erschwernis: Statt nur die Silben des eigenen Namens zu trommeln, folgt dem noch der Zusatz „Molly-Kind“. Erfreulicherweise machen gleich beim ersten Mal alle Kinder mit; sie sind eben doch ein wenig älter geworden. Wir sprechen über die Erwartungen der Kinder an die Molly-Stunde und stellen ihnen gleich eine erste, anspruchsvolle Aufgabe: „Mal dich selber und zwar genau so wie du bist, mit allem was dazugehört und in den richtigen Farben.“ Wir besprechen noch einmal die Körperteile und die Kleidung, dann dürfen die Mollys loslegen. Und wirklich, am Ende entsprechen die Ergebnisse fast alle den Vorgaben. Diese Selbstportraits bilden die Rückseite des Molly-Ordners. Am Ende des Kindergartenjahres dürfen die Mollys sich dann noch einmal selbst portraitieren – das Bild wird dann das Deckblatt.
Wie jedes Jahr
„Hier sieht es aber leer aus“, meint die Kollegin, als sie am ersten Tag nach den Ferien unseren Flur betritt. Und recht hat sie, die Garderoben sind wie leergefegt, die Wände nüchtern und farblos: keine Bilder, Basteleien, Jacken, Matschklamotten, Wechselkleidersäckchen oder Hausschuhe. Aber schon die ersten Kinder bringen wieder Farbe ins Haus, auch wenn die Garderobe noch große Lücken aufweist, sind doch die 16 Vorschüler nicht mehr da. Bereits am zweiten Tag kommen aber schon die ersten neuen Kinder und bis Ende des Jahres werden kaum noch Lücken an den Sitzplätzen übrig sein und die Wände wieder Zeugnis über die Kreativität der Kinder ablegen. Auch im Kollegium gibt es zwei neue Gesichter, sodass die ersten Morgenkreise erst einmal dem Vorstellen und Kennenlernen dienen. Sowohl für Kinder als auch Erwachsene ist die Situation nach den Sommerferien immer wieder aufs Neue eine besondere. Wie es sich wohl anfühlt, plötzlich wirklich ein Emma-Kind zu sein, ohne dass die „alten“ noch da sind, oder wenn man im Einschulungsgottesdienst gerade diese „alten“ Emmas mit Ranzen und Schultüte erlebt und spürt, dass für sie jetzt etwas Neues an der Reihe ist? In der kommenden Woche starten das Turnen und die Jahrgangstreffen wieder, es kommen neue Eingewöhnungskinder, so etwas wie Routine und Vertrautheit wird in den Alltag einkehren und die Rollen werden sich neu verteilen.
Juli 2023
Ich kleb dir eins
Die Schreiberin und eine Kollegin sitzen auf einem Bänkchen im Sandkasten und werden von ein paar Knöpfle-Kindern mit Sandkuchen, Sandeis und allerlei anderen Sandleckereien versorgt. Um sie herum tobt das pralle Kindergartenleben. Da treten drei Knopf-Mädchen vor sie hin. Zwei von ihnen verlangen lautstark nach Pflastern und deuten auf ihre Knie, das dritte nickt unterstützend mit dem Kopf. „Ihr braucht Pflaster? Ich glaube, ich brauche eine Lupe!“ Die Schreiberin kann lediglich fast schon abgefallene Kruste entdecken. „Das ist ja alt, was ihr da habt, dafür verschwenden wir keine Pflaster.“ Aber die Mädchen beharren auf Pflastern, sie haben – ihrer Meinung nach – ein behandlungswürdiges Aua. Da es jedoch weder Mitleid noch Pflaster gibt, ziehen die drei ab. Bald darauf tauchen sie aber wieder auf und zeigen stolz die teuren, bunten Markenpflaster, die für besonders schmerzhafte Wunden gedacht sind und jetzt an den beiden Knien prangen. „Ja, wie? Wo habt ihr die denn her?“ Hat sich etwa ein anderer Mitarbeiter erweichen lassen? „Sie war‘s“, die zwei deuten auf das dritte Kind im Bunde. Da haben sie sich doch einfach am Erste-Hilfe-Kasten selbst bedient und dem Knopf-Mädchen, das sich als geschickte Pflasterkleberin erwiesen hat, steht die Zufriedenheit über ihr gelungenes Werk ins Gesicht geschrieben.
Kindergartenpoesie
Worüber soll und kann man schreiben, wenn selbst vor Ort man nicht gewesen?
Soll man es lieber lassen bleiben? Dann gäbe es hier jedoch nichts zu lesen.
So meldet die Kollegin was geschehen, fein säuberlich auf einem Blatt notiert,
damit die Schreiberin – nachdem besehen, daraus den Kindergartentext kreiert.
Von einem Emma-Ausflug wird berichtet, zu einem kleinen Wiesenstück am Wald,
wo man gar vieles Krabbeltier gesichtet und sehr genossen hat den Aufenthalt,
gab es doch eisgekühlten Tee mit Saft und einen Haufen groß aus Heu (aus Stroh?),
in den hineinzuhüpfen viel Vergnügen macht und das Herumgetolle sowieso.
Im Kindi warten dann drei Praktikanten, die schon als kleine Leute dort gewesen.
Sie haben ihre Aufgabe verstanden und spielen Fußball, Fangen, buddeln, lesen,
aktiv, mit Spaß und sehr hingebungsvoll, egal ob draußen oder drin im Zimmer,
als „große“ Kameraden wirklich toll, die Kinder lieben das natürlich immer.
Der Schreiberin tut es ein wenig leid, dass sie nicht selbst ist mit dabei gewesen,
doch kommt auch wieder eine andre Zeit, dann gibt’s Authentischeres hier zu lesen.
Verputz-Tag
Am Freitag sind noch zwei Birnen und einige Orangen von den Mittagessen der Woche übrig. Dazu hat eine Kollegin eine Schüssel voll roter Johannisbeeren und eine kleinere mit Stachelbeeren aus dem heimischen Garten mitgebracht. So findet während der Spielzeit im Garten kurz nach zwölf Uhr eine fröhliche Verkostung statt. Zwei vom Team sitzen an einem Tisch, das Obst verzehrfertig vorbereitet, die Kinder stehen in einer vorbildlichen Schlange daneben und holen sich eine erste Runde der Erfrischung ab. Birne und Orange stehen hoch im Kurs, die Nachfrage nach Beeren erfolgt nur von deren Kennern und Liebhabern. Während andere gerade erst von den Kollegen auf die kleine Zwischenmahlzeit hingewiesen werden, sie waren so in ihr Spiel vertieft, ist ein Kind erstaunlicherweise schon zum dritten Mal an der Reihe. „Ich bin halt schnell im Anstellen“, ist die einfache Erklärung des Emma-Kindes, und es zieht mit einer Hand voll Johannisbeeren von dannen – wieder ans hintere Ende der Schlange. Orangen und Birnen sind weg, da rücken plötzlich die Beeren in den Fokus der Kinder. Und siehe da, nicht wenige von ihnen trauen sich zu probieren und entdecken ein neues, offensichtlich leckeres Geschmackserlebnis, denn sie kommen immer wieder, bis die letzte Beere verputzt ist.
Krönung
Drei Kolleginnen sind mit den Emma-Kindern unterwegs, während die restlichen drei mit den Mollys, Knopf und Knöpfle im Kindergarten in einer Gruppe verbleiben. Im Nebenzimmer spielen fünf Kinder mit Kaufladen und Puppenecke, zwei andere tanzen mit bunten Gymnastikbändern im Flur herum, ein paar sitzen in der Bauecke und an Spieletischen, drei oder vier sind am Maltisch und möchten etwas basteln. Zufällig liegen ein paar Papierkronen im Büro herum, eine davon ist ganz simpel aus gefalteten und aneinandergeklebten bunten Papierquadraten gemacht. Eine einfachere Bastelarbeit gibt es doch kaum! Also schneidet die Schreiberin mit der Schneidemaschine aus buntem Papier Quadrate in Notizzettelgröße zu und nun sollen die Kinder diese „Ecke auf Ecke“ falten. Die Dreiecke werden danach ineinander geklebt, bis die „Zackenkette“ um den Kopf passt. Nachdem drei Kinder ihre Kronen fertiggestellt haben, stehen schon die nächsten bereit, ihre Plätze einzunehmen. Nacheinander bastelt sich so jedes Kind seinen eigenen Kopfschmuck. Welch hübsches Bild bietet sich dann, als lauter bunt bekrönte Häupter beim Mittagessen um die Tische sitzen und auch der Kollege sich die Modellkrone aufs Haar setzt: fast wie ein König mit seiner Prinzessinnen- und Prinzenschar beim Festmahl.
Juni 2023
Strategisch
Wie ein Hundertmeterläufer steht das Molly-Kind in den Startlöchern, um beim Ruf „Mittagessen!“ als erstes loszurennen und sich den Sitzplatz zu ergattern, der am nächsten an den Essenstöpfen ist, weil es denkt, so als erstes an die Reihe zu kommen – was aber nicht immer der Fall ist. Inzwischen ist es ein Emma-Kind geworden, läuft ganz gemächlich ins Zimmer und setzt sich scheinbar willkürlich hin. Es scheint vernünftig geworden zu sein, denkt die Schreiberin, bis das Kind sie kürzlich fragt: „Wer macht heute Mittagessen? Frau L.?“ – „Hm, kann sein. Ist das wichtig?“ – „Wenn Frau L. das macht, dann sitze ich am Maltisch“, ist die Antwort. Die Erwachsene wird neugierig: „Warum das denn?“ – „Weil Frau L. immer die Kinder am Maltisch zuerst aufruft.“ Eine kurze Nachfrage bei der Kollegin bestätigt das. Unser Kind ist also wirklich vernünftig geworden und hat eine neue Strategie entwickelt: Je nachdem, wer von den Erwachsenen das Mittagessen leitet, sucht es sich seinen Platz aus, basierend auf zahlreiche Beobachtungen. So verkraftet das Kind es wohl auch, wenn es einmal als letztes an die Reihe kommt, dient dies doch seinen Studien. „Weißt du was“, sagt die Erwachsene, „heute kommst du sowieso als erster dran.“ Erstaunt und mit fragendem Blick schaut das Kind sie an. „Weil du heute Geburtstag hast!“
Schlagzeile
„Wir brauchen Werkzeug!“, fordern die Emma-Jungs. Die Kinder sind neben einem der Gartenwege zufällig auf einen längst verschütteten Regenwasserschacht gestoßen. Doch das ist ab sofort Vergangenheit, denn ausgestattet mit alten Kaffeelöffeln und einem betagten, aber saustabilen, dicken Schlitzschraubendreher, legen die Jungs die gusseiserne Abdeckung frei. Leider lässt sie sich keinen Millimeter bewegen. Da muss erst noch eine ganze Menge Sand gelockert, mit viel Geduld löffelweise zwischen den Gitterstäben herausgeholt und der Gitterrand mit alten Pinseln und Zahnbürsten so gut wie möglich von Sandkörnern befreit werden. Der aufgestellte Sonnenschirm vermittelt den Eindruck einer archäologischen Ausgrabungsstätte. Erst tags darauf, als unser Hausmeister mit Spitzhacke und Stemmeisen anrückt, gelingt es, den Deckel zu entfernen. Nun können die Buben eimerweise Sand aus dem Loch herausholen, bis sie auf harten Untergrund und Wurzeln treffen. Als der Deckel dann wieder auf dem Loch liegt und der Schacht wieder funktionstüchtig daliegt, fragt einer der Jungs die Schreiberin mit hoffnungsvollem Blick: „Kommen wir jetzt in der Zeitung? - Ich weiß auch schon, was dann da steht: ‚Vier Emma-Jungs legen Gulli frei‘.“ Aber klar doch, so viel Ausdauer und Eigeninitiative muss belohnt werden!
Selbstverständlich selbständig
Mit schiefgelegtem Kopf und fragendem Blick schaut das Knöpfle zur Schreiberin auf: „Malen?“ – „Wasserfarben? So wie gestern?“ Fröhliches Nicken. „Dann holen wir mal einen Malerkittel …“ Bald sitzt das Dreijährige mit dem Pinsel in der Hand vor seinem großen, weißen Papier. „Mit welcher Farbe magst du anfangen?“ – „Blau.“ So wie gestern. „Nimm etwas Wasser und dann gut in der Farbe rühren.“ Das Kind macht dies konzentriert und mit Geschick. Es malt einen blauen Kringel, den es mit blauer Farbe füllt. Weitere folgen, mal mehr, mal weniger rund, quer über das ganze Papier verteilt. „Rot!“ Farbwechsel. „Jetzt wasch deinen Pinsel gut aus.“ Das kleine Kind versteht. „Nun nimm wieder etwas Wasser und rühr ordentlich in der roten Farbe.“ Fasziniert beobachtet die Erwachsene, wie das Knöpfle hingebungsvoll und mit ruhigem Pinselstrich beginnt, das Weiß zwischen den blauen Flecken mit Rot zu füllen. „Zu?!“, wieder schaut das Kleine fragend zur Schreiberin, die kurz überlegen muss. „Du machst die Löcher zu?“ Zufriedenes Nicken. Da wird die Erwachsene von anderen Kindern gebraucht und ist eine Weile weg. Plötzlich steht das Knöpfle mit seinem völlig buntbemalten Bild vor ihr: „Fertig!“ Es gibt der Erwachsenen sein Werk zum Trocknen und räumt dann ganz selbständig und selbstverständlich Farben, Pinsel und Wasserbecher zum Waschbecken.
Friedlicher Spaß
„Auch wenn einige nicht da sind, Kinder und Mitarbeiter, so haben wir doch richtig viel Spaß gehabt diese Woche“, meint der Kollege, rückblickend auf die vier Tage nach Pfingsten. Wo er recht hat, hat er recht. Dabei ist gar nichts Besonderes los. Ob es daran liegt, dass alle etwas ruhiger, lockerer und gelassener sind als sonst und die Erwachsenen auch mal vier gerade sein lassen? Wer kann zum Beispiel einem Kind böse sein, das sich auf die investigative Frage nach dem Übeltäter der Unordnung selber outet und freundlich und fröhlich gesteht, „Ich war das“? Am Freitag geht es uns so gut, dass wir uns spontan auf den Weg zum Flughafen machen. Mollys und Emmas maulen anfangs ein wenig, sind sie doch erst die Woche davor bei einer Flughafenführung gewesen und haben keine Lust auf den Fußmarsch hin und zurück. Als sie aber hören, dass wir auf dem Rückweg die S-Bahn nehmen, sind alle wieder mit dabei. Auf der Zuschauerterrasse lässt sich dann die Zeit gut vertreiben, vor allem beim Herumdüsen mit den kleinen fahrbaren Flugzeugen. In der S-Bahn staunen wir nicht schlecht, als der Zugführer alle Fahrgäste mit einer Ansage so begrüßt, als wären sie Flugzeugpassagiere mit dem Reiseziel Backnang. Schade, dass wir gleich wieder aussteigen müssen. Könnten wir doch auch bis zum Ende der Fahrt mit dabei sein!
Mai 2023
Fragen zum Wegrennen
Die Emma-Kinder waren auf Exkursion und die Schreiberin hat sie nach ihrer Rückkehr getrennt voneinander befragt. Hier das Sammelsurium einiger Antworten: „Da gibt es solche Stöcke, die kann man ausfahren.“ – „Ich habe Lichter gesehen, rot und grün, mit einem weißen Stiel, dass die Autos stehen bleiben und dann fahren dürfen.“ – „Es gab Hütchen, die haben sie hingestellt, damit man weiß, da ist was auf der Straße.“ – „Da gibt es ein Pfeffer-Dings, wo man auf das rote Ding drückt und dann brennen die Augen.“ – „Die haben eine Weste, wenn man da reinschießt, geht es nicht in die Haut, sondern bleibt in der Weste stecken.“ Nun, wovon reden die Kinder und wo sind sie wohl gewesen? Es geht um Schlagstock, Signalkelle, Pylone, Pfefferspray und Schutzweste. Und, na klar, die Kinder waren bei der Polizei. Am interessantesten fanden sie die Zellen, da sind sich alle einig; „Was cool war? Das Gefängnis!“ – „Die Zellen, da war ein komisches Klo.“ – „Es war gut, wir haben die Zellen gesehen.“ – „Mir hat das Gefängnis gefallen, weil ich Gefängnisse mag, weil es da drin schön warm ist.“ (???) – „Mir haben die Zellen gefallen", meint ein Kind, verzieht dann jedoch das Gesicht, „aber da waren voll andere ‚Klöe‘.“ Das letzte Kind sagt, „Die Zelle – sonst fällt mir nix mehr ein“, und rennt weg, denn es will lieber spielen, als Fragen beantworten.
Waschtag
Vor gut zwei Wochen: Der Regen hat etwas nachgelassen – unsere Chance, in den Garten zu gehen; es ist doch so notwendig! Die Schreiberin macht draußen Endkontrolle: Haben alle ihre Matschsachen an? Sind die Hosen über den Gummistiefeln und die Kapuzen auf den Köpfen? Die Riesenpfütze zieht die Kinder an wie ein Magnet. Den Boden sieht man nicht mehr, denn das Schlammwasser spritzt bald nach allen Seiten – aber der Spaß stimmt. Als kurz darauf zwei Kinder auf die Idee kommen, mit Schaufel und Eimer Wasser auf die anderen Pfützenhüpfer zu spritzen, ist dann Schluss mit lustig und die beiden werden weggeschickt. Um den Rest auf andere Gedanken zu bringen, bekommen alle Eimer und Schaufeln und sogleich wird das Pfützenwasser verladen und im Garten verteilt, mal im Sandkasten, mal im Erdloch unter dem Nussbaum. Aber, o nein! Da sitzen doch zwei auf ihrem Hosenboden in der Pfütze, die unterm Nussbaum sehen aus wie Schlammringer und einige Kinder haben deutliche Matschspuren im Gesicht! Da hilft nur eins, wir müssen früher reingehen und eine Matschschleuse improvisieren. Die Kollegin wäscht vor der Tür den gröbsten Dreck ab, der Kollege hängt die Matschhosen zum Trocknen auf und die restlichen zwei Mitarbeiter helfen den Kindern drinnen in trockene Hosen und Socken. Ein Emma-Kind verfolgt die Sache sichtlich amüsiert und meint: „Heut ist ein richtiger Waschtag.“
Muttertagsohrwurm
In diesem Jahr überrascht uns die Kollegin mit einem Muttertagslied, das sie im Internet gefunden und sich selber beigebracht hat. Im Morgenkreis übt sie es dann mit uns. Das ist selbst für uns Großen eine Herausforderung, denn wir kennen weder Text noch Melodie, haben also dieselben Voraussetzungen wie die Kinder. „Bitte nochmal wiederholen, wie war das noch?“, hört man uns öfter mal sagen. Es dauert seine Zeit, bis der erste Abschnitt sitzt. Beim zweiten straucheln wir immer wieder am Text. Ob die Kinder das zuhause ihren Mamas vorsingen können? Im Chor klingt es inzwischen ganz gut, aber ein Kind allein? So wollen wir den Gesang filmen und das Ergebnis den Müttern zukommen lassen. Gesagt, getan, alle stellen sich auf, die Knopf- und Knöpfle-Kinder bekommen rote Papierherzen in die Hand, die Kamera ist bereit, Achtung, Aufnahme! „Ich sing für dich, liebe Mutter, sing dir ein Lied …“ Klappe, im Kasten! Nur noch das Lied hochladen, den Link kopieren und verschicken, dann kann der Muttertag kommen. Nun ja, so ganz aus dem Kopf ist die Sache noch lange nicht, denn das Lied hat uns von Anfang an ständig beschäftig und begleitet. Drinnen begegnen wir Erwachsenen uns singend im Flur und im Garten fangen wir plötzlich wie auf ein geheimes Kommando gemeinsam zu singen an. Ob der Ohrwurm mit Ende des Muttertags endlich aus unseren Köpfen verschwinden wird?
Eiskrationen
Ein Knöpfle-Kind hat sich den Kopf angestoßen und sitzt mit dem Kühlkissen an der Stirn beim Frühstück. „Du darfst es nicht rausnehmen (aus der Hülle), sonst ist es ganz kalt!“, warnt ein Emma-Kind. Ein anderes pflichtet bei: „Ja, das wird dann wirklich richtig kalt.“ Und ein weiteres setzt noch eins oben drauf: „Es wird so kalt, da kriegst du einen Hirnfrost.“ Na, das hört sich mal interessant an, das will die Schreiberin genau wissen. „Was, bitte, ist denn ein Hirnfrost?“ – „Na, wenn ich bei der Eisdiele ganz viel Eis esse, dann wird mein Gehirn ganz kalt und ich erfriere“, lautet die einfache Erklärung, über die die Erwachsene aber noch ein wenig nachdenkt. Derweilen entwickelt sich ein Gespräch, bei dem die Kinder skurrile und mitunter sehr unappetitliche Eissorten erfinden, sodass die Schreiberin mit Einwürfen wie „Brokkoli-Eis“ oder „Spinat-Eis“ die Kinder wieder auf andere Gedanken zu bringen versucht. Allerdings ertönen beim Spinat-Eis gleich täuschend echte Würgegeräusche, sodass ein hastiges „Fisch-Eis“ Abhilfe schaffen soll. „Gibt’s doch gar nicht!“ – „Doch, in Japan.“ – „Und wer isst das?“ – „Ich nehm mal an, die Japaner?“ Da sagt ein Molly-Kind aus heiterem Himmel: „Rotkäppchen-Eis.“ Ein Emma-Kind vernichtet aber jegliche Zukunftschancen dieser ungewöhnlichen Eiskreation mit seiner Bemerkung: „Ach, das isst doch sowieso nur der Wolf.“
Spielplatzszenen
Unser Eingewöhnungskind will an diesem Morgen nicht bleiben. Nach dem Frühstück zieht es Jacke und Rucksack an: „Ich muss jetzt gehen. Nach Hause.“ Wie gut, dass wir sowieso zum Spielplatz wollen, da läuft es gern mit. Kaum angekommen, liegt der Rucksack schnell auf der Bank und das Knöpfle hat alle Heimgehpläne vergessen. Bald winkt es fröhlich mit anderen Kindern vom Piratenschiff herab. Die Emma-Jungs erklimmen das Dach des Spielhäuschens und die Emma-Mädchen möchten es ihnen gleichtun, nur wie? „Lasst es euch doch von den Jungs zeigen“, schlägt die Schreiberin vor. Bereitwillig teilen diese ihren Trick: „Räuberleiter“ ist das Zauberwort. Einer kniet sich hin, einer steigt auf seinen Rücken und von da aufs Dach, die anderen werden hochgezogen. Die Schreiberin wendet sich mit Grausen ab, als das Mädchen mit dem gelben T-Shirt als Trittleiter fungiert. Bald schon hat die Damenriege das Dach besetzt. Zwei große Jungs wippen vergnügt auf dem Federmotorrad, das sich unter ihrem Gewicht abenteuerlich biegt. In der Eltern-Kind-Schaukel wird das Inklusionskind abwechselnd von anderen Kindern geschaukelt. Es schimpft, wenn beim Wechsel angehalten wird, aber wenn es dann weitergeht, strahlt es über beide Ohren. Viel zu schnell vergeht die Zeit. „Gell, wir gehen morgen wieder zum Spielplatz?“, fragt das Eingewöhnungskind, als es im Kindi den Rucksack auszieht.
April 2023
Kreuz und quer
Mal wieder ist es Freitag, schönes Wetter und wir wollen Kinder zuhause besuchen. Allerdings hat eins unserer Molly-Kinder einen Termin und wir werdenn es um elf Uhr in S-Bahn-Nähe abgeben, also planen wir die Route darum herum. Zuerst ziehen wir Richtung Eisdiele los, in deren Umkreis wir das Zuhause eines Geschwisterpaares aufsuchen. Durch das namenlose Gässchen am östlichen Ende des Brenzwegs („Da war ich ja noch nie!“, meint ein Kind) erreichen wir danach die Obergasse, folgen der Hauptstraße nach Norden – und sind viel zu früh dran, um unser Kind mit Termin abzugeben. Also schieben wir spontan noch einen weiteren Besuch ein. Der freundliche, italienische Lebensmittellieferant vor der Pizzeria winkt uns hilfreich über die Hauptstraße und die Schreiberin läuft zielstrebig voran. Wir erreichen die Gartenstadt und jetzt soll uns das Kind den Weg zu seinem Haus zeigen. Dies versteht die Welt nicht mehr, denn es wohnt doch wo ganz anders. Peinlich! Also schnell wieder zurück – der italienische Lieferant grinst, als wir wieder an ihm vorbeiziehen. Nach dem Foto vor der richtigen Haustür begegnen wir dem guten Mann zum dritten Mal, denn jetzt geht es zum Termin. Pünktlich sind wir dort und schaffen es auch noch, bei einem weiteren Kind vorbeizugehen. Dann aber wollen alle „heim“ und im Garten spielen und nicht mehr kreuz und quer durch die Gegend laufen.
Gartenarbeit
Am herrlich sonnigen Frühlingsfreitag sind wir im Garten. Die Handwerker unter unseren Emma-Jungs haben schon wieder abstruse Ideen. Um denen zuvorzukommen, holt die Schreiberin Fuchsschwanz, diverse Raspeln und Feilen, zwei Schnitzmesser für Kinder und drei lange, stabile Äste, die im letzten Jahr als Wuchsstangen für unsere Tomaten gedient haben. Zuerst sägen die Jungs die Äste in der Mitte durch, wobei sie sich gern von interessierten Mädchen ablösen lassen. Nach getaner Arbeit sitzen Mädchen und Jungs einträchtig auf den Bänken verteilt und bearbeiten das Holz abwechselnd mit Messer und Raspel. Nicht jeder stellt sich gleich geschickt an oder hat dieselbe Ausdauer. Schnitzen und Raspeln ist ganz schön anstrengend. „Kannst du für mich die Spitze schnitzen?“, fragt deshalb einer der Jungs seinen Freund, nur um sich dann eine Weile aus dem Staub zu machen. Es gibt sowohl unter den Jungen als auch unter den Mädchen richtige Spitzen-Schnitz-Spezialisten, die den Dreh mit den nicht ganz so scharfen Messern und dem nötigen Ansetzwinkel raus und entsprechend Kraft in Händen und Armen haben. Die anderen raspeln was das Zeug hält die Rinde vom Stecken, bis das helle, fast weiße Holz zu sehen ist. „Fühl mal, wie weich!“, freut sich ein Emma-Mädchen und alle streicheln die feingefeilte Stelle. Es bleibt aber noch genügend Arbeit für die nächste Woche.
Nostalgie
Während die Schreiberin ihr Müsli löffelt, meint das Emma-Kind neben ihr: „Du, Frau T., weißt du noch, früher hast du mir immer den Käse geklaut.“ – „Wer, ich?“ – „Ja, du.“ – „Niemals!“ – „Doch, das warst du!“ Ja, natürlich, das waren noch Zeiten gewesen! Die Schreiberin nickt versonnen. Heute mag das Kind diesen Käse nicht mehr. Alles geht einmal zu Ende, da kann einem ganz melancholisch ums Herz werden. Die Erwachsene betrachtet das Emma-Kind nachdenklich. Sobald dies aber den Blick der Frau auf sich spürt, schnaubt es etwas verärgert und holt, sich offensichtlich ertappt fühlend, die kleine Vesperdose der Schreiberin unter dem Tisch hervor und legt sie genervt wieder zurück. Die Erwachsene, die nicht einmal etwas von dem Raub bemerkt hat, tut aber so, als habe sie den Diebstahl mitverfolgt – und sinnt auf Revanche. Die bietet sich bald darauf, als das Emma-Kind sich, ähnlich einer Schildkröte, in seinen Pulli zurückzieht. Die Frau schnappt sich die Trinkflasche des Kindes und steckt sie in seinen Rucksack, der offen am Stuhl hängt. Als der Kopf wieder auftaucht heißt es sogleich: „Frau T., du hast meine Flasche genommen, ich hab‘s geseh‘n. Du hast sie unterm Tisch versteckt.“ Das Kind schaut gleich nach, (fast) überall, jedoch ohne Erfolg. Erst am Ende des Frühstücks, beim Einräumen, findet sich das gute Stück wieder. Ach, fast wie in der guten, alten Zeit.
Fremdsprachen
Kaum hat das Frühstück begonnen, wird die Schreiberin ins Büro ans Telefon gerufen. Als sie bald darauf wieder zurückkommt und weiterisst, wird sie vom Emma-Kind neben ihr gefragt: „Hä, wie bist Du wieder hierhergekommen?“ Da war wohl jemand geistesabwesend und hat den Moment der Rückkehr verschlafen. „Na“, meint die Erwachsene leicht amüsiert, „mit de‘ Fiaß am Bauch!“ Damit erntet sie Unverständnis. „Hä? Was heißt das? Hast du etwa vier Füße?“ Das Emma-Kind deutet etwas irritiert auf seinen Bauch und schaut dann auf den der Erwachsenen. „Nein, natürlich nicht“, lacht die Schreiberin, „weißt du, das sagt man so auf Schwäbisch.“ Dann deutet sie erklärend auf ihren Schuh. „Schau, das ist der Fuß da unten, und im Hochdeutschen ist alles ab dem Fuß bis zum Leib das Bein. Im Schwäbischen ist aber alles vom Boden bis zum Bauch der Fuß. Deshalb sagt man ‚Mit de‘ Fiaß am Bauch‘ und das heißt, dass ich hergelaufen bin.“ Das Emma-Kind kratzt sich zweifelnd am Kopf und meint keineswegs erleuchtet: „Das ist mir zu kompliziert.“ Zugegeben, es ist nicht gerade eine logische Sache, dafür hat die Tischrunde aber jetzt ein neues Thema. „Meine Mama spricht auch Schwäbisch“, sagt ein anderes Emma-Kind. „Du auch?“ – „Nein, aber ein bisschen Englisch.“ Und gleich darauf zeigen alle, wie gut sie schon Englisch können. „One, two, three, four, five …“
März 2023
Eins, zwei, drei!
Die Kinder sind rund um das bunte Schwungtuch verteilt und warten auf die Anweisungen der Kollegin. Alle warten? Nein, zwei, die beim letzten Mal nicht dabei waren, schnappen den vor ihnen liegenden Stoffrand, ist er doch so reizvoll und verlockend. „Auch ihr beide lasst bitte noch einmal die Hände vom Schwungtuch und wartet, bis ich das Kommando gebe. Erst bei drei geht es los.“ Geduldig wartet die Kollegin, bis die beiden so weit sind. „Eins, zwei, drei!“ Alle zählen mit und dann dürfen Wellen gemacht werden, allerdings langsame, leise, sanfte. Natürlich juckt es auch da die beiden Neulinge in den Fingern und sie legen sich gleich etwas zu mächtig ins Zeug. „Wir hatten besprochen, dass wir ruhige, leise Wellen machen. Ich weiß, dass ihr das auch könnt“, wendet sich die Erwachsene an die beiden Kinder. Natürlich können die zwei das und sie freuen sich sogar darüber. Und so geht es konsequent durch die ganze Sequenz. Mit einer Eselsgeduld und unerschütterlicher Ruhe findet die Kollegin gerade die richtige Mischung aus Spaß und fast unbemerktem Üben von Aufmerksamkeit, Zuhören und Zurückhaltung. Einem Knöpfle sind dann die wilden Schwungtuchwellen zu laut und es flüchtet sich auf den Schoß der Schreiberin. Von dort aber beobachtet es fleißig das Geschehen und zählt eifrig mit: „Eins, zwei, drei!“
Ein leichter Schreck
Als die Schreiberin am Freitagvormittag im Kindi vorbeischaut, liest sie an der Tür, dass Notgruppe ist. Außer ihr sind noch drei weitere vom Team ausgefallen. Sie findet verwaiste Räume vor. Sind alle spazieren gegangen? Gerade da kehrt das Grüpplein zurück: zwei Kollegen, die Integrationskraft und zehn Kinder. Was war denn die Woche über so alles los, möchte die Schreiberin gern wissen, aber die Kinder haben keine Zeit und Lust, die Frage zu beantworten. Die einen verziehen sich gleich in die Puppenecke und ein paar setzen sich in die Bauecke, von denen eines sagt: „Ich weiß nicht, ich muss jetzt bauen.“ Zwei sitzen am Maltisch und basteln sich Käppis gegen die Sonne, die ihnen beim Spaziergang auf den Kopf gebrannt hat, und das Inklusionskind fordert einen Kniereiter nach dem anderen. Nur ein Kind lungert am Erziehertisch herum und hätte da schon was zu berichten, allerdings ziert es sich ein wenig. Die Schreiberin fragt geschickt nach und erfährt dann, dass die Emma-Jungs fast die ganze Woche nach dem Frühstück im Garten waren. Und dann fällt das Stichwort „Regenwurm-Zoo“. Der Erwachsenen schwant Schlimmes. „Sag mir nur, haben es die Regenwürmer überlebt?“ – „Na, klar!“, winkt das Kind ab. „Mit einem leichten Schreck überlebt“, bestätigt der Kollege. Da ist die Tierfreundin aber erleichtert. Das reicht, mehr muss sie nicht wissen.
Wichtelschleuder
Die Schreiberin hört vom Büro aus, wie zwei Emma-Jungs vom Garten hereinkommen und nach ihr rufen. „Was gibt es denn?“, fragt sie. „Wir brauchen einen Fuchsschwanz, wir wollen eine Steinschleuder bauen.“ Oha, zwei gefährliche Dinge in einem Satz! Aber wer kann bei diesen begeisterten und eifrigen Gesichtern einfach nein sagen? Die zwei erklären, dass sie vom Hausmeister – der ihnen keine Säge geben wollte (!) – einen gegabelten Stock bekommen haben, der ihnen allerdings zu groß ist. Aber sie haben da ja noch eine kleine Astgabel. Und tatsächlich zieht einer der Jungen ein Hölzlein aus der Tasche, mit dem vielleicht ein Wichtelchen Maiskörner schleudern könnte. „Hast du uns einen Gummi?“ Na klar! Und mit viel Geduld befestigt die Erwachsene den Gummiring an der Minigabelung. „Jetzt brauchen wir noch Leder, damit man die Steine reinlegen kann“, sagt einer der Jungs und zieht zur Demonstration eine Handvoll Riesensteine aus der Jackentasche. „Sind die nicht ein wenig groß?“, gibt die Erwachsene zu bedenken. „Wartet, ich zeig euch was.“ Sie holt ein Stückchen Papier, faltet daraus einen Krampen und zeigt, wie man ihn mit der Schleuder wegschießt. „Oh ja, das macht mein Opa auch!“, erinnert sich der Steinesammler. Und – Opa sei Dank – ziehen die zwei mit ihrer Wichtelschleuder und dem Krampen zufrieden in den Garten.
Im Glück
„Du warst aber lang weg,“ begrüßt ein Kind die Schreiberin, als sie am Freitag zum ersten Mal nach ihrem Krankheitsausfall wieder in den Kindergarten kommt. Ein anderes schaut sie von der Seite her an, als überlege es, wer denn die Frau ist. Zum Glück fällt es ihm ein und bald sitzt es einträchtig mit der Erwachsenen am Tisch und puzzelt. Dann zeigen ein paar Emma-Kinder, dass sie in der letzten Emma-Stunde die Höhlenecke ausgeräumt und mit Kaufladen, samt selbstgebasteltem Warensortiment, Kinderküche und Tischgarnitur ausgestattet haben. Ein Kind steht hinter der Ladentheke und wiegt die Waren ab, ein anderes scannt die Artikel – und die Käufer gleich mit. Im Morgenkreis darf sich die Schreiberin das Anfangslied wünschen und beim Frühstück aussuchen, an welchem Tisch sie sitzen möchte. Als sie die Idee hat, einen Spaziergang zu machen, um nach dem Frühling zu suchen, sind alle einverstanden. Es wird eine große Runde über den Zeppelinstein mit einem Zwischenstopp am Spielplatz. Es ist ein rundum schöner erster Arbeitstag. Das Sahnehäubchen des Tages findet sich aber im Büro. Dort haben fleißige Heinzelmännchen aufgeräumt und Ordnung gemacht. Die Schreiberin fühlt sich wie bei „Zuhause im Glück“ und sie spielt mit dem Gedanken, dass es sich vielleicht lohnt, irgendwann einmal wieder ein paar Tage wegzubleiben.
Februar 2023
Situationskomik
„Was war denn diese Woche bei euch im Kindi so los?“, will die Schreiberin von den Kollegen wissen, da sie zuhause das Bett gehütet hat. Sie erfährt von der guten Fortbildung am Montag, der ausgelassenen Faschingsfeier am Dienstag und von einer lustigen Begebenheit am Frühstückstisch am Freitag. Die Fortbildung? Schwierig in Kürze aufzuarbeiten. Die Faschingsfeier? Schön, aber im Grunde vom Ablauf her wie jedes Jahr (Modenschau, Tanz, Spiele, Fasnetsküchle). Das Gespräch beim Frühstück? Es muss laut der kurzen Nacherzählung wirklich lustig gewesen sein. Es ging dabei um polnische Maultaschen, deutsche Kartoffeln und beider Vielseitigkeit, garniert mit etwas Situationskomik einiger Kinder. Aber beim Versuch des Nachvollziehens dieser doch etwas absurden Geschichte, deren Witz sich für jemanden, der nicht dabei war, einfach nicht erschließen will, streckt die Schreiberin die Segel. Was sie letztendlich versteht, ist, dass sowohl die Kinder als auch die Kollegen viele interessante, witzige und vergnügliche Momente in der Woche erlebt haben, was im Grunde doch die Hauptsache ist.
Zauberhaft bunt
Freitag vor den Faschingsferien kommen die Kinder am Morgen verkleidet. Die, die bereits da sind, bilden das Empfangskomitee, begrüßen gespannt jeden Neuankömmling, der sich aus seiner Jacke schält, und kommentieren lautstark das jeweilige Kostüm. Die Superhelden treffen sich in der Bauecke zum Kräftemessen, die Feen und Prinzessinnen zeigen in der Höhlenecke, dass sie keineswegs lautlos und zart unterwegs sind – und der Polizist liegt mit seinen Handschellen auf der Lauer. Nach dem Frühstück scheuchen wir die ganze Kindermeute in den Garten, wo sie völlig ohne Sandspielzeug herumtoben, Scheinkämpfe ausfechten, Feen sich plötzlich im Gefängnis-Spielhaus wiederfinden und unsere drei Feuerwehrleute seelenruhig weiterspielen, während ihre erwachsenen Vorbilder mit Tatütata draußen auf der Straße zu einem Einsatz vorbeifahren. Passend zum Tag besucht uns unser alter Bekannter, der Zauberer Calanis, und gibt eine Vorstellung. Cowboy, Fee, Prinzessin, Adler und Einhorn assistieren bei Zauberknoten und Zauberwürfel, und drei Knöpfle-Kinder verblüffen die Zuschauer, indem sie Fingerhüte verschwinden lassen. Zum Schluss zaubert Calanis Bonbons herbei, die dann zur großen Freude der Zuschauer im Publikum verteilt werden. Dass es danach wieder zum Toben geht, versteht sich von selbst.
Nüchtern
Ein Emma-Kind beschäftigt sich gerade sehr mit dem Thema Polizei. Am Spielzeugtag bringt es Handschellen (natürlich aus Plastik) mit, im Garten wird „Räuber und Gendarm“ gespielt, in der Bauecke eine Polizeiwache gebaut und beim gemeinsamen Vespern steckt es der Schreiberin so manche interessante Information zu: „Wenn ein Räuber vorbeifährt, hole ich mein Polizeiauto und verfolge ihn.“ – „Und woher weißt du, dass in dem Auto ein Räuber sitzt?“ – „Räuber fahren immer ganz schnell und haben Gold und andere Sachen im Kofferraum“, antwortet es. Beim jüngsten Gespräch am Frühstückstisch erzählt das Kind wieder einmal etwas, das die Schreiberin folgendermaßen versteht: „Weißt du, bei der Polizei gibt es auch eine Vernichtungszelle.“ Verwundert über die Bedeutung dieses Wortes fragt sie nach: „Was, bitte, ist das denn?“ - „Da werden die Betrunkenen eingesperrt, wenn sie Blödsinn machen“, erklärt das Kind. Aha, verstanden. „Was hast du gesagt, wie das heißt?“ – „Ernüchtungszelle“, ist die Antwort, die, jetzt etwas anders lautend – oder anders verstanden – mehr Sinn macht. „Ah, Du meinst eine Ausnüchterungszelle. Das ist ein schwieriges und langes Wort.“ – „Ja, genau, eine Ausnüchtungs-, nein, eine Ausnüchtigungs-, nein“, das Kind schüttelt den Kopf und konzentriert sich. „Eine Ausnüchterungszelle“, sagt es schließlich zufrieden.
Okay
Im Freispiel entdeckt die Kollegin, dass die Schnüre der bunten Holzmäuse vom Spiel „Hasch mich“ (Spitz pass auf) heillos verheddert sind und stellt die Gretchenfrage: „Wer war das denn?“ Unisono deuten zwei Kinder auf ein drittes: „Der war‘s.“ – „Wie soll man denn jetzt damit spielen?“, fragt die Erwachsene den Missetäter und gibt ihm den Auftrag, die Verknotung zu lösen. Das Molly-Kind ist überfordert und bekommt Beistand von der anderen Kollegin. Die meint dann auch: „Soviel ich weiß, war das schon so verwurschtelt, als sie das Spiel rausgeholt haben.“ Das ist der ersten Kollegin natürlich unrecht und sie geht zu dem vermeintlichen Verursacher hin. „Es tut mir leid. Es war nicht richtig, dass ich dich beschuldigt habe. Entschuldigung.“ Das Kind, dessen Muttersprache nicht Deutsch ist, sagt ebenfalls: „Entschuldigung.“ – „Hör mal, du musst dich nicht entschuldigen. Ich habe den Fehler gemacht, ich muss Entschuldigung sagen“, erklärt sie ihm. Das Kind muss dies erst einmal verdauen und sagt dann, mit einem Anflug von Verzweiflung: „Was muss ich denn dann sagen?“ – „Das kommt darauf an“, erwidert die Erwachsene, „entweder du nimmst meine Entschuldigung an, dann kannst du „okay“ sagen, oder du bist noch böse mit mir.“ Auch darüber muss das Kind kurz nachdenken. Doch dann meint es, und man merkt, dass seine Welt wieder sortiert ist: „Nein, ich bin nicht böse. Okay.“
Januar 2023
Im Rutsch
Es ist Mittwoch und Zeit für die Jahrgangstreffen. Die Schreiberin und eine Kollegin sind bei den 14 Knopf- und Knöpflekindern. Nach unserer Anfangsroutine (Klangschale, Namen trommeln, Lied) wenden wir uns dem aufgebauten Bewegungsparcours zu: Als erstes geht es über die Hühnerleiter auf den Kletterbogen, von diesem die Rutsche abwärts auf eine Matte, über eine Stuhlreihe auf den Tisch und an dessen Ende mit einem Sprung oder auch durch Herabsteigen auf die zweite Matte. Zuerst darf jedes Kind die Strecke einmal in Ruhe durchgehen, bei Bedarf mit Hilfestellung. Das jüngste Kind hat zwar die kürzesten Beine, dafür aber jede Menge Selbstvertrauen und Zeit. Ohne Hilfestellung schafft es alles in seinem Tempo, und den abschließenden Sprung vom Tisch auf die Matte krönt es mit einer Superheldenpose. Ein wahrlich applauswürdiger Auftritt. Nach zwei weiteren Runden wollen ein paar Kinder in die Bau- oder Puppenecke zum Spielen, die anderen möchten aber weiterhin beim Parcours bleiben. So macht sich dann eins nach dem anderen über die Strecke und bei zunehmender Übung kommen sie immer geschickter, schneller und letztendlich sogar ohne Hilfestellung über die Hindernisse. Zwei Kinder machen sich einen Spaß daraus, jedes Mal auf eine andere Weise die Rutsche herunterzurutschen – da vergeht auch die Zeit wie im Rutsch!
Schnee von gestern
Die sehr angenehme erste Kindergartenwoche ist vorbei und der Alltag hat uns wieder. Nach ein paar anstrengenden Tagen mit Personalausfällen und entfesselten Kindern setzen wir unsere Hoffnung auf den Freitag, den Draußen-Tag. Am Tag zuvor hat es geschneit und ein Spaziergang an der frischen Luft, vorbei an vier Häusern von vier Kindern, das kann nur allen gut tun. So machen sich 33 Kinder und fünf Erwachsene auf den Weg. Wir sind noch nicht am ersten Besuchshaus angelangt, da möchte die Schreiberin am liebsten wieder umdrehen, hat sie sich doch, wie die anderen Erwachsenen vor ihr in der Karawane, bereits den Mund fusselig geredet. „Bleibt bitte vom Randstein weg!“ – „Nicht einfach bücken und Schnee aufsammeln, wir laufen doch!“ – „Kick doch nicht immer den Schnee gegen die Kinder vor dir.“ – „Bleibt zusammen, lasst die Lücke nicht so groß werden, da passt ja ein Auto durch.“ – „Nein! Nicht den Schnee vom Gebüsch schütteln, den kriegen die anderen ja ins Genick!“ – „Hört auf, Schneebälle zu werfen!“ So in etwa geht es pausenlos. Bis wir die vier Häuser besucht haben, sind unsere Jüngsten platt vom Laufen und auch die Erwachsenen kommen auf dem Zahnfleisch daher. Alles, was wir bis Weihnachten bei Spaziergängen geübt und gelernt haben, scheint Schnee von gestern zu sein.
Bilderbuchstart
Gleichzeitig mit dem Schulanfang beginnt auch bei uns im neuen Jahr der Kindergarten. Das Kollegium ist komplett und auch die meisten Kinder trudeln nacheinander ein. Vom ersten erfahren wir, dass es den Kindergarten schwer vermisst hat und entsprechend beschwingt und fröhlich schwebt es herein. Auch die nachfolgenden machen nicht den Eindruck, als hätte man sie zum Kommen zwingen müssen. Im Morgenkreis wird gleich ein Doppelgeburtstag gefeiert und ein neues Kind begrüßt. Und dann spielen alle den ganzen Vormittag so friedlich und ausgeglichen miteinander, dass wir uns immer wieder verwundert anschauen, hatten wir doch nach den Ferien eher mit allem gerechnet, nur nicht damit. Irgendwie erscheint es uns unheimlich, aber es geht die ganze Woche so weiter: am nächsten Tag ein zweites Eingewöhnungskind, täglich eine Geburtstagsfeier im Morgenkreis, friedlich spielende Emmas, Mollys, Knöpfe und Knöpfle und zum Frühstück immer entweder Muffins oder Kuchen. Da bekommen unsere zwei neuen Kinder aber einen etwas verfälschten Eindruck vom Kindergarten. Ob sie enttäuscht sind, wenn es ab nächster Woche nur noch das ganz normale Frühstück gibt? Wie dem auch sei, der Anfang im Kindergarten ist ihnen jedenfalls versüßt worden und für uns alle ist es ein Start wie aus dem Bilderbuch.
Dezember 2022
Schnee satt
Am Donnerstag zieht es die Kinder in den Garten und in den Schnee hinaus. Bald sind alle in eine einzige große Schneeballschlacht vertieft, ein herrliches und vergnügliches Durcheinander – jeder gegen jeden. Die Kleinen raffen mit beiden Händen den Schnee, drücken ihn leicht zusammen und werfen ihn auf die Erwachsenen. Schon vor dem Aufprall zerstieben die Bälle und erzeugen einen kleinen Schneeschauer. Die Älteren und die Erwachsenen sind da sorgfältiger und formen nachhaltigere Wurfgeschosse, die, mit Gefühl geworfen, mehrmals verwendet werden können. Manches Kind wirft mit dem Sandspaten eine Ladung Schnee auf andere. Tränen gibt es selten und nur, wenn einem Kind Schnee in den Jackenkragen gerät. Dann heißt es „Auszeit“, Jacke auf und schnell die Flöckchen entfernen, bevor sie schmelzen. Ein Emma-Kind bittet um eine Plastiktüte für Schnee und sammelt dann die weiße Pracht hinein. „Willst du den etwa mit nach Hause nehmen?“, fragt die Schreiberin verwundert. – „Na klar!“, ist die Antwort. Die Erwachsene hilft beim Einfüllen und meint dann: „Und den trägst du auch allein heim?“ Das Kind zögert kurz und nickt dann: „Genau!“ Bald darauf sieht man das Emma-Kind, seine schwere Last hinter sich herziehend, durch den Schneekugelhagel zum Tor zu seiner Mutter gehen.
Kinderlos
Es ergibt sich, dass die Schreiberin bei fünf sehr gesprächigen Emma-Jungs am Frühstückstisch sitzt. Es geht um Allergien, Windpocken, Juckreiz und Narben – und plötzlich ums Heiraten. „Der X und ich heiraten“, sagt einer und der angesprochene nickt zustimmend. Einspruch: „Männer können nicht zusammen heiraten.“ – „Doch, das geht!“, widersprechen zwei andere Jungs überzeugt, die Schreiberin nickt ebenfalls bestätigend. „Und zwei Frauen auch!“, ergänzt ein Junge, der gut Bescheid zu wissen scheint. „Die können dann ganz viele Kinder haben“, weiß einer. „Zwei Männer können aber auch Kinder haben“, steuert wieder einer bei. Nun ja, für ein Kind braucht man nach wie vor noch Mann und Frau, gibt die Erwachsene zu bedenken. „Das ist mir egal“, sagt einer der beiden Heiratswilligen, „ich will sowieso keine Kinder haben.“ Auf diese Aussage hin erfolgt von allen Seiten Zustimmung: „Wir auch nicht!“ – „Aber Kinder, wenn alle so denken, dann gibt es ja bald keine Kinder mehr. Dann werde ich ja arbeitslos! Warum wollt ihr denn alle keine Kinder haben?“ Der erste der Kinderverweigerer erklärt sehr überzeugt und deutlich: „Kinder stören immer. Kinder nerven. Da kann man nichts in Ruhe machen. Das ist, wie wenn meine Schwester mich stört, wenn ich in Ruhe spielen will.“ Ah, daher weht der Wind. Reihum nicken alle bestätigend. Das sind ganz schön trost- und kinderlose Aussichten.
Adventsfreitag
Lummerland liegt im Morgendunkel. Nur Kerzenschein deutet darauf hin, dass jemand dort ist. Wer kommt, wird im Flüsterton begrüßt und das „Adventsflüstern“ wird über den Morgenkreis bis zum Ende des Frühstücks beibehalten. Wir singen gedämpft die Advents- und Nikolauslieder, die wir zwei Tage zuvor mit unserem Bezirkskantor Herr Rechner geübt haben, und hören einen weiteren Teil der Weihnachtsgeschichte aus dem Adventskalenderbuch. Zwei durchs Los bestimmte, glückliche Kinder dürfen sich jeweils ein Päckchen von unserem Adventskalenderhimmel pflücken und im Anschluss frühstücken wir bei Kerzenschein und angenehmer Ruhe. Danach geht es im Nieselregen zu zwei Hausbesuchen los. Auf dem Weg schmettern die Kinder aus vollen Kehlen „Lasst uns froh und munter sein“. Endlich dürfen sie wieder nach Herzenslust laut sein. Letzte Station unserer kleinen Tour ist der Kirchgarten, wo wir Buchsbaumschnitt zu Dekorations- und Bastelzwecken einsammeln dürfen. Gern sind wir dann aber wieder zurück im Kindergarten und somit im Warmen und im Trockenen. Das trübe Wetter draußen macht es drinnen so richtig gemütlich. Bei den einen bricht das Bastelfieber aus, andere holen sich ein Tischspiel nach dem anderen aus dem Schrank und spielen mit großer Ausdauer und eine Handvoll Kinder baut sich eine Riesenhöhle. So klingt der Freitag ruhig und friedlich aus.
November 2022
Kanonenkugeln
Die Sonne scheint, wir sind im Garten bei der Ritterburg. Der Kollege und die Schreiberin stehen unweit der Rutschbahn und schauen völlig fasziniert dem Treiben eines Knopf- und eines Knöpfle-Jungen zu. Der eine saust die Rutsche herunter und hockt sich dann, beide Beine auf einer Seite heraushängend, unten im Auslauf wie im Damensattel auf die Metallbahn. Ist er in Position, wartet er geduldig, bis sein Freund oben am anderen Ende der Rutsche bereitsteht und sich auf den Weg nach unten macht. Mit beiden Beinen voraus rutscht der dem unten Dasitzenden seitlich in den verlängerten Rücken. Die beiden Erwachsenen zucken zusammen. Den Hockenden katapultiert es vorn aus der Rutsche heraus. Mit theatralischem Hochwerfen der Hände und ebensolchem Schrei landet er im Sand, der Rutschende – zur Begeisterung beider – noch auf ihm drauf. Beide lachen und wälzen sich im Sand. Dann begibt sich die lebende Kanonenkugel nach oben auf die Rutsche und der andere Junge setzt sich unten in Stellung. So geht es abwechselnd immer weiter und beide haben einen Mordsspaß. Das Hin und Her der beiden Freunde will kein Ende nehmen. Schreiberin und Kollege tauschen fragende Blicke aus – einschreiten oder nicht? Und wenn ja, wann? Als ob die beiden Jungen die Gedanken der Erwachsenen gelesen hätten, rennen beide davon, einer neuen Spielidee hinterher.
Meins und Deins
Das Knopf-Mädchen A und das Knöpfle-Mädchen B sind noch nicht lange bei uns, haben aber jeden Morgen ein Fest, wenn sie sich sehen. Sie umarmen sich, juchzen und drehen sich im Kreis. Wer gerade in der Nähe ist, wird einfach miteinbezogen. Jedoch haben sie keine Liebe füreinander, wenn es um „Meins“ und „Deins“ geht. So ertönt plötzlich im bislang ruhigen Gruppenraum ein sich steigernder Schlagabtausch. „Meins!“ – „Nein, meins!“ – „Meiiiins!!“ – „Nein! Meiiiiiins!!!“ Um was es geht? Um einen Holzbauklotz, obwohl daneben hundert gleiche liegen. Ein andermal geht es um ein Knetwerkzeug, um dieselbe Holzplatte für Steckbilder oder eine bestimmte Materialschale für Perlen. Einmal sollen sie Bauklötze aufräumen, aber B, die jüngere der beiden, wirft sich auf einen Berg Bausteine und ruft: „Meins!“ Solche und ähnliche Situationen machen nicht gerade Hoffnung auf baldige Besserung. Kürzlich wird die Schreiberin aber zufällig Zeugin eines Gesprächs zwischen A und einem Molly-Kind, in dem es um B geht. „Sie ist meine Freundin“, hört sie das Molly-Kind sagen. „Nein, meine!“, ruft A in gewohnter Manier. Das ältere Molly-Kind lässt sich jedoch auf keinen Streit ein, überlegt kurz und hat dann DIE Idee: „Sie ist deine Freundin UND meine Freundin!“ A bedenkt diese neue Option, grinst schließlich und ruft begeistert: „JA!“
Unterirdische Fantasien
Die Schreiberin, die sich gerade gedanklich mit dem Thema „Gartengestaltung“ befasst, beschließt spontan die Basis zu befragen. So wendet sie sich an zwei Emma-Jungs, die im Garten zufällig neben ihr stehen: „Wenn ihr den Garten umändern könntet, was müsste dann weg und was müsste neu hinzukommen?“ Nach kurzem Nachdenken sagen beide einstimmig: „Alles muss weg!“ Einer führt aus: „Dann kommt überall ein neues Klettergerüst hin, auch über die Bäume und Häuser und die ganze Stadt.“ Der andere fügt hinzu: „Und den großen Jungs gehört die Hälfte davon.“ – „Und die andere Hälfte ist dann für die Mädels und die kleineren Kinder?“, fragt die Schreiberin nach. Weit gefehlt! „Nein, die kommen unterirdisch, oben ist nur für die Großen. Die Mädels kommen auch unterirdisch, oben ist es zu gefährlich.“ Wie umsichtig! Da fügt er schon hinzu: „Oben in den Baumgarten kommen nur große Jungs, die ich mag und cool finde.“ Und dann trennen die beiden die Spreu vom Weizen. Am Ende finden vier weitere Jungs Gnade vor ihren Augen. Die zwei Gartenplaner sind zufrieden. Nein, noch nicht ganz. Einer setzt noch eins obendrauf: „Und ich bin der Chef und nur zwei dürfen mit mir ins geheime Versteck. Dazu habe nur ich den Schlüssel!“ Der Schreiberin fällt leider erst nach dem Gespräch ein, wo die beiden wohl sie und das Kollegium unterbringen. Ihr schwant die Antwort: „Unterirdisch, natürlich!“
Schlimm
Während des Frühstücks unterhalten sich drei Jungen. „Magen-Darm ist ganz schlimm!“, ist der Auftakt zu einem Gespräch, das man von Kindergartenkindern nicht erwartet. „Magen-Darm ist das Schlimmste!“, pflichtet ihm einer, wohl aus eigener Erfahrung, bei. „Corona ist noch schlimmer“, bemerkt, seinerseits erfahren, der Dritte. „Aber Krebs ist am schlimmsten“, taucht ein neuer Aspekt auf. „An Krebs kann man tot werden“, weiß einer und fügt, sich auf die Brust klopfend, hinzu: „Krebs ist da drinnen.“ – „Ja, Krebs ist schlimm“, pflichtet sein Freund bei und macht mit einer Hand eine Krebs-Krabbel-Bewegung, „der kann ganz arg wehtun, sogar am Zeh.“ Kurzes Nachdenken. „Du meinst den anderen Krebs. Wir meinen die Krankheit, nicht den, der läuft.“ Zeit für eine neue Anregung: „Meiner Schwester ihre Freundin hat Asthma, das ist auch schlimm. Da hat sie so was mit einem Knopf, das nimmt sie an den Mund und dann kommt Rauch raus, wie bei einer Zigarette, aber das ist keine Zigarette.“ Der Junge kennt sich aus. „Zigaretten sind auch schlimm, davon kann man auch tot werden“, lenkt ein anderer der drei zurück zu morbideren Aspekten. „Meine Mama darf das nicht“, verkündet sein Nebensitzer. „Meine Mama raucht – manchmal“, gesteht der erste. Der andere Junge schüttelt den Kopf: „Oh, das ist aber gar nicht gut!“ Bevor es noch schlimmer wird, ist das Frühstück leider (?) zu Ende.
Oktober 2022
Moscheebesuch
Es ist Donnerstag, Moscheebesuchstag, Draußen-Tag und schönstes Wetter. Gleich nach dem Frühstück gehen wir los in Richtung Ulmer Straße. Während die Emmas zur Moschee weitergehen, bleiben wir mit den anderen beim Spielplatz der Gartenstadt am Ziegelrain hängen. Natürlich will die Schreiberin später im Kindergarten auch diesmal wieder wissen, wie es den Vorschülern in der Moschee gefallen hat und an was sie sich erinnern. Die Kinder erzählen, dass es dort Ketten gibt, die allerdings einen anderen Namen haben, einen riesigen Teppich mit roten Streifen, wo man sich hinkniet und betet, einen Teil für Frauen und einen für Männer, Treppen und oben ein Mikrofon. Dann erzählt ein Emma-Kind: „Da war ein Mann und der hat so komisch gesprochen“, und imitiert den Sprechgesang des Muezzins in einer Fantasiesprache. „Ja, was hat er denn gesagt?“, will die Erwachsene wissen. Ein anderes Kind, dessen Muttersprache Türkisch ist und das somit weiß, was es bedeutet, wenn von Allah die Rede ist, klärt auf: „Er hat von Gott gesprochen.“ Die Ketten stellen sich als Gebetsketten der Frauen heraus, ähnlich dem Rosenkranz, und die Treppen führen auf eine Art Kanzel, von der der Imam zu den Gläubigen spricht. Eine Sache erwähnt jedes der befragten Kinder, nämlich den Lolli, den es zum Abschluss für jedes von ihnen gegeben hat.
Großzügig
Es ist Laternenbastelzeit. Passend zum Thema „Unsere Stadt“, stellen die Kinder Häuserlaternen in verschiedenen Variationen und Schwierigkeitsstufen her. Die Emma-Kinder zeichnen Fenster und Türen selber ein, Mollys, Knopf- und Knöpfle-Kinder schneiden die vorgezeichneten Modelle aus und hinterkleben die Ausschnitte mit farbigem Transparentpapier, wobei unsere jüngsten bunte Transparentpapierschnipsel auf Klebefolie legen, für die ihr selber ausgeschnittenes Hausmodell den Rahmen bildet. Fast alle Laternen sind fertig, lediglich zwei Emma-Kinder müssen noch Fenster und Türen bunt verzieren. Beide machen sich gleich nach dem Ankommen am Morgen an die Arbeit. Später, vor Morgenkreis und Frühstück, als es ans Aufräumen geht, rückt die Schreiberin mit dem Ceranfeldschaber an, um die Tische von getrockneten Klebeflecken zu befreien. Auf zwei Tischen gibt es fast vernachlässigbare Spuren, aber an dem Tisch, an dem die beiden Emma-Kinder zuvor ihre Laternen fertiggestellt haben, hat sie so viel zu tun, dass sie mal wieder halblaut vor sich hinredet: „Meine Güte, so viel Kleb! Unglaublich!“ Eins der beiden Laternen-kleb-Kinder hört sie und sagt, wie selbstverständlich und völlig gelassen: „Das waren der P. und ich. Wir haben unsere Laternen geklebt und waren mit dem Kleb halt etwas großzügig.“
Eindrücklich
Die Emma-Kinder besuchen die katholische Kirche St. Raphael. Nach ihrer Rückkehr berichten sie der Schreiberin. Es beginnt am Eingang beim Weihwasserbecken. „Da taucht man den Finger ins Wasser, dann an die Stirn, den Bauch und links und rechts“, erzählen sie und machen vor, wie es geht. Dann zählen sie auf, was sie alles selber tun durften: auf die kleinen Bänke knien zum Beten, die Glocke vorn an der Wand läuten, später auf den Stufen vor dem Altartisch kniend auch die kleinen Handglocken, die fünf in den Altartisch gemeißelten Kreuze befühlen, die bunten Bilder der großen, schweren, in Leder gebundenen Bibel anschauen und das Buch mit Goldschnitt vorsichtig von Hand zu Hand gehen lassen. Die Kinder beschreiben die zwölf bunten Fenster an den Wänden, das große, runde vorne über dem Altar und auch die hölzerne, Gold verzierte Madonna mit dem Jesuskind. Beeindruckend sind die mitgebrachten Fotos, auf denen man die Kinder sieht, wie sie jeweils eine Kerze nehmen, an einer bereits brennenden entzünden und danach auf einen Dorn auf einem Metalltablett stecken – für jemanden, den sie liebhaben. Mit gesammeltem Ernst und großer Hingabe sind die Kinder dabei. Auch ein Gebet haben sie von Frau Schiebel, der Gemeindereferentin und Kirchenführerin, gelernt und ein Segenslied gesungen. Kirche zum Anfassen und mit eindrücklichen Ritualen.
Kirche, Deien und ein weiter Weg
In der kurzen Woche mit dem Feiertag nimmt am Dienstag unser Jahresthema „Unsere Stadt“ Fahrt auf. Wir gehen geschlossen in die Stephanus-Kirche und schauen uns den Erntedankaltar mit den herrlich bunten Erntegaben an, testen die Obst- und Gemüsekenntnisse der Kinder und singen das eingeübte Erntedanklied. Ein wenig schauen wir uns auch noch in der Kirche um, denn da gibt es einiges zu sehen. Am Donnerstag ermöglichen es uns die Kollegin und ihr Mann, Deien im Backhäusle zu backen. Immerhin rollen die Emmas und Mollys jeder einen Teigkloß aus und streichen danach die Rahmcreme obenauf. Auch darf beim Hineinschieben in den Ofen geholfen werden. Beim Essen sind dann selbstverständlich die Knopf- und Köpfle-Kinder mit von der Partie und an Ort und Stelle. So frisch aus dem Ofen verweigert keiner ein oder zwei Probierstückchen, im Gegenteil, es dürfte gern noch mehr sein. Am Freitag dann machen wir eine Hausbesuchsrunde. Diese führt uns über die Moltkestraße durch die Siedlung bis zur Esslinger Straße, über die Untuchtstraße und den Randweg zum Polstermarkt und über die Bernhäuser Straße wieder zurück ins Lummerland. Eine nette Runde, bei der so manches Kind ins Maulen kommt. Aber das ist ja nur der Anfang, denn wir werden noch manche Besuchstour machen und laufend lernen, dass Echterdingen ganz schön groß ist – vor allem für Kinderbeine.
Nur bei den Kleinen
Mit den Knopf und Knöpfle nehmen wir uns im Jahrgangstreff diesmal die rote Bewegungstonne vor, holen nacheinander verschiedenen Gegenstände heraus und lassen die Kinder ihre Geschicklichkeit ausprobieren: sich auf Teppichfließen durch den Sitzkreis schieben, beidbeinig über am Boden liegende Seile hüpfen, wie Pferdchen über kleine Hürden springen, danach wie ein Storch über höhere Stangen staksen und schließlich mit dem Schwungtuch einen Sturm machen und darunterliegend diesen am eigenen Leib erleben. Es gibt, wie immer, ein oder zwei Verweigerer, aber spätestens beim Schwungtuch packt ein jeder mit an. Es ist schön zu sehen, wie sich die Kleinen schon anstrengen, die Herausforderungen auf ihre Weise annehmen und meistern. Beim Springen ist die Beinkoordination manchmal noch abenteuerlich und unsortiert, aber wenn man sieht, wie konzentriert und bemüht die Kinder sind, dann bleibt nichts anderes übrig, als jedem gebührend Respekt zu zollen. Nach Beendigung der Bewegungsstunde geht es in den Garten. Ein Knopfkind sagt aus heiterem Himmel und einfach so zur Schreiberin: „Du, Frau T., du bist meine beste Freundin.“ Oha! Das läuft runter wie Öl. „Na, dann komm, mein bester Freund, gehen wir raus.“ Und Hand in Hand gehen die Zwei zwar nicht in den Sonnenuntergang, dafür aber hinaus in den Garten. So etwas passiert einem nur bei den Kleinen.
September 2022
Einstieg ins Jahresthema
„Unsere Stadt“ – darum soll es in diesem Kindergartenjahr gehen. Was gibt es hier? Was wissen wir? Das überlegen wir mit den Kindern im Morgenkreis. Es wird eine erstaunlich lange Liste, von Autos über Flughafen und Kirche bis Zeppelinstein. Auch das Krautfest findet (trotz zwei Jahren Ausfall durch Corona) Erwähnung: „Davon hat mir meine Mama erzählt.“ Mit Erntedank vor der Tür und dem Besuch des Erntedankaltars auf der Agenda liegt es nahe, erst einmal den Fokus auf heimisches Obst und Gemüse zu legen, gehören doch Streuobstwiesen und Felder auch zu unserer Stadt. Die Emma-Kinder kaufen regionale Ernte auf dem Wochenmarkt ein und im Stuhlkreis wird alles begutachtet und natürlich zum größten Teil aufgegessen. Kürbis, Kraut, Karotten, Kohlrabi, Mais, Birnen und Äpfel müssen zuvor aber erst einmal ihrem natürlichen Wuchsort zugeordnet werden. Wächst der Kürbis am Baum, der Kohlrabi unter der Erde? Die älteren Kinder kennen sich erfreulicherweise schon richtig gut aus, sodass es bald ans Probieren geht. Fast jedem angebotenen Häppchen wird eine Chance gegeben und manchmal schmeckt es so gut, dass der Vorrat im Handumdrehen weggegessen ist. Wer hätte gedacht, dass roher Kürbis und rohes Kraut so lecker sind? Und die Kürbiskerne kann man auch noch essen!
Ein anderer Wind
Die Verwandlungsfeier ist Geschichte, alle alten Emma-Kinder sind eingeschult, alle späten Ferienrückkehrer sind nachverwandelt worden und der erste, heißersehnte Jahrgangstreffen-Tag findet statt. Während die Kollegen diesmal ihre Jahrgänge in die nächsthöhere Stufe begleiten, geht es für die Schreiberin, die immer nur für die Emma-Kinder zuständig war, diesmal ganz nach unten an den Anfang – zu den Knopf- und Knöpfle-Kindern. Zum Glück hat sie einen in dieser Altersgruppe erfahrenen Kollegen und den FSJler an ihrer Seite, der für das neue Inklusions-Knöpfle zuständig ist. Sich in einem Stuhlkreis mit 13 Zwergen wiederzufinden ist eine völlig neue Erfahrung für die Schreiberin. Während die Kollegen mit den Emma- und Molly-Kindern bereits in die Vollen greifen, werden mit den Kleinen eher kleinere Brötchen gebacken. Ein Ball geht im Kreis herum, das besitzende Kind soll seinen Namen sagen und wenn es weiß auch seine Jahrgangsstufe und seinen Gruppennamen. Kein einfaches Unterfangen, da braucht es viel Geduld und Unterstützung. Danach werden bunte Handabdrücke der Gruppe und ein passendes Foto dazu gemacht, quasi als Aushängeschild für die Knopf- und Knöpfle-Stunde. Die drei Erwachsenen haben alle Hände voll zu tun und die Schreiberin merkt deutlich, dass bei den Jüngsten ein anderer Wind weht.
Frauenpower
In einer unserer beiden Gruppen sind im Wochentakt bereits drei Mädchen eingewöhnt worden. Die vergangenen Jahre war diese Gruppe eine mehrheitliche Jungengruppe gewesen, heuer sind von sechs neuen Kindern fünf Mädchen. Etwas mehr Ruhe und weniger Rangeleien stehen auf der Wunschliste. Nun haben wir aber, und das ist ja im Grunde eine prima Sache, drei sehr selbstbewusste, temperamentvolle junge Damen bekommen. Und am Freitag, als wir wegen des kühl-feuchten Wetters erst später in den Garten gehen, lassen wir die Mädchen mit den Fahrzeugen im Flur herumfahren. Es dauert nicht lange und man hört durch die geschlossene Gruppenraumtür ein fröhliches, aber ohrenbetäubendes Kreischen. Die Mädchen haben, wenn Lautstärke ein Indiz für Vergnügen darstellt, einen riesigen Spaß. Der betreuende Kollege kommt schnell ins Zimmer und schnappt sich seine Ohrstöpsel, bevor er wieder nach draußen in den Flur geht. Tatsächlich, ein Blick durch die Glastür hinaus zeigt, wie – verstärkt durch ein weiteres, bisher eher ruhiges Mädchen aus unserer Gruppe – die geballte Frauenpower auf den Fahrzeugen über den Klinkerboden donnert und sich dabei gegenseitig an Lautstärke und Tonhöhe zu übertreffen versucht. Auch wenn es für den Kollegen da draußen heftig ist, so ist es doch von drinnen richtig vergnüglich anzuschauen. Was gibt es gegen ausgelassene Freude schon einzuwenden?
Übergang
In den ersten drei Wochen der Schulferien war unser Kindergarten geschlossen, so sind wir jetzt also bereits die dritte Woche wieder vor Ort. In diesen Übergangstagen ist vieles anders als sonst: Einige Familien sind noch im Urlaub, die Vorschüler wollen endlich Erstklässler werden und alle anderen Jahrgangsstufen drängen in die Nachfolge der vorhergehenden, denn es sind auch schon die ersten Eingewöhnlinge da, denen der etwas geruhsame Ferienbetrieb ganz entgegenkommt. Mit dem letzten Augusttag kommt dann der Umbruch: Die PIA-Praktikantin wird verabschiedet, die alten Emma-Kinder in die Schule entlassen und die restlichen Kinder in einer feierlichen Zeremonie neu sortiert; es gibt neue Emma-, Molly-, Knopf- und Knöpfle-Kinder und tags darauf den FSJ-ler als Zuwachs fürs Team. Jetzt kann das neue Jahr losgehen. Einige der frischgebackenen Emma-Kinder sitzen bereits über ihren Webrahmen, voll Freude über den neuen Lebensabschnitt und mit dem dafür üblichen Anfangsschwung. Die zwei verbliebenen zukünftigen Erstklässler, die uns bis zum Schulanfang erhalten bleiben, genießen ihre letzten Kindergartentage. Die Kolleginnen, die die neuen Emma-Kinder übernehmen, haben bereits so viel in Planung, dass sie locker zwei Jahre damit füllen könnten. Mit der ersten Schulwoche ist die Übergangszeit schließlich beendet und der Normalbetrieb setzt wieder ein.
Juli 2022
Nachwuchs
Nun reicht es vor den Sommerferien doch noch zu einem Kurzbesuch unserer Emma-Kinder in der Zeppelinschule und kurz vor halb zehn gehen wir die paar Schritte hinüber an den Ort, den die meisten unserer Vorschüler ab September täglich besuchen werden. Zwei Viertklässlerinnen nehmen uns in Empfang, denn in ihrer Klasse werden wir eine Stunde dabei sein dürfen. Zuerst noch etwas beeindruckt von den älteren und deutlich größeren Kindern, setzen sich unsere „Großen“ zu ihnen an die Tische. Doch die Scheu verfliegt, als während des Vespers das „Freunde“-Buch von Helme Heine vorgelesen wird, haben wir das doch erst in der Emma-Stunde gemeinsam angeschaut und darüber gesprochen. Da zeigen die Kindergartenkinder, was in ihnen steckt – und, während die Schreiberin in sich hinein schmunzelt, erklärt die Lehrerin, was das Erste sein wird, das die Schulanfänger lernen werden: zu strecken, wenn man etwas sagen möchte. Nicht, dass wir das im Kindergarten nicht auch üben. Aber wann hat man schon mal die Gelegenheit, vor älteren Kindern zu glänzen? Im Anschluss wird gemalt, und in Gruppen durchs Schulhaus und sämtliche Pausenhöfe gewandert, um verschiedene Aufgaben zu lösen. Da kommt Bewegung in alle. Wir sehen nicht nur fast alle Räume und Ecken, sondern treffen auch noch einige ehemalige Lummerländer. Von ihnen wird es auf der Zeppelinschule bald noch mehr geben.
Kreislauf
In diesen Tagen, an denen die Vorschüler ihre letzten Schultüten basteln, die Webrahmen fertigstellen, ihre Sammelmappen die Frontdekoration erhalten und wir zwei seltene siebte Geburtstage feiern, besucht uns am einen oder anderen Vormittag eins der Kinder, die im neuen Kindergartenjahr zu uns kommen werden. Im Gegensatz zu unseren Vorschülern, die manchmal nicht mehr wissen, was sie tun sollen, ist für die Schnupperkinder alles interessant und erkundenswert. Sie nehmen alles in sich auf – Morgenkreis, gemeinsames Frühstück, Freispiel – orientieren sich dabei an den anderen Kindern oder machen ihr Ding. Manche sind einfach nur zufrieden und glücklich, dass sie unter anderen Kindern sind und es ein so vielfältiges Angebot an Spielsachen und verschiedenen Räumen gibt. Und dass sich das alles dann auch noch im Garten draußen fortsetzt – besser kann es ja kaum sein! Das letzte Besuchskind möchte am Ende gar nicht nach Hause gehen, so gut hat ihm alles gefallen. Aber es quengelt nicht nur deshalb, da sind ja noch die vielen neuen Eindrücke, die es verarbeiten muss und die ermüden. Mit freundlichem Zureden und einem kleinen Ablenkmanöver können Mutter und Kind doch noch vergnügt gemeinsam nach Hause gehen. Wenn unsere Großen sich Ende August verabschieden, werden bereits unsere ersten Kleinen eingewöhnt. So schließt sich der Kreis.
Vergnügen
Es ist mal wieder eine dieser Wochen, wo die Schreiberin Termine hat, die meiste Zeit im Büro verbringt und eine Aufgabe nach der anderen abarbeitet. Was die Kinder und die Kollegen derweil gemeinsam Vergnügliches erlebt haben, das kann sie beim Betrachten der im Lauf der Woche gemachten Fotos sehen. Da ist zum Beispiel der Besuch bei der Feuerwehr, wo die Kinder sich um das Löschfahrzeug drängen und sich alles erklären lassen; wo sie auf den Löschzugsitzen Platz nehmen und sich wie Feuerwehrnachwuchs fühlen; wo sie, natürlich mit Unterstützung durch den Profi, mit dem Wasserstrahl des Löschschlauchs die Bäume gießen und offensichtlich viel Spaß dabei haben. Oder die Fotos vom Emma-Nachmittag, wo unsere Vorschüler unter Begleitung des Mesners vom Kirchturm aus die Stadt von oben betrachten; wo sie sich danach im Kindergarten bei Dosenwerfen, Ballspielen und Pizzaessen begeistern, bevor sie in Richtung Eisdiele ziehen und sich einen süßen Nachtisch gönnen. Diesmal haben die Kollegen das Vergnügen und die sehen auf den Bildern auch ziemlich entspannt aus. Das letzte Foto zeigt dann noch ein glückliches Kind mit seiner selbstgebastelten Schultüte im Arm; der Beweis dafür, dass die Schreiberin wenigstens einmal eine kleine Auszeit genommen hat, um gemeinsam mit einem Kind seinen Tütentraum zu verwirklichen.
Pfützenspaß
Gerade als wir in den Garten wollen, hört es zu regnen auf. So gehört es sich! Also, nichts wie raus. „Brauchen wir Gummistiefel?“- „Matschhosen?“ Ja, es empfiehlt sich beides. Wohl dem, der gut ausgestattet ist, draußen wartet nämlich die größte Pfütze aller Zeiten, gut drei auf sechs Meter bei etwa sieben Zentimetern Tiefe. Mit Schäufelchen und Eimern fallen die Kinder über den kleinen Teich her und schleppen das gräuliche Nass Richtung Sandkasten, wo mit Sand und Erde fleißig Matschepampe angerührt wird, karren es in ihren Lastwagen durch die Gegend und laden es in Erdlöchern ab, die sie unter dem Nussbaum gegraben haben, oder vergießen es im Garten. Es macht Spaß, die Kinder bei diesem Vergnügen zu beobachten. Es bleibt auch nicht aus, dass erst ein, dann weitere Kinder beginnen in der Pfütze zu hüpfen, dass es nach allen Seiten spritzt. Außer uns Erwachsenen scheint es aber niemanden zu stören und bald hören die Frösche auch wieder auf. Ein Emma-Kind bittet um eine Tüte, weil es ein Loch im Gummistiefel hat. Mit der Tütensocke in den Gummilatschen geht es zurück in die inzwischen deutlich geschrumpfte Lache. Klar, dass ein paar Kinder am Ende trockene Socken und Hosen brauchen und ziemlich viele Dreckhände und vermatschtes Sandelzeug abgespritzt werden muss. Aber das ist das Riesenpfützen-Vergnügen eindeutig wert.
Juni 2022
Ich und die Anderen
Nach einer gefühlten Ewigkeit Corona-Zwangspause findet am Freitagnachmittag unser Sommerfest statt. Gern hätten wir es uns im großen Garten gemütlich gemacht, aber dunkle Wolken und die Wetter-App verheißen nichts Gutes und wir suchen, so Plan B, den Schutz des Gemeindehauses auf. Das erweist sich als gute Entscheidung, denn als die Familien eintreffen, grummelt das Gewitter und der Regen setzt ein. Während wir die drei eingeübten Lieder zu unserem Thema „Ich und die Anderen“ singen, prasselt es draußen. Blitz, Donner und Platzregen vor den Fenstern begleiten die Familien danach beim Durchlaufen der vier Stationen, die ebenfalls mit dem besagten Thema zu tun haben: Wutbälle herstellen, Gefühlsgesichter aus Salzteig und verschiedenen Naturmaterialien basteln, sich beim Twister Arme und Beine verknoten oder mit dem Schwungtuch „ins Schwimmbad gehen“ und sich dort beim Tauchen vergnügen. Bis jeder einmal überall gewesen ist, hat sich das Gewitter verzogen und der Hunger langsam eingestellt. Da jeder irgendetwas zu essen oder trinken mitgebracht hat, ist das Büfett gut bestückt. Während die Kinder für ein kleines Vanilleeis in der Waffel anstehen, umlagern die Eltern Schüsseln und Platten, die Nahrhafteres bieten. Und doch ist das Essen Nebensache, denn das Beisammensein, das miteinander Reden und Lachen ist das, was allen am meisten gefehlt hat.
Parcourskreis
Heute nehmen wir im Stuhlkreis die ermutigende Anregung aus unserer Bewegungsschulung auf („Geben sie den Kindern einfach ein paar Sachen aus der Tonne, denen fällt immer etwas ein, was sie damit machen können.“) und die Kollegin verteilt vier große, bunte Plastikhütchen mit Löchern, vier Plastikstäbe und mehrere Teppichfliesen mitten im Kreis. Tatsächlich finden die Kinder gleich Ideen für einen kleinen Parcours: erst steigen oder hüpfen, danach rückwärts- oder vorwärtsgehen und am Ende irgendwie unter einer Stange durch. Das Besondere dabei ist allerdings, dass die Kinder nicht in einer Schlange anstehen, sondern erst ein Kind die Strecke auf seine Weise zurücklegt, sich wieder auf seinen Stuhl im Kreis setzt, danach das nächste Kind drankommt und immer so weiter, bis alle an der Reihe waren. Jedes Kind wird gespannt begleitet, genau beobachtet und in seiner Parcoursvariante akzeptiert, ja sogar beklatscht und angespornt. Wir Erwachsenen sehen uns immer wieder mit großen Augen ungläubig an. Wie kann das nur sein? Sogar eine zweite Runde mit veränderten Hindernissen geht noch! Ob es an der Eigeninitiative der Kinder liegt oder daran, dass jedes in der ersten Reihe sitzt und beste Sicht auf das Geschehen hat, es ist jedenfalls nicht übertrieben zu sagen, dass wir selten so einen konzentrierten, ruhigen, aufmerksamen und wohlwollenden Stuhlkreis haben, wie an diesem Tag.
Beschwingt
Durch eine Teamschulung zur Bewegung sind wir in den Besitz einer großen roten Tonne voller Sport- und Bewegungsmaterialien gekommen und wollen das Erlernte natürlich gleich mit den Kindern ausprobieren. Im Stuhlkreis werfen wir den Schaumstoff-Farbwürfel, wobei jeder Farbe eine Bewegung zugeordnet wird, die dann ausgeführt werden muss. Da zeigt sich schnell, wer ein gutes Gedächtnis hat. Ein Staffellauf, bei dem bunte Schaumgummistäbe transportiert werden müssen, und ein kleiner Parcours im Flur folgen. Dann wagen wir uns an den Einsatz des großen bunten Schwungtuchs. Es passen geradeso alle Kinder- und Erwachsenenhände außen an den Saum zum Festhalten. Eigentlich wollen wir erst kleine Wellen, dann mittelgroße und danach große machen, aber natürlich haben die Kinder eigene Vorstellungen: Sie wedeln mit dem Tuch, dass Frau Holle ihre wahre Freude daran gehabt hätte. So war es nicht gedacht. Bis man alle wieder zur Ruhe gebracht hat, das dauert. Und sobald ein Kind auch nur eine „falsche“ Bewegung macht, finden sich gleich drei, vier andere, die begeistert mitmachen. Wie es am Ende gelingt, einen Ball rundherum im Kreis rollen zu lassen, lässt sich hinterher nicht mehr wirklich sagen. Vielleicht ist es ja der Ehrgeiz der Erwachsenen, der die Kinder anspornt, zumindest die älteren. Die kleinen schauen nämlich nur knapp über den Tuchrand.
Mehr als gedacht
Am Freitag befragt die Schreiberin die Kinder im Garten, was denn diese Woche Besonderes los war, um darüber zu berichten. Das Ergebnis ihrer Umfrage ist allerdings erst einmal ziemlich ernüchternd, denn ein paar Kinder laufen gleich wieder weg, weil sie mit Spielen beschäftigt sind, und ein weiterer Teil hat genauso wenig einen Plan wie die Schreiberin: „Nichts.“ – „Weiß nicht.“ – „?“ Wieder welche haben zwar einiges zu sagen, allerdings sehr Unverständliches oder wenig Sinnvolles. Ganzen drei Kindern fällt auf Anhieb etwas ein: „Schreib übers Fußballspielen oder über meine Schultüte. Oder schreib darüber, dass wir diese Woche im Kindi gekämpft haben und ich mit meiner Bande gewonnen habe!“ Ja, richtig, die erste Schultüte ist fertig geworden, aber die Kämpferei ist neu für die Schreiberin, da war sie wohl im Büro. „Wir haben mit Frau K. ein Piratenschiff aus Karton gebaut und Seifenblasen gemacht.“ Stimmt, schon fast vergessen, obwohl der Fleck mit dem braunen Gras auf der Wiese noch vom Seifenwasser zeugt. „Die Emmas haben ihren Ausflug gemacht.“ Genau, der Ausflug zum Killesberg mit Streichelzoo und Spielplatz! Und, das fällt der Schreiberin jetzt ein, in den Jahrgangstreffen haben die Knopf- und Knöpflekinder Gefühle getrommelt und die Mollys und Emmas sich mit Angst und Mut auseinandergesetzt. Sieh einer an, es war doch mehr los als gedacht.
Mai 2022
Waldtag(e)
Am letzten unserer Waldtage schlagen wir uns gleich nach dem Frühstück seitwärts, querwaldein in die Vegetation; Laub und totes Geäst zu Füßen, geht es im Slalom zwischen Moos und Babybäumen hindurch. Mit Vertrauen auf ihren Orientierungssinn und einem Knöpfle an der Hand schreitet die Schreiberin gemütlich voraus, während der Tross der Kinder und Kollegen folgt. Je weiter wir vordringen, desto mehr Hindernisse stellen sich in den Weg: hier ein undurchdringliches Brombeergestrüpp, dort mehrere umgestürzte Bäume und da ein wenig attraktives Sumpfgebiet. Also geht es durch einen Wald hoher Farnwedel, der nicht nur das Knöpfle nebenan weit überragt. Das jedoch hat riesigen Spaß an dem ungewohnten Umfeld und lacht fröhlich vor sich hin, selbst als es gelegentlich über einen Ast stolpert. Weiter hinten hört man ein anderes Knöpfle begeistert sagen: „Das ist ein richtiges Abenteuer!“ Wir finden tief drin auf einer kleinen Lichtung ein Waldtipi, beobachten an einem Teich Kaulquappen und Libellen, kämpfen uns bergan über einen Schlammpfad, überklettern manchen umgestürzten Baum und freuen uns, als wir am Ende des Weges die Sonne hinter dem Waldrand leuchten sehen. Der Spielplatz am Waldheim wird keines Blickes gewürdigt, denn alle sind hungrig und wollen zurück zur Waldwiese, wo wir zum Abschluss noch grillen.
Kurzlebig
Wir basteln mal wieder Schultüten und ein Emma-Mädchen ist besonders schnell mit dem Ausschneiden und Zusammenkleben seines Hauptmotivs fertig: eine blonde Prinzessin. Am nächsten Morgen soll die papierene Adlige weiterbearbeitet werden, denn sie hat noch kein Gesicht. Leider wird sie nie mehr eins bekommen, denn ein anderes Kind hat plötzlich die Eingebung, ihr den Kopf abzuscheiden und sie auch sonst mit der Schere zu bearbeiten. Während die Schreiberin zu ergründen versucht, was die Ursache für diese plötzliche Zerstörung ist, kommt schon das Emma-Mädchen dazu. „Ich weiß schon Bescheid,“ meint es, „aber das macht mir nichts aus.“ – „Wie, du bist nicht wütend oder sauer?“ – „Nein.“ – „Aber doch sicher traurig?“ – „Ja“, sagt das Kind mit ernstem Gesicht, fügt aber gleich hinzu: „Dann mach ich halt was anderes.“ Man merkt, dass ihm dieser Gedanke gefällt, eröffnet er doch neue Perspektiven. Bald darauf beugt es sich über die Modellauswahl an Schultüten und deutet nach kurzem Überlegen begeistert auf eine Meerjungfrau: „Die will ich.“ Und während die schwarzhaarige Fischfrau in Arbeit ist, beendet ihre gesichtslose Vorgängerin unbemerkt und unzeremoniell ihr kurzes Prinzessinnenleben im Papiermüll.
Dilemma
Bald gibt es Mittagessen und die Gartenspielzeit neigt sich dem Ende zu. Die Schreiberin schubst gerade ein Knopfkind an, das nach langem Anstehen endlich einen der beiden Schaukelsitze ergattert hat. Die andere Schaukel teilen sich zwei ältere Jungs, die gemütlich, Rücken an Rücken und quer zur Schaukelrichtung, schon eine ganze Weile hin- und herpendeln. Gleich darauf ertönt der Ruf des Kollegen: „Alle Kinder aufräumen!“ Wie ärgerlich, denkt die Erwachsene, das arme Knopfkind hat so lange aufs Schaukeln warten müssen, da soll es doch noch ruhig ein Weilchen sitzen bleiben dürfen. Da hört sie, wie einer der beiden Jungs zum anderen sagt: „Du, die meinen auch uns.“ Kurz darauf wirft der andere mit einem Blick auf das Knopfkind neben ihnen zu Recht ein: „Aber die schaukeln doch auch noch.“ Nach einer Denkpause sagt der erste: „Ja, stimmt, aber trotzdem meinen die auch uns.“ Die Schreiberin ist gespannt, wie die beiden Buben mit der Zwickmühle umgehen. Werden sie aufräumen gehen oder sich bequem an der Erwachsenen orientieren? Lange, sehr lange scheinen sie darüber nachzudenken, während die anderen Kinder aufräumen. Erst als die Schreiberin das Knopfkind von der Schaukel hebt, löst sich das Dilemma der beiden Jungen von allein.
Endlich!
Da im Garten eine Veranstaltung stattfinden soll, haben wir extra einen Draußen-Tag außer Haus eingeplant. Nach einem ausgedehnten Frühstück laufen wir bei Sonnenschein und angenehmen Temperaturen Richtung Spielplatz Adolf-Murthum-Straße. Die Kinder freuen sich, die Praktikantin ist gespannt, denn sie war noch nie dort. Kurz vor dem Ziel hören wir lautes Kindergeschrei. Ganz klar, unser später Aufbruch rächt sich, eine andere Kindergartengruppe war schneller. Da bleibt uns nichts anderes übrig, als vorbeizulaufen und als nächstes Ziel einen kleinen Spielplatz, irgendwo zwischen den Häusern Richtung Goldwiesenschule anzusteuern. Peinlicherweise findet leider die sonst so ortskundige Schreiberin auf die Schnelle den kleinen Spielplatz nicht mehr und auf dem Schulhof darf man während des Schulbetriebs auch nicht spielen. Also, weiter geht’s Richtung Zuckerschlecken, dann dürfen die Kinder eben dort über das Trampolin hüpfen. Unglücklicherweise hat sich dort bereits eine Gruppe Mütter mit Kindern häuslich niedergelassen. Es soll wohl nicht sein. Zurück im Kindi stellen wir überrascht aber erleichtert fest, dass die Veranstaltung im Garten längst abgesagt wurde, nur wir wussten es nicht, und dass unsere Kinder wie sonst auch rausgehen können. Da wird der Vormittag doch noch richtig gut: endlich spielen!
Rot vor Wut
In der letzten Woche kann man während der Jahrgangstreffen durch die Tür von Gruppenraum und Nebenzimmer ungewöhnliche Laute hören: Schreie, Gebrüll, Knurren, Fauchen, sogar Schläge sind zu vernehmen. Keine Sorge, den Kindern ist nichts passiert – den Erwachsenen übrigens auch nicht. Wir thematisieren das Gefühl der Wut. Fast jeder kann dazu aus eigener Erfahrung etwas beisteuern. Die Mollys setzen die Wut bildnerisch um und jetzt zieren Zeichnungen von hochroten Köpfen mit funkelnden Augen, krauser Stirn und verzerrtem Schreimund unsere Garderobe. Die Emma-Kinder stellen Wut mit Mimik, Körpereinsatz und Stimme dar. Später in der Woche tragen wir im gemeinsamen Stuhlkreis zusammen, woran wir uns aus den Jahrgangstreffs noch erinnern. Reihum darf dann jeder einmal seine Wut an einem unserer Sitzsäcke rauslassen: draufhauen, Knie voraus hineinspringen, kicken – die Energie muss raus. „Was ist wohl das Gegenteil von Wut?“, überlegen wir im Anschluss. „Friedlichkeit“, „Freundlichkeit“, „Glücklichsein“ werden genannt. Im Wechsel schneiden wir eine wütende Fratze und zaubern danach ein entspanntes Lächeln auf unser Gesicht. Das Ganze begleiten wir mit den entsprechenden Gebärden. So kann man auch sehr gut ohne böse Worte, Schreie oder rotes Gesicht den anderen mitteilen, wie man sich gerade fühlt.
April 2022
Gespenstischer Bauboom
Ein Emma- und ein Molly-Mädchen malen und kleben fleißig Geister, Skelette, Hexen und Vampire, um den Kollegen zu erschrecken. Als sie ihm damit am nächsten Tag auflauern, gruselt er sich prächtig, sehr zur Freude der Kinder. Damit beginnt ein noch andauerndes Großprojekt der beiden Bastlerinnen. Im Lauf der nächsten Tage entstehen unter ihrer Federführung weitere Geisterwesen, sowie ein herrliches Gruselschloss mit Türmchen und Falltür. Nach unserem Ausflug ins Kikimondo sollen auch die Unwesen einen Spaßpalast bekommen. Mit Karton, Schere, Kleb und Papier bauen die Kinder einen mehrstöckigen Vergnügungspark mit Rutsche und Schnipselbad. Die Gespenster vermehren sich, denn auch andere Kinder hat die kreative Welle mitgerissen. Als dann ein Geist beim Ausschneiden verletzt wird, beschließen die beiden Bauleiterinnen, dass ein Krankenhaus hermuss. Der nächste Bauabschnitt beginnt: Gespensterarzt und -krankenschwester, Untersuchungsraum mit Vorhang für Privatsphäre, Kinderstation, Empfangsdame, Pflaster, Gipsbeine, Röntgenkabine, sogar ein Krankenwagen. Ein Knopf-Kind produziert in Serie Kopfkissen und Decken für die Krankenbetten. Weil wir den Basteltisch aber auch zum Mittagessen brauchen, zwacken wir im Nebenraum eine Ecke ab und die Kinder erklären sie kurzerhand zum Gruselparadies. Was kommt wohl als Nächstes dazu?
Osterspaziergang
Am Mittwoch vor Ostern, während der Gartenzeit, zieht die Schreiberin mit zwei Molly-Kindern los, um die Zusagen für die neuen Septemberkinder auszutragen. Im Rucksack sind die vier Briefe, vier Tütchen mit selbstgebackenen Osterkeksen für die Neuzugänge und auch das Osternest für eins unserer Kinder, das leider krank ist. Nach einer vergnüglichen Wanderung biegen wir in eine ruhige Seitenstraße im Echterdinger Norden ein. Da erspäht eins der Kinder eine Flohmarktkiste und beide stürzen sich sogleich darauf. Sie haben ihren Spaß. Zahlreiche Holztulpen, ein Wachshäschen und ein kleiner Nikolaus wandern in den Rucksack. „Das können wir brauchen“, sind sie sich einig. Dann aber ist endlich die Post dran. Ein Kind übergibt den Brief, das andere die Kekse und die Freude ist groß. Was gibt es Schöneres, als an einem warmen, sonnigen Frühlingstag beschwingt und plaudernd unterwegs zu sein und Gutes zu tun: ein krankes Kind mit einem Osternest zu überraschen und erfreuliche Keksnachrichten zu überbringen? Nun, den Kindern begegnet noch etwas Besseres: eine weitere „Zum Mitnehmen“-Kiste. Diesmal sind Kinderbücher im Angebot. Da hockt sich sogar die Schreiberin hin und kruschtelt mit. Zufrieden mit der reichen Ausbeute und am Ende unserer Runde angelangt, marschieren wir schließlich zurück zum Kindergarten. Ob der Osterhase auch Flohmarktkisten im Sortiment hat?
Zwiebeliges
In der Zeit bis Ostern erzählen wir den Kindern aus dem Leben Jesu. Am Donnerstag ist im Morgenkreis der Einzug Jesu in Jerusalem an der Reihe. Die Kollegin fragt die Kinder, welche Jesus-Geschichten wir bisher gemeinsam gehört haben. Kollektives Schweigen. „Wir haben doch viel gebastelt und gemalt, erinnert ihr euch?“ Offensichtlich immer noch nicht. Da holt die Erwachsene das gemeinsam gestaltete Bild vom Fischzug des Petrus, für das die Molly-Kinder Jünger und Fische gemalt, ausgeschnitten und auf ein Bild geklebt haben: ein Segelboot, ein pralles Fischernetz auf dem Meer und viele Menschen und Palmen am Ufer. „Ah, ja, mit dem Zwiebelsack“, ruft ein Emma-Kind. Das aus einem Zwiebelnetz gestaltete Fischernetz muss es beeindruckt haben. „Ich liebe Zwiebeln“, ruft ein anderes Emma-Kind. Schnell zurück zur Geschichte! Die Jünger werden in ein Dorf geschickt, um für Jesus einen Esel zu holen. Die Kollegin: „Was denkt ihr, was die Jünger für Jesus aus dem Dorf mitgebracht haben?“ – „Zwiebeln“, lautet prompt die Antwort des zwiebelliebenden Emma-Kindes. Der Weg nach Jerusalem wird für die Erzählerin kein einfacher Ritt, doch zwei, drei Kinder begleiten sie getreu und aufmerksam, so wie die Jünger Jesus begleitet haben. Beim Einzug in die Stadt schwenken wir imaginäre Palmwedel und rufen „Hosianna“. Da sind dann alle wieder dabei; Bewegung und Schreien geht immer.
März 2022
Erzählenswert
Eine Woche Urlaub, eine Woche weg vom Kindergarten – worüber soll die Schreiberin da schreiben? Sie hofft auf den ersten Arbeitstag, den Montag. Wenn da etwas Erzählenswertes passiert und sie schnell schreibt, dann reicht es vielleicht doch noch zu einem kleinen Text. Der Anfang ist nicht vielversprechend: viel Arbeit ist liegengeblieben und hat sich neu angesammelt und Kollegen fallen wegen Krankheit aus. Aber als die Kinder kommen, tritt das alles in den Hintergrund. Wir spielen, lesen vor, machen Morgenkreis, frühstücken zusammen und spielen wieder. Die einen gehen turnen, die anderen hören eine biblische Geschichte und der Rest spielt noch etwas weiter. Endlich ist Gartenzeit, die Sonne scheint und es ist noch kalt. Schneemützen hängen auf den Büschen, weiche Schneedecken liegen auf Bank und Ritterburg. Klar, dass die letzten Reste der weißen Pracht ratzfatz in Eimer wandern oder zu Bällen geformt werden. So beginnt das größte Vergnügen des Tages: eine allgemeine, lustige Schneeballschlacht. Die Wurfgeschosse bleiben klein und weich geformt und richten keinen Schaden an, sie machen nur etwas nass. Kollegen und Schreiberin sind mittendrin und vor allem die Jüngsten haben einen Riesenspaß daran, die Großen abzuschießen. Am Ende ist es dann doch noch ein schöner, ausgelassener, fröhlicher, erzählenswerter Kindergartentag.
Dreimal hoch!
Im Morgenkreis feiern wir gemeinsam den dritten Geburtstag eines Knöpfle-Kindes. Es hat zwar schon mehrere Geburtstage im Kindergarten miterlebt, aber selber im Mittelpunkt zu stehen ist ihm nicht ganz geheuer. Die Kollegin muss es auf den Schoß nehmen und zu zweit sitzen sie dann auf dem Geburtstagsstuhl. Die Erwachsene muss auch einige seiner wichtigen Geburtstagsarituals übernehmen, wie das Schlagen der Triangel beim Anzünden der Kerzen und das Halten der funkensprühenden Wunderkerze. Der misstrauische Blick des Kindes folgt ihr dabei unablässig. Beim Aussuchen des Geschenkes kommt immerhin kurz ein Anflug von Freude auf, das gelingt dem Knöpfle gut. Die Spieluhr mit „Happy Birthday“ dreht es auch selber, allerdings ohne dabei eine Miene zu verziehen. Als es ans Hochleben lassen geht, rechnen wir schon mit dem Schlimmsten, denn dazu muss es vom Schoß und allein auf dem Stuhl sitzen. So ganz wohl ist ihm dabei nicht, aber viel Zeit zum Überlegen bleibt nicht, denn zu lautem Gesang wird es schon in die Höhe gehoben. Und siehe da, in dem kleinen Gesicht geht die Sonne auf: Es strahlt bis über beide Ohren und man wünscht dem kleinen Sonnenschein, er wäre älter, damit die Freude noch etwas länger dauert.
Chefsache
Immer wieder ist es ein (kleines) Thema für die Kinder, wer denn das Sagen hat, sei es nun in der Höhlenecke, der Puppenecke, beim Rollenspiel, auf der Sandbaustelle im Garten – oder eben überhaupt im Kindergarten. Letzteres machen sie wohl daran fest, wer die meiste Zeit im Büro verbringt. „Gell, du bist hier die Chefin“, heißt es dann zur Schreiberin. Die würde am liebsten übers gleichberechtigte Arbeiten referieren, verweist aber darauf, dass sie selber auch einen Chef/eine Chefin hat. Neulich, wir sitzen am Frühstück, die Schreiberin hat ein Kapitel von „Hörbe mit dem großen Hut“ vorgelesen und kaut nun ihr Müsli, kommt ein Kind zu ihr und sagt: „Ich muss Kacka machen, kannst du putzen kommen?“ – „Na, klar. Lass die Tür hier offen und wenn du fertig bist, dann ruf mich und ich komme.“ So machen wir das nämlich immer. Ein paar Müslilöffel später hört man das Kind vom Klo her aus voller Kehle brüllen: „Frau T! Frau T!“ Die Gerufene legt den Löffel hin und will gerade aufstehen, als der Kollege ihr zuvorkommt. Er ist bereits mit seinem Frühstück fertig und meint: „Bleib und iss weiter, ich mach das.“ Er verlässt den Gruppenraum in Richtung Bad. Das der Schreiberin gegenübersitzende Kind kommentiert diesen Vorfall prompt und ziemlich süffisant mit den folgenden Worten: „Ja, die Chefin soll sich ja nicht die Hände schmutzig machen.“
Rate mal
Beim Frühstück lässt das neben der Schreiberin sitzende Kind plötzlich sein Essen stehen und sagt mit verstellter Stimme zu ihr: „Ich will zur Mama, ich will zur Mama!“ und fragt dann: „Wer ist das?“ – Ah, Kinder erraten! Nun, das ist einfach und wird sofort richtig beantwortet: Es ist das Geschwisterkind. „Ja, genau!“ Nächster Versuch. „Ich war das nicht.“ Hm, schon schwieriger und prompt fällt der falsche Name. „Nein, das war X. Und er lächelt immer dabei“, folgt die Erklärung. „Und was heißt das?“ – „Na, dass er es war. Aber heute Morgen, in der Höhlenecke, als Y geweint hat, da hat er nicht gelacht.“ – „Das heißt, er war es nicht?“ – „Ja, er war es nicht. Vielleicht ist Y ja hingefallen …“ Klingt einleuchtend. Dann die nächste Raterunde. „Ich spiel nicht mehr mit. – Das ist Z, die sagt das immer, wenn jemand sie ärgert.“ Danke für die Erklärung, das war schwierig. Die beiden Nächsten aber sind wieder einfach: „Guck-guck, dada“ und „Ich, Mama, Papa, Pipi“. Hier punktet die Erwachsene. Das Kind freut sich sehr über sein eben entdecktes Talent und bringt anschließend Beispiele aus der eigenen Familie. Das ist ziemlich witzig, aber während die Schreiberin sich noch amüsiert, schwant ihr etwas: Ob und wie das Kind daheim wohl sie und die Kollegen imitiert?
Vom Fasten und Verzichten
Der Morgenkreis am Aschermittwoch bietet sich an, mit den Kindern über Fasten allgemein und die Fastenzeit bis Ostern zu sprechen. Die Kollegin erzählt, dass sie selber ohne Süßigkeiten auskommen möchte. Ihre Tochter will dies – in kindlicher Weitsicht – wenigstens mal für einen Tag ausprobieren. Wie sieht es mit unseren Kindern im Morgenkreis aus? Worauf könnten sie sich denn vorstellen, zu verzichten? Ein Emma-Kind ruft ohne zu zögern, bestimmt und mit ziemlich entschlossener Miene: „Ich verzichte auf Zucchini!“ – „Magst du Zucchini?“, fragt die Kollegin nach. Das Kind schüttelt sich angewidert: „Igittigittigitt!“ – „Dann verzichte ich auf Kohlrabi!“, springt ein anderes Emma-Kind sogleich auf den Zug auf. Die Kollegin versucht, die Kinder zu bremsen: „Ich glaube, ihr versteht da etwas nicht so richtig.“ Ein jüngeres, sonst eher stilles Molly-Kind meldet sich und meint ernst und mit klarer Stimme: „Ich verzichte auf den Kindergarten.“ Da horchen alle auf. Die Verantwortliche für den Morgenkreis will es genau wissen: „Aber du gehst doch gern in den Kindergarten, oder?“ Wie aus der Pistole geschossen kommt die Antwort, wieder klar und mit Überzeugung: „Ja!“ – „Dann hast du das mit dem Verzichten wirklich richtig verstanden“, bescheinigt ihr die Erwachsene, nicht ohne Rührung.
Februar 2022
Großes Ausmalbild
Am Faschingsfreitag kommen die Kinder bunt verkleidet in den Kindergarten. Genauso bunt geht es nach dem Frühstück weiter. Wer will, darf sich in Faschingsmontur auf ein großes Stück Papier legen, der Umriss wird aufgezeichnet und das Kind darf ihn dann originalgetreu anmalen; zumindest ist so der Gedanke. Halb kniend, halb liegend sieht man bald darauf mehrere Kinder auf dem Boden über ihre Silhouette gebeugt, fleißig am Ausmalen. Die einen beginnen dabei mit dem Gesicht, die anderen an den Füßen. Interessant ist auch, mit welcher Ausdauer und Genauigkeit gearbeitet wird. Da gibt es den zwar farblich korrekten Supermann, allerdings ist die Farbe in großzügigen Kreisen aufs Papier verteilt und das Gesicht, weil in Gelb, kaum zu erkennen. Bei der Prinzessin sieht man ein detailliertes Gesicht fröhlich aus einer rosa Wolke herausschauen. Dem roten Ninja schmerzt nach einem zur Hälfte kräftig ausgemalten Hosenbein bereits die Hand und er beschließt, seine gesichtslose Silhouette bei einer anderen Gelegenheit fertigzustellen. Da ist er nicht allein, denn auch ein Spiderman und ein Batman geben auf halber Strecke auf und verschieben das Fertigmalen auf einen anderen Tag; schöne Superhelden! Einzig der Pirat gibt sich ganz seinem Werk hin und malt sich von Kopf bis Fuß ganz in Gold; er ist somit sein eigener Schatz und es sieht zudem noch richtig goldig aus.
Mal wieder Draußen-Tag
Als wir am Donnerstag über die Felder Richtung Flughafen laufen, versucht der heftige Westwind uns aus der Spur zu bringen. Gut, dass wir uns an den Händen halten. Auf den Laufbändern zwischen den Parkhäusern haben alle ihr erstes Fahrvergnügen. Kurz darauf laufen wir durch die fast menschenleeren Abfertigungshallen, doch trotzdem gibt es überall etwas zu sehen und zu entdecken. Die riesigen Hallen mit den deckenhohen Metallbäumen wirken schon sehr beeindruckend. Mit Aufzug, Rolltreppe und Treppe begeben wir uns zum Ausgang auf die Zuschauerterrasse – und müssen dort leider lesen, dass Corona wieder mal Spielverderber und deshalb geschlossen ist. Na, dann eben nicht. Zum Glück ist gleich daneben das „Kinderparadies“, sprich eine Anhäufung von etwa zehn bunten Münzfahrzeugen, die wie der Wind von den Kindern besetzt und bespielt werden. „Wir brauchen Geld!“, tönt es aus allen Ecken. Ha, Geld! Dass es auch ohne geht und man trotzdem Spaß haben kann, merken die Kinder, als ihre Rufe ungehört verhallen. Das Geld benötigen die Erwachsenen nämlich später für die Rückfahrt mit der S-Bahn. Die Fahrt geht zwar nur eine Station weit, aber trotzdem erleichtertes Aufatmen, als nach dem Aussteigen wieder so viele von uns auf dem Bahnsteig stehen, wie eingestiegen sind. Zurück im Kindergarten will nur noch eine Handvoll Kinder im Garten bleiben, die anderen haben genug vom Draußen-Tag.
Sonnenvogelscheuche
Im Lauf der Woche schrumpft unser Team aus verschiedenen gesundheitlichen Gründen immer mehr zusammen und alle zuvor so schön ausgedachte Planung ist plötzlich hinfällig. Glücklicherweise können einige Eltern ihre Kinder für ein oder zwei Tage daheim betreuen und so fällt es den verbliebenen großen und kleinen Lummerländern, darunter auch zwei Eingewöhnungskinder, leichter, den Alltag zu bestreiten. Zu zweit bzw. dritt sind wir mit den Kindern beider Gruppen in einem Gruppenraum und können beobachten, wie neue Spielgemeinschaften zusammenfinden. Auch ein Kind aus der Jim- und eins aus der Lukas-Gruppe, die sonst eher für sich allein spielen, entdecken plötzlich im jeweils anderen einen Spiel- und Lachpartner und haben gemeinsam Spaß. Überhaupt kommen die Kinder mit der veränderten Situation gut zurecht. Am Ende der Woche gibt es dann auch noch etwas zum Schmunzeln, als wir am Freitag beim Frühstück sitzen. Ein Emma-Kind dreht sich aus heiterem Himmel zur Schreiberin um und fragt: „Du, Frau T., wie heißt du eigentlich mit Nachnamen?“ Interessante Frage. „Na, überleg mal.“ Während das Kind darüber nachdenkt, fordert ein anderes, geblendet von der tiefstehenden Morgensonne, die ihm gegenübersitzende Erwachsene auf, sich zu erheben: „Du, Frau T., bleib mal so stehen, dann bist du unsere Sonnenvogelscheuche.“ Ziemlich kreative Idee, aber da lassen wir doch lieber das Rollo runter.
Wie langweilig
Nach einer ereignisreichen Woche mit Eingewöhnung, Turnen, Jahrgangstreffen, Nachmittagskindi, mit Fahrzeugen im Garten, Geburtstag und viel Basteleien ist auch mal irgendwann die Luft raus. Am Freitag im Garten fläzt sich ein Molly-Kind eine geraume Weile im Sand, setzt sich danach auf die Bank und zieht ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. „Was ist los?“ – „Soooo langweilig …“ Etwas weiter weg haben sich mehrere Kinder eine Outdoor-Küche eingerichtet mit angrenzendem Acker, auf dem sie pflügen, säen, Gülle ausstreuen und alles anbauen, was sie zum Kochen brauchen. Eins der Kinder steht auf und läuft unschlüssig umher. „Na, was gibt’s?“ – „Mir ist langweilig.“ – „Schau mal, da sitzt auch jemand, dem langweilig ist. Geh doch hin und dann langweilt ihr euch zusammen. Das macht bestimmt mehr Spaß als allein.“ Der Vorschlag wird angenommen und die zwei unterhalten sich ein wenig und es sieht so aus, als würde da was in Gang kommen. Tut es auch, aber in die andere Richtung als die erhoffte. Bald sitzen beide, mit demselben gelangweilten Gesichtsausdruck wortlos vor sich hinstarrend, nebeneinander auf der Bank. Da sieht man von Weitem schon, was los ist, und kann sich die Frage sparen. Die zwei haben sich gesucht und gefunden. Da hilft nur noch eins: reinrennen, Foto holen und die beiden ablichten. „Nicht lachen! Sagt mal: ‚Langweilig!‘“
Januar 2022
Emotionen
Zwei steile Falten über der Nase und grimmig zusammengezogene Augenbrauen, so kommt ein Mollykind am Morgen zu uns. An dieser üblen Stimmung lässt sich den ganzen Vormittag über nichts ändern – bis zur Mollystunde. Als dort Kokosfett geschmolzen, Vogelfutter, Kerne und Nüsse untergerührt und die Masse in Formen gelöffelt wird, wo sie erstarrt und dann in Bäume und Büsche aufgehängt wird, geht ein Strahlen über das eben noch düstere Gesicht, denn die Freude darüber, Essen für die Vögel im Winter zu machen, wischt alles andere fort. – Ein Knopfkind trifft morgens bitterlich weinend vor der Kindergartentür ein, die Mutter erklärt: Auf dem Herweg lag ein toter Igel auf der Straße, das Kind hat ihn entdeckt und seither nicht mehr aufgehört zu weinen. Da möchte man am liebsten selber gleich mit dem Tierfreund mitweinen. Es dauert etwas, bis das Kind wieder im seelischen Gleichgewicht ist. Papierpinguine zu basteln hilft dabei.– Eines Morgens kommt ein Knopfkind mit einer Frisur, die eine Kreuzung aus Mönchstonsur und Vogelnest ist, in den Kindergarten. „Na, bei welchem Frisör warst du denn?“- „Das hat Papa gemacht“, ist die Antwort, aber so ganz will die Schreiberin das nicht glauben. Der Kollege hat von dem Kind auf dieselbe Frage eine überzeugendere Antwort bekommen: „Es hat mich am Kopf gejuckt und dann hab‘ ich mich mit Papas Maschine dort gekratzt.“
Kein Empfang
Im Morgenkreis bemerkt die Schreiberin, wie sich drei Kinder nebenher angeregt über ihre Pläne für ein späteres Rollenspiel unterhalten. Fast tut es der Erwachsenen leid, sie dabei zu unterbrechen, aber: „Hallo! Jetzt ist Morgenkreis!“ Es benötigt mehrere Anrufe, bis die drei Notiz nehmen und reagieren. Später beim Mittagessen soll gebetet werden, doch zwei Kinder sind so sehr in eine Unterhaltung vertieft, dass es mehrerer lauter Anrufe bedarf, bis die zwei sich angesprochen fühlen. „Ich komm ja schon“, meint schließlich eins der beiden, wie aus einem Traum erwacht, schnappt sich den Teller und will nach vorne zum Essen holen kommen, dabei soll doch eigentlich erst einmal nur gebetet werden. Aber so geht es, wenn bei einem die Antennen woanders hinweisen und eine andere Frequenz eingestellt ist. Sehr trefflich, kurz und prägnant bringt dies am nächsten Tag ein anderes Kind auf den Punkt. Es betritt am Morgen wortlos den Gruppenraum, setzt sich auf den Bauteppich und beginnt zu spielen. Die Schreiberin begrüßt es freundlich und gut hörbar mit dem Namen. Keine Reaktion, das Kind spielt ruhig und ungerührt weiter. So schnell gibt die Schreiberin jedoch nicht nach. Diesmal spricht sie etwas lauter und verwendet für ihren Gruß mit Nachdruck den Nachnamen des Kindes. Nach ein paar sehr langen Sekunden meint das Kind gelassen, ohne dabei den Kopf zu wenden: „Ich habe heute keinen Empfang.“
Prüfung
Bei sonniger Kälte sind wir im Garten bei der „Ritterburg“, unserer Holzkletteranlage. Die Schreiberin beobachtet drei Mädchen, die sich in den Rutschenturm zurückgezogen haben, wobei eins von ihnen den Eingang hütet, herrenlos herumliegendes Sandspielzeug einsammelt und in den Turm trägt. Drei Jungs kommen zur Schreiberin: „Wir wollen mit den Mädels spielen, aber wir dürfen nicht in den Turm, weil wir das Passwort nicht wissen.“ Ja, woher auch? „Die Jungs würden gern mit euch spielen, aber woher sollen sie denn das Passwort wissen, wenn es ihnen niemand sagt?“, erklärt die Erwachsene dem Mädchen. Der Türsteherin leuchtet das ein, trotzdem will das kluge Kind das Passwort nicht so einfach verraten. „Sie müssen aber erst drei schwierige Prüfungen machen“, lautet die Bedingung und sofort werden die Jungs energisch und selbstbewusst als erstes angewiesen, das Kletternetz hinaufzusteigen und im Stehen von der Brücke zu springen. Diese Herausforderung findet natürlich Anklang und mit Feuereifer machen sich die Jungs ans Werk. Die Erwachsene wendet sich schmunzelnd ab und überlässt die Kinder ihrem abenteuerlichen Schicksal. Irgendwann später, so stellt sie fest, hat sich das Thema mit dem Passwort aber wohl erledigt, denn wie es aussieht sind die Kinder beim Absolvieren der drei Prüfungen auf eine andere, bessere Spielidee gestoßen.
Guter Start
Unser erster Kindergartentag startet, einem Zusammenspiel widriger Umstände geschuldet, mal wieder anders als erwartet. Eigentlich haben wir unserer neuen Kollegin einen angenehmen Einstand im vollzähligen Team gewünscht, aber eine unerwartete Schrumpfung desselben auf insgesamt vier Erwachsene, gegenüber einer lediglich um drei Kinder dezimierten Schar, wird für sie dann eher ein Schubs ins kalte Wasser. Testbestätigungen einholen, Tests ausgeben, die Kinder freundlich empfangen, in der Garderobe und im Badezimmer betreuen, Kinder mit Startschwierigkeiten geduldig begleiten … Es gibt gleich viel zu tun. Zum Glück ist die Kollegin eine erfahrene Fachkraft, offen, flexibel und unproblematisch, und so stehen wir dann um neun im Morgenkreis und es fühlt sich alles völlig normal an. So normal geht es erfreulicherweise auch weiter bis nach dem Mittagessen und bis alle Kinder abgeholt sind. Erst im Mini-Team bei Kuchen und Tee kommen wir zum Verschnaufen, planen die nächste Woche, rekapitulieren den Tag, die Eindrücke, geben unserer neuen Kollegin einen kleinen Überblick über die wichtigsten Abläufe und Regeln und tauschen Erfahrungen aus. Eigentlich ist es doch ein guter Start geworden.
Dezember 2021
Weihnachten ohne Jesus
Unsere Adventskalendergeschichten führen uns jeden Morgen ein Stück näher an Heiligabend, auch wenn das Kind in der Krippe laut Vorlesebuch längst geboren ist, die Engel bereits ihren strahlenden Auftritt hatten und auch die Hirten bereits im Stall von Bethlehem angekommen sind; fehlen nur noch die Sterndeuter. Diese begleiten wir gerade auf dem Weg nach Jerusalem und auf ihrem Abstecher zu Herodes, der nichts Gutes im Sinn hat. Am Adventskalendergeschichtenposter sind nur noch vier Stellen leer und die verbliebenen Bilder warten darauf, angeklebt zu werden. Dann ist die Geschichte zu Ende und Heiligabend vor der Tür. Wie gern hätten wir mit unseren Kindern und Familien wieder einmal die Weihnachtsfeier in der Kirche gemacht, doch es soll auch in diesem Jahr nicht sein. Dafür feiern wir mit den Kindern im „kleinen Kreis“. Als krönenden Abschluss essen wir gemeinsam im Kindergarten. Das wird für alle ein Erlebnis: für die, die sonst immer und auch für die, die sonst nie im Kindergarten essen – ach ja, und für uns „Großen“ natürlich auch! Danach singen wir mit den Eltern im Garten Weihnachtslieder, in denen es um das geht, was Weihnachten ausmacht: Die Geburt Jesu. Denn, so hat es ein Emma-Kind kürzlich sehr eindrücklich mit eigenen Worten formuliert: „Weihnachten ohne Jesus ist wie Pizza ohne Soße.“
Unterwegs in Sachen Nikolaus
Kurz nach neun Uhr früh stehen wir am 6. Dezember im Flur im Morgenkreis um die zwei brennenden Kerzen am Adventskranz und singen Advents- und Nikolauslieder. „Da kommt der Nikolaus!“, ruft plötzlich ein Kind, das mit Blick zum Eingang steht. Knapp daneben, es ist der Mann vom Paketdienst, der sich zur Feier des Tages eine Weihnachtsmannmütze aufgesetzt hat und ein großes Paket vor sich herträgt. „Seid ihr die Kinder vom Lummerland?“, fragt er und wünscht uns einen schönen Nikolaustag. Auf dem Paket steht als Absender „Sankt Nikolaus“ und die Kollegin zelebriert genussvoll die Paketeröffnung. Ein Brief vom Nikolaus, der sich krankheitshalber entschuldigt, wird vorgelesen, danach bekommt jedes Kind seinen gefüllten Socken überreicht. Ein paar Strümpfe jedoch bleiben übrig, denn es können nicht alle Kinder da sein, nicht nur Sankt Nikolaus ist krank. Aber so, wie er sich von den Männern vom Paketdienst helfen lässt, beschließen auch wir, Nikolaus zu unterstützen, und ziehen tags darauf mit den restlichen gefüllten Strümpfen von krankem Kind zu krankem Kind und läuten. Überraschte, freudige Gesichter zeigen sich an Tür oder Fenster und die kleinen und großen Nikolausboten haben herzlich Spaß und Vergnügen am Aushelfen. Schenken und Überraschen macht einfach glücklich.
Einsicht mit Witz
„Du, Frau T. kennst du den Witz von den zwei Skeletten, die sich erzählen, warum sie gestorben sind?“ – „Nein …?“ – „Das erste Skelett erzählt: ‚Als ich noch lebte, wollte ich auf den Mount Berry steigen, aber da oben war schon einer auf dem Gipfel. Da rief ich hoch: „Wenn du springst, bist du tot!“ Da ist der andere auf mich drauf gesprungen und ich war tot.‘ Da sagt das zweite Skelett: ‚Und ich habe verstanden: „Wenn du springst, kriegst du ein Marmeladebrot!“ Da bin ich gesprungen und war tot.‘“ – ‚Aha, so war das …‘, denkt die Schreiberin. Das Emma-Kind ist aber noch nicht am Ende. „Weißt du, deshalb ist es so wichtig, dass man immer richtig zuhört“, sagt es ernst und mit Überzeugung. Dagegen lässt sich nun wirklich nichts sagen. Wenn dieser Skelett-Witz einem Kind zu solcher Einsicht verhelfen kann, dann sollte er fleißig seine Runden machen. Doch das Emma-Kind ist immer noch nicht fertig: „Ich glaube aber nicht, dass zwei Skelette sich darüber unterhalten können, wie sie gestorben sind.“ Während die Schreiberin noch darüber grübelt, wie das Emma-Kind zu solchen Gedanken kommen mag, unterhält sich dieses bereits mit einem anderen Emma-Kind am Frühstückstisch darüber, welche Arten von Skeletten es wohl gibt und aus welchem Material sie sind, aber das ist ein anderes Kapitel …
November 2021
Erwähnenswert
Nicht immer geschieht die Woche über etwas, das im Rückblick als besonders aufblitzt und einen spannenden Artikel hergibt: Die Gespräche am Frühstückstisch sind nett aber unaufgeregt, in der Vesperdose des Käsekindes bleibt die ganze Woche das Käsefach leer, niemand sagt etwas wirklich Lustiges … Natürlich ist es nicht so, dass bei uns im Lummerland nichts passiert, im Gegenteil, wir basteln Weihnachtsdeko, beginnen mit der Herstellung der Weihnachtsgeschenke für die Eltern, singen Adventslieder und machen winterliche Fingerspiele, denn das gehört nun einmal zu dieser Jahreszeit dazu. Außerdem gibt es alle Jahre wieder, so auch diesmal, das Problem, dass alle beim Krippenspiel Engel oder Wölfe sein wollen, wo wir von letzteren doch nur zwei benötigen und dafür erst drei von fünf Hirtenrollen besetzt sind. Beim jährlichen Adventsflüstern, wo warmer Kerzenschein in allen Räumen uns zum Leisesprechen animieren soll, kann man in der einen Gruppe eine Stecknadel fallen hören, in der anderen das anhaltende „Pssssst!“ der Erwachsenen. Dass am Freitag unsere Berufsanfängerin bei ihrem ersten Praxisbesuch eine fast perfekte Leistung zeigt, ist besonders erwähnenswert und ein schöner Wochenabschluss.
Tütengeist
Am Frühstückstisch der Schreiberin hat ein Emma-Kind gerade die letzten Krümel seiner Brezel gevespert, da beginnt es, in seine leere Bäckertüte Luft zu pusten. „Ich sammle jetzt Luft!“, verkündet es in die Runde. „Lass es platzen!“, fordert es das Emma-Kind gegenüber auf. „Nein“, entgegnet das andere mit einem schnellen Seitenblick auf die Schreiberin, „das geht nicht.“ – ‚Sehr gut‘, denkt die Schreiberin, ‚braves Kind.‘ – „Ich lass die Luft raus.“ Es verdreht die Tüte von den beiden kurzen Seiten her locker um sich selber, zupft hier und da etwas daran herum und hat so im Handumdrehen ein künstlerisches Gebilde geschaffen. Nach kurzem Betrachten verkündet es schelmisch grinsend: „Das ist ein Flaschengeist.“ Schmunzelnd und mit tief verstellter, würdevoller Stimme wendet es sich an sein Gegenüber: „Waaas wüüüüünschst duuuu diiiiir?“ Dem gefragten Emma-Kind fallen sofort ein paar ziemlich krude Wünsche ein, worauf der Geist freundlich aber bestimmt hinweist: „Tod, Verletzung oder Verlieben kann man sich nicht wünschen. Das geht nicht.“ Das Wunsch-Kind hätte doch aber so gern ein wenig Zerstörung und Unglück gehabt. Nicht mit unserem Dschinn. „Nichts da. Du kannst dir ja was anderes wünschen“, und hat auch gleich eine Idee: „… einen Staubsauger zum Beispiel.“
Konzentration, bitte!
Ein paar Kinder entdecken das Spiel „Hasch mich“ im Spieleschrank und erwecken es aus einem jahrelangen Dornröschenschlaf. Da es neu für sie ist, erklärt ihnen die Schreiberin die Regeln. Der Titel klingt nach tanzenden Stummfilmmädchen, das Spiel ist aber eher unter dem Namen „Spitz, pass auf!“ bekannt und in Wirklichkeit kann es dabei schnell hektisch und laut werden, wenn man denn einmal in Fahrt gerät. Davon sind aber unsere Anfänger noch weit entfernt. Gleichzeitig den Würfel im Auge behalten und blitzschnell entscheiden, ob man seine Spielfigur am Faden vom Feld ziehen muss oder stehen lassen kann, erfordert schon einiges. Auch der Fänger macht, in der einen Hand den Würfel und in der anderen den Fangbecher, einen etwas überforderten Eindruck. Erfreulicherweise sind die Mitspieler sehr geduldig und geben alle durcheinander gut gemeinte Ratschläge. So sagt einer zum Beispiel: „Du musst Denken haben!“ und ein anderer ergänzt: „Ja, du musst Denken haben, so wie ich, wenn ich …“ – doch der Rest geht im allgemeinen Stimmengewirr unter. Die neugierig gewordene Erwachsene fragt nach: „Denken haben, wie wenn du was machst?“ Das Kind findet den Faden gleich wieder: „Denken haben, wie wenn ich Fußball spiele.“ – „Ja, und was denkst du da?“ – „Na, wo das Tor ist!“
To-do-Listen-Check
Montag, Feiertag: nochmals tief Luft holen und den Artikel fürs letzte Amtsblatt schreiben – erledigt. Dienstag: im Morgenkreis alle fünf Laternenlieder ansingen und schauen, wo es noch klemmt, die letzten Laternen basteln – ersteres erledigt, letzteres noch nicht ganz. Mittwoch: in der Emma-Stunde die Geschichte von Martin samt Gänse- und Bischofsteil erzählen – erledigt! Donnerstag: Herr Rechner (Bezirkskantor) kommt zum Singen und bringt uns ein neues altes St. Martinslied bei, Laub einsammeln im Garten – erledigt. Freitag: die Laternenlaufstrecke abgehen und dabei die Laternenlieder singen, sehr zur Verwunderung der Passanten, noch weiter Laub einsammeln im Garten – erledigt. Sonstiges: Käseklau aus der Vesperdose, zweimal beim selben Kind erfolgreich gelungen – erledigt. Lustiges und Nachdenkliches: Auf die Einladung von Herrn Rechner zum Kinderchor meint ein Emma-Kind: „Nein, danke, Karate reicht mir schon.“ Und als wir uns während des Frühstücks übers Streiten unterhalten, gibt ein anderes Emma-Kind zum Besten: „Mein Gehirn hat sich auch mal gestritten. Mein Gehirn hat sich mit meinem Mund gestritten.“ Ach, noch was: Artikel fürs nächste Amtsblatt schreiben – hiermit erledigt.
Oktober 2021
Mahlerei
Gegen Ende unseres Themas „Vom Korn zum Brot“ ist geplant, im Anschluss an die Emma-Stunde noch Dinkelkörner mit der Handmühle zu Mehl zu mahlen, um später Brot für unser Frühstücksbüfett daraus zu backen. Doch die Emma-Jungs wollen nach der Anstrengung eines Arbeitsblattes lieber in den Garten und die Schreiberin bleibt mit zwei Emma-Mädchen zurück. Dafür dürfen zur Verstärkung interessierte Molly-Kinder kommen. „Ich habe Muckis, ich esse immer Spinat!“, verkündet eins der Emma-Mädchen und stürzt sich auf die Kurbel. Alle anderen schauen fasziniert, wie oben mit Schmackes gekurbelt wird und unten das Mehl in die Schüssel rieselt. Jeder kommt mal an die Reihe und eins der Emma-Mädchen wacht darüber, dass die Reihenfolge stimmt und alle gute Sicht auf die Mehlschüssel haben. Nach zwei Runden haben die meisten der Kinder allerdings genug, die Kurbel lässt sich doch schwerer drehen, als erwartet („Die müssen mehr Spinat essen!“, so der O-Ton des Emma-Mädchens) – und werden durch neugierige Knopf-Kinder ersetzt. Mit jeder Jahrgangsstufe sinkt die Ausdauer. Am Ende bleibt es dann an der Schreiberin hängen, die restlichen Körner vollends zu vermahlen, während zwei Knopf-Kinder zufrieden danebensitzen, zuschauen und auf ihre Weise mitmahlen: Sie kauen die Körner, das ist nämlich einfacher und: „Schmeckt prima!“
Nachjustierung
Die erste Herausforderung beim Draußen-Tag ist die Einteilung der Kinder in Paare: Könnte es mit den beiden gut gehen? Welches von ihnen läuft gut und ist aufmerksam im Straßenverkehr? Hat man das geschafft, geht es darum, wie die Paare möglichst verträglich eingereiht werden: Wer könnte wen ärgern, sich umdrehen um zu schwätzen, dem Vordermann auf die Hacken treten, aus der Reihe tanzen? Unterwegs stellt man fest, ob die Einteilung gut ist oder nachjustiert werden muss. Heute geht die Schreiberin in der zweiten Hälfte der Schlange und hat eine Molly-Knopf-Kind-Kombination an der Hand. So geht es eine Weile zu dritt nebeneinander her. Immer wieder blickt die Schreiberin sich nach den hinter ihr Laufenden um – Prüfblick: alles okay? – und just da gerät die Schlange vor ihr ins Stocken wegen eines Vorfalls weiter vorne. Da tritt sie aus Versehen dem vor ihr laufenden Emma-Kind an die Verse. „Hallo?“, dreht sich das daraufhin stirnrunzelnd um. „Entschuldigung, das war keine Absicht.“ Damit ist es aber nicht gut, denn das erfahrene Emma-Kind kennt sich inzwischen bestens aus mit dem Nachjustieren. Es fasst nach der Hand der Erwachsenen und sagt: „Du läufst jetzt mit mir, dann kannst du mir nicht mehr auf den Schuh treten.“
Käsiges
Am Frühstückstisch hat das Kind neben der Schreiberin seit Tagen immer diesen kleinen, runden, roten Käse in seiner Dose, zum Schließen des Magens. Einmal nutzt die Erwachsene die Unaufmerksamkeit des Kindes und versteckt den Käse hinter seiner Trinkflasche. „Hä, wo ist mein Käse?“ – „Der hat Beine bekommen und ist weggelaufen.“- „Äh, wie? – Nein, oder?“ Ungläubiges Suchen. „Ah, da ist er!“, grinst das Kind, als es ihn entdeckt. Ab diesem Tag wird ein Spiel daraus: „Der verschwundene Käse“. Mal ist er unter dem Deckel der Vesperdose, mal hinter dem Kind auf dem Stuhlsitz oder der Dose der Erwachsenen. Auch wenn das Kind aufpasst wie ein Schießhund, es ergibt sich immer wieder eine günstige Gelegenheit für den Käse-Klau. Eines Tages entdeckt das Kind den Käse in seinem offenen Rucksack und seufzt: „Ach, Frau T.“, und es klingt so, als würde es in Gedanken hinzufügen, „es war je eine Weile ganz lustig, aber jetzt nervt es langsam, lass gut sein.“ Auch wenn am Ende des Spiels der Käse stets vergnügt verspeist wird, irgendwann ist auch der Spaß am Suchen dahin. Da beschließt die Schreiberin, beim nächsten Frühstück an einen anderen Tisch weiterzuziehen. Beim Blick in die Vesperbox ihres neuen, ahnungslosen Nebensitzers entdeckt sie eine käsige Überraschung: klein, rund, rot. Das kann ja lustig werden!
Mais futtern
In der ersten Woche „Vom Korn zum Brot“ dreht sich bei uns alles um den Mais, haben wir ihn doch am Draußen-Tag ziemlich hoch und einsam auf den Feldern stehen sehen. Wir vergleichen den trockenen, harten Futtermais vom Feld mit dem saftigen, frischen Zuckermais und dem weichgekochten Mais aus dem Bioladen. Dann kommt die Popcornmaschine zum Einsatz und spuckt, zum Entzücken der Kinder, eine weiße Wolke vormals harter Maiskörner lecker luftig gepufft heraus. Überhaupt wird viel probiert in dieser Woche. Mais ist in so vielen Variationen zu finden, ohne dass mehr als zwei Zutaten nötig sind, und den Kindern trotzdem schmeckt. Da gibt es die knackigen, gelben Maiswaffeln, die fluffigen Maisstangen, die knusprigen Cornflakes oder auch die etwas gesalzenen Tortillas. Die Kinder können jedenfalls nicht genug bekommen. So gibt es zum Abschluss der Woche noch einmal Popcorn, diesmal aber auf der mobilen Herdplatte und in der Glasdeckelpfanne, damit auch jeder den spannenden Moment der Verwandlung sehen kann. Als der Kollege vorsichtig den Deckel hebt, weil der sich von Dampf und Hitze beschlagen hat, dauert es nicht lange, bis der Rauchmelder lautstark Alarm schlägt. Nachdem der sich wieder beruhigt hat und der Strom abgeschaltet ist, beendet eine letzte Popcorn-Futterrunde die Maiswoche.
(K)eine Woche Urlaub
Jeden Morgen ein fröhliches Gesicht, Kaffeeduft, trällernder Gesang und Tanzschritte in Kunstfellpantoffeln, ein „Ich geh ran!“ sobald das Telefon klingelt und stapelweise Retoure-Kartons im Büro; ideenreich, hinterfragend, pantomimisch hochbegabt und bei den Kindern allseits beliebt – nach mehr als zehn gemeinsamen Jahren im Lummerland ist die Kollegin der großen Liebe gefolgt und somit ist eine unvergleichlich schöne Zeit zu Ende gegangen. Möglichst unauffällig und leise will sie ihren Abschied haben, aber schon beim ersten ankommenden Kind gibt es herzliche Worte und feuchte Augen. Dann der letzte Morgenkreis, das letzte Frühstück, die letzte Gartenzeit und jede Menge Abschiedsbesuche mit dem Elternbeirat als Abschluss. Aufrichtige Wertschätzung von allen Seiten und Traurigkeit über das Weggehen – und noch mehr Tränen. Wenigstens das Team bemüht sich um einen möglichst kurzen und schmerzlosen Abschied, schließlich ist sie ja nicht aus der (vernetzten) Welt. Außerdem sitzen die Kinder bereits erwartungsvoll und hungrig vor ihren Tellern. So ist der letzte gemeinsame Arbeitstag zu Ende und was das für unseren Alltag und unsere Lummerland-Familie bedeutet, wird die kommende Zeit zeigen. Im Moment fühlt es sich noch so an, als wäre die Kollegin lediglich mal wieder für eine Woche im Urlaub.
September 2021
Die Ersten werden die Letzten sein
Nachdem wir am Freitag im Morgenkreis gemeinsam einen Geburtstag gefeiert und danach beim Frühstück den Kuchen vertilgt haben, führt uns der Draußentag zuerst zum Haus zweier Geschwister in der Nähe des Friedhofs und danach über die Feldwege zum Flughafenzaun. Ab dem ehemaligen Polstermarkt dürfen die Kinder dann die Hände loslassen und bis zu bestimmten, vorher abgesprochenen Haltepunkten in ihrem Tempo laufen. Schnell zieht sich der Tross in die Länge, findet wieder zusammen, geht wieder auseinander – und so weiter, bis wir alle am Zaun ankommen und eine Weile das Treiben am Vorfeld beobachten. In der Annahme, dass der Rückweg ebenso reibungslos verlaufen wird, machen wir kehrt. Die Vorhut ist bereits auf dem Weg zur ersten Haltestelle, während der Hauptteil durch ein austretendes Kind aufgehalten wird. Da im Anschluss auch noch ein Hosenwechsel stattfinden muss, wird die Lücke im Feld immer größer. Vorweg galoppieren die Kinder gerade zur Stoppstelle – und dann tatsächlich einfach daran vorbei! „Halt! Anhalten! Was soll das denn?!“ Doch die Rufe verhallen ungehört. Der Kollege nimmt die Beine in die Hand und schafft es, die Vorausgeeilten in Rekordzeit einzuholen. Bis wir anderen schließlich dazukommen, hat er ihnen bereits die Leviten gelesen. Zum Perspektivenwechsel werden die Vorläufer kurzerhand ans Ende des Kinderzugs befördert und dürfen nun den Rückweg als Schlusslichter gehen.
August 2021
Spritzig
Es ist heiß und kein Weg führt daran vorbei, endlich das Wasser herauszurücken. Wenn nicht jetzt, wann dann? Unsere Praktikantin beweist sogleich große Virtuosität am variablen Sprühkopf des Gartenschlauchs. Geschickt wechselt sie zwischen gezieltem Strahl in die Wasserwanne, Eimer und Behältnisse der Kinder un dem feinen bis heftigen Regen, der dann erfrischend über alle niedergeht, hin und her. Das ausgelassene Gekreische der Kinder ist groß und auch die Schreiberin freut sich über die angenehm kühlen, Regenbogen zaubernde Nebeltröpfchen aus dem Schlauch. Kesse Kinder fordern provokant eine herzhafte Dusche ein - und werden nicht enttäuscht. So zieren bald eine Reihe feuchter Kleidungsstücke die Sonnenbank. Bei der tollen Wasserstrahljagd verirrt sich auch ein Kind in die Nähe der Schreiberin. "Da kann ich dich nicht nassspritzen, sonst wird Frau T. auch nass", teilt die Praktikantin ihm mit. Ein Knopf-Kind, das das gehört hat, reicht der Schreiberin einen Sonnenhut. "Da, Frau T., der beschützt dich", versichert es. Gerührt von so viel ernster Fürsorge und Umsicht setzt die Frau sich den zu kleinen Hut auf. "So, Frau K.", wendet sich daraufhin das Knopf-Kind an die Praktikantin, "jetzt kannst du spritzen!"
Süßer Besuch
Spontan, wie wir manchmal sind, besuchen wir - 25 Kinder und vier Erwachsene - mit der S-Bahn den Kollegen. Bereits am bunt bemalten Briefkasten erkennen die Kinder, wer da wohnt. Bald stehn die Stufen im Treppenhaus voller Gummistiefel, und Jacken zieren das Geländer. Dann füllen sich Wohnzimmer und Balken mit den vielen kleinen und großen Gästen. Alle kommen unter. Fürsorglich wird Wasser, Apfel- und Orangensaft herbeigetragen, die Becher zaubern wir aus dem Ausflugsrucksack. Die Frau des Hauses taucht liebevoll Bananenhälften in Schokolade und dekoriert sie mit buntem Zuckerzeug, eine wahre Augenweide - und ein Graus, denkt man an verschmierte Kindermünder und -hände und die Folgen für Sofa, Möbel und Teppiche. "Nein, nicht schlimm, das kann man ja alles putzen, außerdem sind die Kinder ja alle so süß!", lautet die gelassene Reaktion auf unsere Bedenken. Im Handumdrehen ist die Party in vollem Gang. Nach und nach schicken wir die Kinder ins Bad, um Schlimmeres zu vermeiden. Zum Glück kommt bald unsere S-Bahn und wir brechen wieder auf; eine Grundreinigung wird wohl unvermeidlich sein. Auf dem Heimweg meint ein Kind: "Genug Schokolade für heute." - "Ja, du hast zwei Schokobananen gegessen und auch noch die Servierplatte abgeschleckt!", bemerkt die Schreiberin. Das Kind entgegnet genießerisch: "Das war aber auch zu lecker, da konnte ich nicht widerstehen."
Unspektakulär
Es ist Freitag, im Kinderhaus Dschungel sind schon Ferien und keine Kinder mehr da. Wir haben den Garten also ganz für uns allein. Trotzdem beschließen wir spontan, wegen des herrlichen Sonnenscheins, außer Haus zu frühstücken und eine Runde zu laufen, bevor es dann in den Garten geht. Dabei greifen wir auf das Bewährte zurück. Mit beiden Gruppen laufen wir die paar Schritte hinüber zur Zeppelinschule, wo auch schon Ferien sind, der Schulhof verwaist daliegt und auf uns zu warten scheint. Die meisten Bänke stehen im Schatten und laden zum Verweilen ein. Das Vesper wird ausgepackt und eifrig reingehauen. Wie immer, wenn die ersten fertig sind, wollen sie natürlich spielen und man kann sie nicht mehr lange festhalten. Also, los geht’s. Nicht nur die Kinder turnen an dem Klettergerüst herum, auch die Erwachsenen haben ihren Spaß, sei es dabei, zögerliche Kinder zu ermutigen und dann zu sehen, wie diese über sich hinauswachsen, sei es beim selber Herumklettern.Und so bleiben wir länger als geplant und die Sonne scheint stärker als gedacht, sodass die Wanderung zum Zeppelinstein kurzerhand in eine Runde um den Block und an der Feuerwehr vorbei umgewandelt wird. Kurz erwägen wir, bei der Eisdiele einzukehren, aber wo soll man dort mit einer großen Horde Kinder Eis essen? Da haben wir es doch bei uns im Garten entspannter. Die Kollegin holt für alle Stieleis im Bioladen und die schleckenden Kinder sitzen friedlich und einträchtig nebeneinander im Schatten des Nussbaums auf der großen Bank. Ein klein wenig Sommerurlaubsgefühl kommt auf. Als die Kinder dann im Garten verteilt spielen, hat sich mal wieder bewahrheitet, dass Kinder auch durch kleine, unspektakuläre Unternehmungen glücklich und zufrieden zu stellen sind.
Juli 2021
Zweitbester Tag
Am Freitag um vier Uhr treffen vier hibbelige Emma-Kinder – außerhalb der üblichen Öffnungszeit – zum Emma-Jahresabschluss im Kindi ein. Die erste Anspannung entlädt sich beim vergnügten gegenseitigen Bewerfen mit nassen Schwammtuchwurfsternen im Garten. Den Rest zum Spaß steuert die Kollegin, selbst höchstvergnügt, mit dem Gartenschlauch bei. Nachdem hinterher alle wieder einigermaßen trocken sind, machen sich die vier Erwachsenen und vier Kinder auf den Weg zur Goldwiesenschule. Dort lassen wir uns Pizza in den Pausenhof liefern, verputzen den Großteil davon und ziehen erst wieder weiter, als auch das letzte Emma-Kind satt ist und stolz strahlend den Netzhochsitz am Klettergerüst erklommen hat. Zum Glück ist die Eisdiele gleich ums Eck und die paar leckeren Extra-Kalorien kriegt man beim ausgelassenen Hüpfen auf dem Trampolin nebenan schnell wieder los. Und dann ist da ja auch noch der Heimweg quer durch den Ort. „Heut war der erstbeste Tag in meinem Leben!“, sagt eins der Kinder resümierend und hochzufrieden kurz vor der Haustür, muss sich dann aber nach erneutem Durchforsten der Erinnerungen selber korrigieren. „Nein, der zweitbeste.“ Es ist ihm nämlich eingefallen, dass die Hochzeit des Onkels doch nicht zu toppen ist. Da können wir freilich nicht mithalten; aber zweitbester ist auch gut!
Pack schlägt sich ...
Unsere großen Jungs und Mädels veranstalten erst ein wildes Wettschaukeln, umrahmt von herausfordernden, provokanten Worten und Blicken, danach eine laute Verfolgungsjagd, die darin gipfelt, dass ein Mädchen und ein Junge äußerst engagiert oben auf der Betonröhre einen Ringkampf führen. „Schluss jetzt, ihr zwei!“, gellt der Schrei der Schreiberin, der überraschenderweise sofort Wirkung zeigt. Ab geht es zur Strafbank und zu einer Gardinenpredigt. Plötzlich stehen die anderen Jungs und Mädels da und beschweren sich: die jeweils andere Gruppe nervt, lässt einen nicht in Ruhe, ärgert ständig usw. „Dann geht ihr euch jetzt aus dem Weg!“, lautet das Urteil und alle ziehen ab. Die Jungs fläzen sich neben das Spielhäuschen und tun beschäftigt. Keine Minute später nähern sich die Mädchen von der Seite und schlüpfen durch die Tür hinein. „Hallo“, ruft die Schreiberin, „was soll das?!“- „Wir wollen nur im Haus spielen“, ruft eins der Mädchen harmlos zurück. Ein Grund mehr, genau hinzuschauen. Wie geahnt kommt ein Junge nach dem andern um die Ecke und schlüpft schnell ins Häuschen. „Hallo?!“ Doch dasselbe Mädchen kommt der Schreiberin zuvor: „Wir spielen nur! Wir machen jetzt eine Party!“ Tatsächlich kann man gleich darauf fröhliches Gröhlen aus der kleinen Hütte vernehmen. Ja, ja … Pack verträgt sich.
Nein, aber ...
Am Tag des Fotografenbesuchs empfängt die Schreiberin den ersten Schwung der ankommenden Kinder in der Garderobe. Ein Molly-Kind sagt versonnen zu ihr: "Weißt du, Frau T., früher wollte ich gar nicht in den Kindi, wenn der Fotograf kommt. Heute ist das mein liebster Kinditag." Welch überraschende Offenbarung! Mit neckischem Unterton fragt die Erwachsene: "Na, hast du dann zuhause auch fleißig lächeln geübt?" Dafür erntet sie allerdings nur einen etwas irritierten Blick. "Aber Kinder", meint da die Schreiberin aufmunternd in die Kinderrunde, "ihr könnt doch sicherlich alle ein freundliches Gesicht machen, oder?" Ein Knöpfle grinst, ein anderes fühlt sich nicht angesprochen, ein Knopf-Kind aber stellt sich vor die Erwachsene und meint dann mit ernster Überzeugung: "Nein, ich kann das nicht." Fast im selben Atemzug fügt es noch hinzu: "Aber ich kann Spagat."
Wochenrückblick
MONTAG: Weil die Turngruppe etwas zu früh vor Ort ist, toben die Kinder herum und eins erfindet ein Dino-Fangspiel, bei dem alle begeistert mitmachen. Wir Erwachsene sind zumindest für fünf Minuten überflüssig. DIENSTAG: Der Fotograf ist da. Ein Knopf-Kind gibt im Fotoatelier in der Puppenecke eine Pinkeleinlage, was den Kollegen in hektischen Schadensbegrenzungsmodus versetzt - show must go on. MITTWOCH: Völlig ohne unsere Hilfe machen die Emma-Kinder an einem Tisch im Flur Brettspiele. Der Renner ist die Jagd nach Hubi, dem Gespenst. DONNERSTAG: Es ist erster Juli und "ideales" Sommerwetter, um mit Matschhosen zum Wasserspielplatz zu laufen. Ein Emma-Kind betätigt ohne Unterlass den Schwengel an der Pumpe und versorgt die anderen Kinder mit einem nicht enden wollenden Wasserstrom. Einige haben danach nasse Socken. FREITAG: Diesmal gehen wir bei sonnigem Wetter zum Zaunacker-Spielplatz. Alle spielen und kaum einer braucht uns. Inzwischen schaffen es auch schon die Knöpfle-Jungen allein im Stehen zu pinkeln; da freut sich unser Rücken. Auch das Verhalten im Straßenverkehr hat sich verbessert, wir müssen gar nicht mehr so viel reden. - Ach so, mit einem einzigen Fall in fünf Tagen hat Fallentin/a einen neuen Minus-Wochenrekord aufgestellt.
Juni 2021
Fallentin/a
Nenne wir eins unserer Emma-Kinder einmal Fallentin/a - und zwar aus gutem Grund, vergeht doch kein Tag, an dem es nicht vom Stuhl kippt: immer geräuschvoll, immer rückwärts und (meist) immer ohne ernsthafte Folgen. Sitzt Fallentin/a auf einem Stuhl, fängt das Emma-Kind auf den hinteren beiden Stuhlbeinen zu kippeln an, sei es beim Malen, beim Essen, beim Spielen oder im Stuhlkreis. Weder Ermahnungen noch Stürze wirken nachhaltig. Am Mittwoch gelingt Fallentin/a mit drei Umfällen (Frühstück, Morgenkreis, Mittagessen) ein neuer Rekord. Der krönende Abschluss - und gleichsam Wochenabschluss - ist der Viertel-Rückwärtssalto beim Mittagessen am Freitag. Da schaut selbst Fallentin/a etwas verdattert über die Tischkante und rappelt sich langsam auf. Wenn es eine Goldmedaille im Vom-Stuhl-Fallen geben würde, hätte Fallentin/a sie sich nach dieser Woche redlich verdient, aber das wäre wohl ein Ansporn in die falsche Richtung.
Aufmerksam
Zu zweit mit 22 Kindern klingt erst einmal unspektakulär nach Kindergartenalltag. Doch wenn die Hälfte der Kinder vor Energie und zweifelhafter Kreativität zu platzen droht und die andere Hälfte in ihrer Blase schwebt, sind die Erwachsenen nur Störenfriede. In den Kindsköpfen ist kein Platz für Regeln und Benimm, die Ohren sind eingeklappt, wir reden gegen Gummiwände. Die erhoffte Besserung im Garten tritt nicht ein; hier dasselbe Bild. Mit Schaufeln werden Zweige und Blätter von Bäumen und Büschen gehauen, es wird auf die Brüstung der Ritterburg gestiegen, mit den harten Enden der Kletterseile herumgeschleudert, die Rutschrinne hochgeklettert, Sand geworfen ... - alles ist im Angebot. Sogar ein Meisenkind bei seinen ersten Flugversuchen schafft es gerade mal, sich in die Buchenhecke zu flüchten, die wir daraufhin großräumig absperren und verteidigen müssen. "Zum Kuckuck!", schimpft die Schreiberin, "Heute hört auch keiner!" - "Gell, Frau T.", sagt da das Mollykind neben ihr mit wissendem Grinsen, "heut ist so ein richtiger Horrorkindergartentag." Oha, da war wohl doch jemand aufmerksam!
Vom Schmetterling zum Dinosaurier
Die fünf Distelfalterraupen aus unserem Schmetterlingszuchtset sind gerade kurz vor dem Verpuppen. Eine gute Gelegenheit, sich am Maltisch im Garten mit der Symmetrie von Schmetterlingsflügeln zu befassen und Klatschbilder mit Wasserfarben herzustellen. Gar nicht so einfach, wenn man plötzlich nur ein halbes Bild malen soll, weil das Blatt ja gefaltet wird und der Abdruck die andere Hälfte des Schmetterlings ergibt. Manchen Kindern fällt das leicht, manche malen aus Gewohnheit automatisch die zweite Hälfte dazu, allerdings ohne auf Symmetrie zu achten. Immer mehr Falter liegen mit der Zeit auf der Bank in der Sonne zum Trocknen. Ein paar Kinder sind kaum mehr von den Wasserfarben zu trennen. Da werden dann Blumen und Bäume "geklatscht". Ein Kind faltet sein Blatt mittig und beschließt optimistisch: "Ich mach jetzt einen Dinosaurier." Leider kommt es nicht so weit, weil es just in dem Moment abgeholt wird.
Vernudeln
Bei einem Jungenanteil von 77 % geht es in unserer Gruppe meist sehr lebhaft zu und wir suchen oft Auslauf im Garten. Die vorhandene Energie entlädt sich dort meist in Sandschaufelkämpfereien. Die Kinder zu entwaffnen ist eine Möglichkeit, aber keine wirkliche Lösung – der Dampf muss ja raus. Also hilft nur, den Kindern einen Rahmen zu bieten, in dem sie sich gefahrlos abreagieren können. Und da kommen dann unsere Schwimmnudeln zum Einsatz. Mit den zwei Meter langen Leichtschaumrollen darf dann fröhlich gedroschen werden – nach einfachen Regeln, versteht sich: Nur die mit den beiden Nudeln in Händen dürfen sich hauen, alle anderen halten sich raus; wenn einer seine Nudel verloren hat, am Boden liegt oder „Stopp!“ ruft, ist Schluss mit Gekloppe; alle kommen mal an die Reihe. Das hat schon fast Sportcharakter und ist oft auch noch richtig lustig. Nachdem zwei Recken ihren Dampf abgelassen und erschöpft die Waffen gestreckt haben, dürfen sich die nächsten zwei vernudeln und erstere kehren zu friedlicherem Spiel zurück.
Mai 2021
Weitergehen
Es ist ein verflixter Büro-Vormittag: Erst zwingt ein eigenverschuldetes Missgeschick die Schreiberin zum Büroboden putzen, danach stellt sich eine Unstimmigkeit bei den Statistikdaten nach langem Suchen letztendlich als Fehler in der Excel-Tabelle heraus und schließlich geht auch noch eine Informationslücke auf ihr Konto. Frustriert flüchtet sie vom Ort des Geschehens, um auf andere Gedanken zu kommen. Da trifft sie im Flur zwei Knopf-Kinder auf ihrem Weg in den Garten. Die beiden kommen ihr gerade recht. "Ach, Kinder", seufzt sie, "heute klappt auch gar nichts. Es ist zum Heulen!" Theatralisch schlägt sie die Hände vors Gesicht und beginnt übertrieben zu schluchzen. Eins der Kinder amüsiert sich ob der dramatischen Vorstellung köstlich, es grinst über beide Ohren. Das andere lächelt wissend. "Alles gut!", meint es beruhigend, "Geh einfach wieder an die Arbeit." - Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten, weitergehen.
April 2021
April, April
Es sind Osterferien und die Plätze an unseren Frühstückstischen mit deutlichen Lücken. Also haben Kinder und pädagogisches Personal das Vergnügen, nebeneinanderzusitzen und gemeinsam zu essen und letztere die Gelegenheit, sprachförderlich tätig zu werden. Kleine Pläusche können oft sehr aufschlussreich sein. Am Vortag hat ein Knöpfle seine Edelstahltrinkflasche der Stirn eines Kollegen schwungvoll nahegebracht – wohl im Zuge eines kindlichen Alltagsexperimentes, leider jedoch ohne Vorwarnung – und im Plausch am Tisch der Schreiberin geht es um solche und ähnliche Taten von Kindern. Auch sie kann aus dem eigenen Familienbetrieb ein ähnliches Beispiel beisteuern, in dem eine Glasflasche und der Kopf eines Erwachsenen eine unfreiwillige und schmerzhafte Beziehung eingegangen sind. „Kinder kommen schon manchmal auf merkwürdige Ideen ...“, stellt sie kopfschüttelnd fest. Das Kind neben ihr ist Experte für kindliche Merkwürdigkeiten und meint kennerisch: „Kinder machen halt, was sie wollen.“ Grinsend fügt es hinzu: „So wie der April.“
Dekoration
Seit Weihnachten sind einige Wochen vergangen, bevor wir im neuen Jahr wieder alle gemeinsam loslegen. Somit liegen dann auch mehrere Wochen zwischen dem Erzählen der Weihnachtsgeschichte und dem Beginn der mehrteiligen Ostergeschichte. Es erscheint uns deshalb als sinnvoll, sicherheitshalber nochmals nachzufragen, wer denn Jesus überhaupt ist. Mit Spannung blicken wir in die Kinderrunde und während der Finger eines Kindes – erwartungsgemäß – sofort in die Höhe schnellt, zwei oder drei noch nachdenken, ist auf den Gesichtern der restlichen Zuhörer, sofern sie sich überhaupt angesprochen fühlen, Ratlosigkeit zu lesen. Wir geben noch etwas Zeit zum Überlegen, vielleicht gibt es ja noch einen Fall von Erleuchtung. Aber es sieht nicht danach aus. „Ich weiß!“, das Kind mit der erhobenen Hand hält es kaum mehr auf seinem Stuhl aus. Okay, dann mal raus damit. Das Kind resümiert kurz und knapp: „Also, Jesus war ein Gott und die Soldaten haben ihn ans Kreuz genagelt. Er hängt jetzt zur Dekoration in der Kirche.“
März 2021
Über Stock und Stein
Mit einer vollen Gruppe und einem Eingewöhnungskind nutzen wir die begrenzte Gartenzeit voll aus. Wer nicht mit Roller oder Dreirad um die Wiese fahren möchte, kann ja arbeiten. Da müssen zum Beispiel die großen, abgerundeten Flusssteine, die die Kinder immer wieder zum Spielen im ganzen Garten verteilen, zurück an die Hauswand unter die Traufe gelegt werden. Die Kleinsten schleppen und karren die schwersten Steine und buddeln wahre Prachtkerle aus Sand und Erde aus. Dann ist da noch das Weidenhäuschen: Es hat seine Schuldigkeit getan und der steten Erosion unzähliger stöckesuchender Kinderhände nichts mehr entgegenzusetzen - es muss weg. Viel zu oft müssen in der letzten Zeit kleine, kämpfende Möchtegernkrieger entwaffnet werden. Zwei Jungs haben da eine sinnvollere Aufgabe mit dem Holz gefunden. Mit der Kindersäge rücken sie einer der dickeren Stangen zu Leib und geben nicht auf, bis diese in zwei Teile zerlegt ist. Mit ebensolcher Ausdauer und unseren beiden Schnitzmessern entrinden sie danach die handlichen Stücke, dass die Späne fliegen. Im Garten findet einfach immer jeder etwas zu tun.
Februar 2021
Zurück im Alltag
In unserer ersten Woche bleibt die Kinderzahl noch etwas reduziert. Wir nutzen die Zeit, um alle versäumten Geburtstage nachzufeiern: fünf Mal wird gefestet und geschmaust und am Ende sitzt auch das Geburtstagslied wieder. Ansonsten spielen alle drinnen und draußen, jeder nach seinem Bedürfnis. Am Freitag packt uns das Fernweh und wir machen uns auf zum Spielplatz, einmal quer durch den Ort. Beim Hinweg werden die Marschgrundlagen nochmals aufgefrischt und auf dem Rückweg klappt es mit dem Laufen richtig gut. Auf dem Spielplatz genügt es, die Kinder bei ihrem bunten Treiben zu beobachten; eine sehr aufschlussreiche Tätigkeit, die allerdings immer wieder von Kinder unterbrochen wird, die mal dringend Pipi machen müssen. Da merk dann auch der Letzte, dass wir wieder im Alltag zurück sind.
Vergessen
Kurz nach acht betritt die Schreiberin mit Mund-Nasenfilter versehen den Gruppenraum. Kollege und Praktikant sind im Gespräch, das bisher einzige Kind ist in der Bauecke beschäftigt. Es hat bereits eine Phalanx selbstgebauter Fahrzeuge aufgestellt und sucht in den Materialkörben, in denen Duplo- und Ploy-M-Steine wild gemischt sind, nach weiteren Autoteilen. Die Schreiberin zieht es zum Bauteppich hin, sie setzt sich dort nieder, lässt sich ausführlich von dem Knöpfle die Fahrzeuge erklären und reicht ihm daraufhin verschiedene Steine und Sonderteile: "Vielleicht kannst du das ja brauchen?" Ja, kann es, alle. Bald darauf sind die Körbe ausgeleert und die zwei Baueckensitzer machen sich mit unterschiedlichem Interesse über den Inhalt her: das Kind, um neue Bauteile und Männchen zu suchen, die Erwachsene, um das verschiedene Material ordentlich zu sortieren. Ab und zu reden sie miteinander, meist aber redet das Knöpfle spielbegleitend leise in seiner Muttersprache vor sich hin; sonst ist nur das Geklapper der Steine zu hören. Eine kleine Idylle. Als nach einer Weile das zweite Kind den Raum betritt, freut sich das Knöpfle über den Spielkameraden; die Korbinhalte sind sortiert und das Büro ruft wieder. Moment, weshalb nochmal war die Schreiberin ins Zimmer gekommen?
Dezember 2020
O Tannenbaum ...
... singen wir im Adventsmorgenkreis und das Lied begleitet uns bei unserem Draußen-Tag-Spaziergang. Es geht an der Feuerwehr vorbei, die - als hätte sie nur auf uns gewartet - gerade zu einem Einsatz ausrückt. O Feuerwehr! Wir passieren die kleine Zugschienenanlage in dem Garten an der Ecke Christophstraße/Im Großen Garten und die Kinder erzählen von ihren Krautfesterinnerungen damit. Da singt der Kollege plötzlich vor sich hin: "O Eisenbahn ..." und die Schreiberin schmunzelt, ist sie doch nicht mehr allein mit ihrem Ohrwurm. Bei den Streuobstwiesen liegt die Gelegenheit für eine kleine Allgemeinbildungseinheit quasi direkt am Weg in Form eines herabgefallenen Astes samt Mistelzweig darauf. "Schaut; Kinder, dies ist ein Schmarotzer, aber auch Medizin und ein saisonaler Dekoartikel.", so die Kurzversion. Und siehe da, beim Rückweg entdecken die Kinder immer wieder besagten Dekoartikel an Haustüren. O Mistelzweig! Zurück im Kindi wollen, vor die Wahl gestellt, alle Kinder im Garten bleiben, keiner will reingehen. O Draußen-Tag!
Geschmolzene Pracht
Im letztjährigen Advent schaukelten mit buntem Zuckerguss personalisierte Lebkuchenmänner um unser Oberlicht im Flur, als süßer Adventskalender. Dieses Jahr gibt es stattdessen große Lebkuchensterne mit integrierten rot-, gelb- oder orangefarbenen kleinen Sternenfenstern aus beim Backen geschmolzenen Fruchtbonbonsplittern - und natürlich mit dem obligatorischen Zuckerguss. Hungrige, sehnsüchtige Blicke begleiten die Aufhängaktion und manches Kind sucht sich schon "seinen" Stern aus. Wie schön diese doch durch die durchs Oberlicht fallende Sonnenstrahlen leuchten! Tags darauf ein ernüchternder Anblick: Die Sonnenwärme hat die Bonbonfenster zu einer trüben Masse zerfließen lassen, die sich am Boden der Sternentüte angesammelt hat; die Fensterchen sind praktisch nicht mehr vorhanden. Das hindert die auserwählten Kinder aber überhaupt nicht daran, sich über "ihren" Stern zu freuen, denn letztendlich muss er ja schmecken.
November 2020
Aschenbrödel
Eine unserer beiden Gruppen betritt den Kindergarten nicht mehr durch den Haupteingang, sondern über die Terrassentür des Nebenzimmers, wo sich auch der Schuhwechselplatz befindet. Auf dem breiten Fenstersims parken, je nach Tageszeit, die Hausschuhe oder die Draußen-Schuhe der Kinder. - Es ist Gartenzeit und wer Hose und Jacke angezogen hat, kommt in die Schuhecke, bevor es nach draußen geht. Die ersten Kinder greifen sich zielsicher ihre Schuhe, ein Knöpfle aber hat keinen Plan, welches seine sind und behauptet bei jedem: "Sind das deine?" - "Ja." Wir sind auch nicht klüger, da nur in drei Paar Schuhen die Namen ihrer Besitzer vermerkt sind. Also soll das Knöpfle bis zum Schluss warten und was dann noch da ist, muss ihm gehören - so der Plan. Später, im Garten, ruft ein Emma-Kind beim Blick auf das Schuhwerk besagten Knöpfles entrüstet: "Das sind meine Schuhe!" Das Emma-Kind hat nämlich seine warmen Gummistiefel an und das Knöpfle trägt mit völliger Selbstverständlichkeit die viel zu großen Straßenschuhe des älteren. Siehe da, es steht aber noch ein Paar Schuhe auf der Fensterbank, die dann tatsächlich, wie bei Aschenbrödel, dem Knöpfle passen und gehören.
Sportlich
Es gibt Tage, da geht man am besten so früh wie möglich mit den Kindern in den Garten. Frische Luft, Herbstsonne, die letzten Laubhaufen wegräumen, an der Ritterburg rutschen und klettern, sandeln und buddeln und mit dem Bollerwagen Taxi spielen, das alles bringt gleich Entspannung. Abgesehen von den üblichen Ärgernissen, wie unfreiwillige Sanddusche durch übereifrige Buddler mit Sand bis in die Unterhose oder das Konfiszieren der zur Waffe umfunktionierten Schaufel, geht es ruhig, friedlich und geschäftig zu. Bis, ja, bis wir entdecken, was sich zwei Knöpfle im Sichtschutz der Ritterburg ausgedacht und binnen Rekordzeit umgesetzt haben: Beim Training für die Sandelsachenweitwurfmeisterschaft haben sich die beiden Knirpse gegenseitig übertroffen. Das Hindernis, die fast mannshohe Buchenhecke, haben sie mit Leichtigkeit überwunden und so zieren nun ihre Wurfgeschosse, Eimer, Schaufeln und Sandförmchen als weitgestreute, farbenfrohe Flecken die Wiese im Pfarrgarten.
Schalldämpfer
In den Reihen unserer Kinder gibt es Stühleruckler und -kippler, die äußerst nervtötende und zermürbende Geräusche bei den Mahlzeiten und im Stuhlkreis machen. Apropos Stuhlkreis, wenn die Kinder beim Stellen desselben mithelfen, fallen einem beim Stühle- und Tischerücken fast die Ohren ab. Der neue Kollege hat mit seinem frischen und praktischen Blick eine genial einfache Lösung, auf die wir Betriebsblinden und -tauben natürlich nicht gekommen sind: Mit einer großen Packung selbstklebender Filzgleiter und dem Elektrotacker werden erstere an die Füße der Holzstühle genagelt und auch unsere interessierten Kinder dürfen mitmachen. Dann bekommen die Tische noch Schalldämpfer angeklebt - das Ergebnis ist ohrenberuhigend; zumindest was Tische und Stühle angeht. Wenn es für laute Kinder doch auch eine entsprechend einfach Lösung gäbe - natürlich ohne Tacker!
Oktober 2020
Matschpampe
Nach dem Spaziergang am Draußen-Tag bleibt die Schreiberin noch mit ein paar Kindern im Garten. Während sie Laub kehrt, machen sich die Zwerge über die zahlreichen Pfützen her und sammeln Regenwasser in ihren Eimern, Bechern und Wagen, um mit Erde und Sand Matsche zu rühren - vornehmlich zum Kochen. Ein Knöpfle schiebt eine rote Karre mit eben dieser Pampe sichtlich zufrieden über die Gartenwege. Die Erwachsene wirft abwechselnd Kontrollblicke in die Runde (Ja, noch alle da!), probiert Häppchen aus der Experimentierküche der Kinder-Hobbyköche und kehrt weiterhin das Laub zusammen. Bei ihrer nächsten Prüfung der Anwesenden muss sie feststellen, dass ein Kind fehlt - bloß welches? Ah, die rote Schubkarre ist nirgends zu sehen! Ein Kind deutet hinter das Spielhäuschen und die Schreiberin geht nachschauen. Dort hat das Knöpfle - immer noch sichtlich zufrieden - eine eigene Verwendung für den Matsch gefunden: Die Pampe klebt in handlichen Portionen an der Gemeindehauswand! Wie gut, dass der Gartenschlauch noch nicht im Winterquartier und die Sauerei schnell wieder bereinigt ist.
Verschaukelt
Es ist unser dritter Draußentag-Spaziergang seit September und unser jüngstes Kind läuft an der Hand völlig problemlos und wie ein Uhrwerk, was man vom Rest der Meute nicht unbedingt behaupten kann ... Ein kleiner Umweg durch die Streuobstwiesen führt uns zum Zaunackerspielplatz. Dort hält unser Zwerglein den Kollegen schwer auf Trab, will es doch immer gerade dorthin, wo unsere Kleinen aus Sicherheitsgründen noch nicht hindürfen - aufs hohe Piratenschiff zum Beispiel. Da hat er die rettende Idee, setzt das Kind in den Sitz und sich auf das Brett der Eltern-Kind-Schaukel, und alles ist gut. Nach einer Weile erbarmt sich die Schreiberin, löst ihn ab und schaut in ein vergnügt strahlendes Kindergesicht. Nach einigem Geschaukel stehen plötzlich mehrere ältere Kinder an, um nun ihrerseits das Anschubsen auf dem Brett zu übernehmen. Wenn das nicht "mehrere Fliegen mit einer Klappe fangen" ist! Jedenfalls sind alle Beteiligten glücklich und zufrieden. Ein Hoch auf den Erfinder dieser Zwergenschaukel.
Bis Weihnachten
Im Morgenkreis steht gerade regelmäßig die zur Jahreszeit und zum Wetter passende Kleidung im Mittelpunkt. Besonderer Augenmerk wird dabei auf die Reihenfolge gelegt, in der man die Kleidungsstücke anzieht, denn ohne diese sieht man sich plötzlich mit diversen Problemen konfrontiert. Trotz anschaulichem und praktischem Üben erlebt man daraufhin beim Anziehen in der Garderobe die ganze Vielfalt beharrlicher, kindlicher Ignoranz. Egal, was die Erwachsenen eben noch gesagt haben, es werden trotzdem die Stiefel oder die Jacke vor der Matschhose angezogen. Vielleicht aus dem einfachen Grund, weil die Jacke am Haken über der Hose hängt und einfacher zu holen ist; letzteres gilt auch für die Gummistiefel. Steht da nicht ein Kind und versucht verzweifelt mit den Handschuhen an den Händen den Reißverschluss seiner Jacke zuzumachen? Ganz clevere Kinder breiten, um auch ja nichts falsch zu machen, ihr gesamtes Kleidersortiment vor einem auf dem Boden aus und fragen mit treuherzigem Augenaufschlag: "Kannst du mir helfen?" Na, klar! "Womit willst du denn anfangen?" Vielleicht klappt es ja bis Weihnachten.
Junges Gemüse
Apfel und Birne haben wir äußerlich und innerlich verarbeitet und wenden uns jetzt dem saisonalen, regionalen Gemüse zu. Eben noch mit Emma- und Molly-Kindern in der Kirche als Erntegabe betrachtet, liegen jetzt Blumenkohl, Kraut, Karotten, Kürbis, Feldsalat und Rote Bete aus dem Bioladen vor uns im Stuhlkreis. Es gibt zum Glück noch Kinder, die die Namen und das Gemüse vom heimischen Teller her kennen. Alle anderen bekommen Nachhilfe. An zwei Tagen werden je drei Gemüsesorten unter die Lupe und zwischen die Zähne genommen. Nur ein, zwei Kinder verweigern die Probierhappen, über die Hälfte möchte einen Nachschlag und ein paar Unersättliche halten so schnell die leeren Hände wieder auf, dass man mit Gemüseschneiden kaum nachkommt. So verschwinden Röschen samt Strunk des Blumenkohls, mehr als ein halber Hokkaido-Kürbis, zwei Rote Bete und zahlreiche Karotten in den Mägen der Kinder. Weniger breite Zustimmung finden Kraut und Ackersalat - außer bei unseren Allesessern, den dankbarsten Abnehmern.
Gemeinsam
Krankheitsbedingt findet sich am Montag ein Schrumpfteam von drei Erwachsenen mit einer ebenfalls reduzierten Kinderschar wieder. Eineinhalb Gruppen lassen sich so zwar drinnen noch getrennt betreuen, eine zeitlich versetzte Gartennutzung ist aber nicht mehr möglich. So tun wir das, was für zwei kleine Gruppen, die vorher schon zusammen waren, erlaubt ist und nach Monaten der Trennung finden sich plötzlich alle Kinder gemeinsam im Garten wieder. Mit unterschiedlichen Reaktionen: Die einen spielen unbeirrt mit ihren gruppeninternen Spielpartnern und ignorieren das erweiterte Angebot und die alten Freunde. Ein anderes Kind erfasst auf einen Blick die Lage und ruft begeistert alle seine Kumpels zu einer gruppenübergreifenden, herzerwärmenden Umarmung zusammen. Als das Knäuel sich auflöst, bricht die Bande gemeinsam zu neuen Abenteuern auf. Am Ende der Woche spielen aber dann alle wieder zusammen, als wäre es nie anders gewesen und zumindest im Garten ist ein Stück Normalität zurückgekehrt.
September 2020
Bäume
Eine große Rolle im Kindergartenalltag spielen die Bäume in unserem Außengelände, begleiten sie uns doch mit ihrem wandelbaren Äußeren durch die Jahreszeiten. Nach einem kahlen Winter erfreuen sie uns im Frühling mit frischem Grün und bieten im Sommer kostenlosen und nachhaltigen Sonnenschutz. Jetzt, im Herbst, regnet die mächtige alte Rotbuche unermüdlich ihre Eckern auf uns herab. Wer sie naschen möchte, braucht eine gute Feinmotorik und Geduld. Der Nussbaum lässt mit seinen Schätzen noch auf sich warten, seine Blätter kann man aber jetzt schon zu Sträußen fassen. Auch die hohe, schlanke Birke erfreut die Kinder. Eines, sprachlich noch eingeschränkt, behilft sich pantomimisch, bis die Schreiberin versteht. Sie pflückt die bräunlichen "Birkenwürstle", die das Kind vergnügt zerrupft, in die Luft pustet und sich freut, wenn sie zur Erde schneien.
Falscher Alarm
"Ist es jetzt soweit?" - "Bald, eine Minute noch." Endlich, vom Kirchturm schlägt es elf Uhr. Wir zählen jeden Glockenschlag. "Geht's jetzt los?" - "Ja, bestimmt gleich." Doch dann stimmen die Glocken erst einmal ihr Elf-Uhr-Geläut an. "Okay, wenn das vorbei ist, dann ..." Wir warten mehr oder minder geduldig. Ein Knopf-Kind: "Geht der Alarm jetzt los?" - "Na, hoffentlich!" Aber zehn Minuten später ist noch immer nirgends auch nicht die kleinste Sirene zu vernehmen. Einige Kinder haben sich zwischenzeitlich wieder ihrem Spiel zugewandt. Ob sich da jemand im Tag geirrt oder gar verschlafen hat? Es schlägt Viertel nach elf. Jetzt aber, höchste Zeit! Jedoch nichts passiert. Auf den Gesichtern unserer bestens vorbereiteten Kinder zeigt sich Enttäuschung. "Da müssen wir uns wohl beim Bürgermeister beschweren", empört sich schließlich die Schreiberin gespielt und mit einem Augenzwinkern. Ein Beinahe-Schulkind korrigiert sie aber sofort: "Du meinst wohl bei der Bürgermeisterin, Frau Merkel."
Juli 2020
Wir gratulieren ...
... unseren elf Emma-Kindern zur bestandenen Abschlussprüfung. Erst sechs, dann gleich darauf noch einmal 16,5 Stunden Kindergarten inklusive Übernachtung - kein Kinderspiel. Dass dabei, vor allem kurz vor dem Einschlafen, die Nerven blankliegen, ist nicht verwunderlich. "Ich wäre jetzt gern bei meiner Mama", hört man da zum Beispiel. Darauf der Kollege: "Weißt du, wir können nicht alle Eltern anrufen, damit sie euch abholen." Das leuchtet ein. "Ach so, ja, okay." Thema erledigt. Bei einem anderen Kind, das nicht so zugänglich für rationale Argumente ist, hilft es, sich daneben zu legen, ab und zu über den Rücken zu streichen und, sobald seine Atmung ruhig und gleichmäßig ist, sich auf die eigene Matte zu begeben. Als am Morgen um sechs Uhr das erste Kind im Halbschlaf den Weg zur Toilette in der falschen Richtung sucht, weil es sich wohl zuhause wähnt und eineinhalb Stunden später das letzte Kind sich mit schlaftrunkenem Lächeln von seinem Nachtlager erhebt, sind alle aufrichtig glücklich und zufrieden über die Bewältigung der Tags zuvor für manche noch fast unvorstellbaren Aufgabe.
Gartenzeit
Im größeren Teil unseres Außengeländes verlieren sich die 20 Kinder einer unserer beiden Gruppen. Gleichzeitig sind Kolleginnen vom angrenzenden Dschungel-Kinderhaus mit einer ihrer Gruppen auf der Ritterburg, wo es etwas enger zugeht. Aber wir tauschen ja täglich. Unsere zweite Gruppe spielt, solange wir draußen sind, in ihren Räumen und kommt dann in den Garten, wenn wir wieder reingehen. Jetzt aber sind wir mit unserer Gartenzeit an der Reihe. Wir gönnen jedem Kind den seltenen Luxus zu spielen, womit es spielen möchte. Im Spielzeughaus geht es zu wie beim Sommerschlussverkauf im Kaufladen. Eine Traube Kinder klebt förmlich an der Tür und jeder will seine Bestellung aufgeben. "Ich will einen Eimer und eine Schaufel", sagt ein Kind und fügt dann hinzu: "und einen Becher." Dann zieht es zufrieden mit seiner Beute ab und der nächste Kunde ist an der Reihe. Sei es Schubkarre, Bagger, Hüpfpferd, Kreisel oder Pedalo, alles ist zu haben so lange der Vorrat reicht. Das Spielen ist dann so friedlich und entspannt, wie sonst - unter nicht-pandemischen Bedingungen - so gut wie nie.
Schwerwiegend
Unseren diesjährigen Emma-Kindern hat das Virus fast alles verdorben, worauf sie sich in ihrem letzten Kindergartenjahr gefreut haben: die Besuche in der Schule, bei der Polizei und der Feuerwehr, das Sommerfest mit der Verabschiedung, die Übernachtung ... A Apropos Übernachtung - im Team wird erwogen, die Gunst der Stunde zu ihrer Abschaffung zu nutzen, ist doch für die Erwachsenen das Schlafen im eigenen Bett die deutlich erholsamere Option. Just dann aber kommt die Info, dass Übernachten doch wieder möglich ist, aber natürlich unter Auflagen. Und weil der positive Effekt auf die Kinder deutlich schwerer wiegt als die paar Stunden schlechten Schlafs für die Erwachsenen, wird gleich die Einladung zur Emma-Übernachtung formuliert und ausgeteilt, sehr zur Freude der Kinder. Diese machen sich umgehend an das Sichten und Auswählen möglicher Schlafplätze und ändern fast stündlich, neben wem sie liegen möchten. Das hängt nämlich davon ab, wie eine Freundschaft aktuell beschaffen ist. Haben sich eben noch zwei heftig an Ohren und Haaren gezerrt und flossen dicke Tränen, heißt es keine Viertelstunde später: "Wir schlafen auf jeden Fall zusammen in der Leseecke. Nur wir zwei!"
Privatsphäre
Am zweiten Tag nach der großen Wiedereröffnung zelebrieren wir in einer vollbesetzten Runde hingebungsvoll einen Spielestuhlkreis. Bevor es dann wieder zum Spielen in die Ecken und an die Tische geht, möchten wir noch der Reihe nach von von den Kindern erfahren, wie sie die beiden Tage im Kindergarten "nach Corona" bisher so erlebt haben; was sie gut oder weniger gut finden. Das beginnende Emma-Kind ist rundherum glücklich und zufrieden, wohingegen das folgende Knopf-Kind es ziemlich blöd findet, dass es nicht in seiner altgewohnten Gruppe spielen kann. "Halt! Moment mal", ruft die Schreiberin, "das muss ich mir aufschreiben!" Sie sprintet los, um sich Stift und Papier vom Schreibtisch zu holen. Zeit genug für den empörten Einwand eines anderen Emma-Kinder: "He, das ist doch Privatsphäre!" - damit hat sich das Kind soeben für den Posten des Datenschutzbeauftragten der Einrichtung qualifiziert. Gewissenhaft befragt die Schreiberin daraufhin jedes Kind, ob sie sich dessen Aussage notieren darf.
Juni 2020
Gut beschirmt
Im Sandkasten an unserer Ritterburg sind die Kinder der Tagesgruppe damit beschäftigt, Wasser aus einer Wanne in Förmchen und Eimer zu füllen und sich jeder sein eigenes Süppchen zu kochen. Zwei Sonnenschirme stecken im Sand und spenden eine begrenzte Menge Schatten. Etwas mehr Sonnenschutz wäre angenehmer. Da fällt uns die große Rolle Stoff ein, die schon eine halbe Ewigkeit im Kämmerchen steht und auf ihre Bestimmung wartet. Schnell sind lange Stoffbahnen abgeschnitten, über die Schirme und die angrenzende Buchenhecke gelegt und festgeklammert. Siehe da, die Schattenfläche hat sich deutlich vergrößert und ist noch ein bisschen schattiger geworden. Ein Gefühl zwischen Campingurlaub und Beduinenromantik kommt auf. Jetzt sind alle vor der Sonne geschützt und zufrieden kann nun das bunte Treiben der Kinder beobachtet und können die diversen Süppchen, die auf den Speisekarten der Kinder stehen, verkostet werden.
Puzzeln
Ein Knopf-Kind möchte ein Puzzle (2 x 20 Teile) machen. Als es zwei willkürlich gewählte Puzzelteile zusammenzufügen versucht, will die Schreiberin die Gelegenheit zu einer Einführung in das strategische Puzzeln nutzen: von außen nach innen, erst Rand, dann der Rest. Ein außerordentlich anstrengendes Unterfangen, denn jedes Teil muss sprachlich an den richtigen Platz dirigiert werden. "Schau mal, wo ist außen? Wo ist der abgeschnittene Rand?" - "Du musst das Teil umdrehen." - "Nein, andere Richtung!" - "Halt, nur noch ein bisschen schieben!" ... Am Ende seufzt die Schreiberin erschöpft: "Das andere Puzzle machst du jetzt allein." Zuschauen und sich zurückhalten ist aber nicht minder anstrengend. Das Kind probiert in alle Richtungen fröhlich drauflos, planlos aber konzentriert und ausdauernd. Und siehe da - irgendwann ist auch dieses Puzzle fertig und das Kind kann jetzt wirklich stolz sein: Hat es es doch ganz allein geschafft!
Verständnissache
Bevor die beiden Kolleginnen mit ihrer Freitags-Kindergruppe zum Spaziergang aufbrechen, werden alle nochmals - wie gewohnt - zur Toilette geschickt. Das jüngste Knöpfle, frisch der Windel entwöhnt, sieht sich mit einer völlig neuen Situation konfrontiert: Hat man ihm doch eingeschärft, sich zu melden, wenn es muss; jetzt soll es aber aufs Klo, obwohl es nicht muss! Dieser offensichtliche Widerspruch der Erwachsenen führt zu lautstarkem Unmut und totaler Verweigerung. Es ist kein Wunder, dass nach der Rückkehr vom Spaziergang besagtes Knöpfle als erstes zur Toilette sprintet. Jetzt muss es nämlich - dringend! Leider geht die Hose nicht rechtzeitig auf. Während die Kollegin trockene Kleider holt und die Schreiberin mit Lappen und Eimer hantiert, thront derweilen das Knöpfle zufrieden auf dem Klo, auch wenn das meiste schon danebengegangen ist - es hat nach seinem Verständnis alles richtig gemacht.
Die Wende
Man möchte annehmen, dass jetzt, wo die Kinder wieder tageweise in Kleingruppen in den Kindi gehen dürfen, diese sich freuen und gern kommen. Doch es gibt auch Ausnahmen. Ein Kind möchte morgens plötzlich lieber wieder mit der Mutter heimgehen. Alles ruhige, geduldige Zureden fruchtet nicht. Kurz bevor alle mit ihrem Latein am Ende sind, passiert die Wende in Form eines Geistesblitzes: Dem Kind wird ein Ausmalbild seiner liebsten Trickfilmfigur in Aussicht gestellt - und natürlich auch im Büro ausgedruckt - und die Mutter kann anstandslos heimgehen. Ähnlich ratlos sind wir, als tags darauf ein anderes Kind untröstlich ist, weil sein Spielkamerad Ferien macht. Egal, was man dem Kind auch anbietet, es schüttelt nur den Kopf. Hier kommt dann die Wende, als unsere komödiantisch veranlagte Kollegin den Fall übernimmt. Ihr gelingt es, das Kind mit Quatschmachen aus der Reserve zu locken und zum Lachen zu bringen. Bald darauf baut es völlig ausgelassen mit einem anderen Kind für den Rest des Vormittags "Quatschtürme", die nicht schnell genug umfallen können.
Mai 2020
Wieder spielen
Wegen der Schließung der Einrichtung kann die Eingewöhnung nicht wie geplant Anfang April starten, sondern ist vorerst noch ausgesetzt. Das Aufnahmegespräch kann aber stattfinden. Dazu kommen die Mutter, der Neuzugang in spe und das jüngere Geschwisterchen an einem Vormittag zu Besuch. Die Familie ist erst kürzlich zugezogen, das Kind bereits kindergartenerfahren und begierig, neue Spielkameraden kennenzulernen. Die können wir zur Zeit aber leider nicht bieten. Das Kind weiß sich jedoch zu helfen. Während die Mutter sich um den Papierkram und den jüngsten Sprössling kümmert, schnappt sich das ältere Kind die Schreiberin und verschiedene Spielsachen und entwickelt aus dem Stegreif ein Rollenspiel, in dem der älteren Mitspielerin klar die Rolle und der Text zugewiesen wird: "Du bist ..." und "Du musst jetzt sagen ...", heißt es da. Diese macht gern mit, denn endlich wird im Kindergarten mal wieder richtig gespielt.
Notgemeinschaft
Am Donnerstag kommt überraschend eine Mutter mit ihren beiden Sprösslingen vorbei und meldet ihr Nesthäkchen für die Notbetreuung an: Das ältere Kind geht wieder in die Schule und die Eltern müssen arbeiten. Unser Knopf-Kind weiß nicht so recht, wie ihm geschieht. Einerseits will es in den Kindi, andererseits ist da aber alles so anders als sonst, irgendwie fremd, ungewohnt, leer. Das halbe Gesicht hinter dem bunten Mundschutz verborgen, versteckt es sich hinter der Mutter. Mal gespannt, wie die Wiedereingewöhnung am Montag wird. Da erreicht uns die zweite Anfrage nach einem Notbetreuungsplatz. Langsam scheint Bewegung in die Sache zu kommen. Fraglich ist allerdings, wie sich die Notgemeinschaft aus einem Molly- und einem Emma-Kind, die noch nie wirklich miteinander gespielt haben, gestaltet. Was daraus wohl werden wird?
Worüber berichten?
Wieder ist eine Woche ohne Kinder vergangen. Das Thema "Büroarbeit" hat sich erschöpft und der Berg von Arbeit wird dadurch auch nicht kleiner. Dass geschenkte Wollknäuel nach Farben getrennt in Schubladen einsortiert wurden für unsere Web- und Kordel-Kinder, oder dass immer noch nicht alle Schränke eingeräumt sind, reicht nicht für eine Geschichte. Drei kleine, nette Ereignisse sollen aber doch erwähnt werden: Einmal trafen wunderschöne Fotos vom Geburtstag aus dem letzten Bericht ein und von einem anderen Kind wurde uns das Foto eines eigen geschaffenen Kunstwerks zugeschickt. Die dritte Begebenheit fand auf einem Feldweg statt, als sich die Wege der Schreiberin und eines ihrer Emma-Kinder samt seiner Eltern rein zufällig beim Spazierengehen kreuzen. Eine ungewohnte Situation für das Kind. Es grüßt etwas schüchtern zurück und radelt dann schnell weiter. Immerhin, es hat seine Erzieherin nach so langer Zeit doch noch wiedererkannt.
Geburtstag vor der Tür
Zufällig stolpert unser Kindergarten-Präsenzduo bei der Erledigung einer Aufgabe über das Geburtsdatum eines unserer Kinder und muss feststellen, dass es just an diesem Tag drei Jahre alt wird. Da bleibt dann - aus dem Augenblick geboren - alles andere liegen und bald darauf, um die Zeit des Morgenkreises, steht die Miniabordnung mit sämtlichen Zutaten für einen zünftigen Kindigeburtstag vor der Tür des überraschten Jubilaren. Auf dem Türabsatz werden Kerzen entzündet, wird gesungen, die Wunderkerze abgebrannt, es gibt Krone und Geschenk - natürlich unter Einhaltung des Sicherheitsabstands. Und damit das Fest nicht ganz ohne Gäste und Freunde stattfindet, kommen diese auf den Tag über verteilt an den Gartenzaun und machen ihren Geburtstagsbesuch.
März 2020
Verwaist
Montag vor einer Woche fand bei uns zum letzten Mal Kindergarten statt. Nur eine Hand voll Kinder fand sich ein, darunter ein Molly-Kind, das über ein Vierteljahr in der Heimat seiner Eltern Ferien machen durfte und nun seinen ersten Kindi-Tag hatte. Jetzt darf es gleich noch ein paar Wochen Ferien dranhängen. Es gab einen Abschied mit gemischten Gefühlen und den Wünschen, alle mögen gesund bleiben. Ohne Kinder ist der Kindergarten verwaist. Auch die Mitarbeiter verabschieden sich, nehmen stapelweise Hausaufgaben mit heim; Aufgaben, zu denen man sonst im Alltagsbetrieb kaum kommt. Da werden Pläne überarbeitet und erstellt, diverse Beurteilungen online erledigt, Fachzeitschriften gelesen, Beobachtungen ausgewertet usw., da kommt keine Langeweile auf. Und während über all den trockenen Sachen gebrütet wird, denkt man wehmütig anl die Frühlingslieder, - verse und -fingerspiele, die man im Morgenkreis jetzt üben würde, an die Themen, die die Natur anbietet, und natürlich an Ostern, das immer ein besonderer Höhepunkt im Kindergartenjahr ist.
Kindi-Pause
Hin und wieder erhalten wir einen der folgenden oder ähnlichen Anrufe: "Ich mach heut Kindi-Pause und komme morgen wieder." - "Mein Kind kommt heute nicht, es will lieber zuhause spielen." - "Wir machen kurzentschlossen ein verlängertes Wochenende und sind am Montag nicht da." - "Unser Kind ist spontan zu Oma und Opa und kommt den Rest der Woche nicht mehr." Wo hat man so eine Freiheit noch? Natürlich nur im Kindergarten. Es wäre schön, wenn jeder sich dies gönnen könnte. Leider ist das nicht immer möglich und manchmal sogar schon ein Problem, wenn ein Kind öfters mal oder für längere Zeit krank ist. Jetzt haben aber alle Kinder ab sofort Familienzeit: fünf Wochen extra! Fast so viel Ferien, wie wir sonst das ganze Jahr über haben. Machen Sie das Beste draus!
Gute Besserung
Von diversen, herumschwirrenden Viren außer Gefecht gesetzt, verbringen immer mehr unserer Kinder die Woche zuhause. Mit jedem Tag lichten sich die Reihen zusehends; auch das Kollegium wird nicht ganz verschont. Der Morgenkreis schrumpft zu einem Kreislein zusammen und ein armes Geburtstagskind blickt auf eine recht überschaubare Anzahl Gäste. Am Ende wird auch nur noch in zwei Räumen gespielt. Kinder vermissen ihre Freunde, merken dann aber, dass man mit den verbliebenen Kindern auch Spaß haben kann. Am Freitag besteht das Häuflein der Aufrechten aus fünf Emma-, zwei Knopf-Kindern und vier Mitarbeitern, die sich ganz entspannt um den Frühstückstisch versammeln und die ungewohnt himmlische Ruhe genießen. Dabei fällt spontan die Entscheidung, zum Flughafen zu wandern. Dort wird von der Zuschauerterrasse aus der großen Delta-Maschine beim Start zugeschaut und hinterher, für den Heimweg, in die S-Bahn gestiegen. Ein Mittagessen mit zwei Kindern beschließt diese etwas andere Woche. Gute Besserung allen Kranken!
Ganz von allein
Ist die Teilnahme an der Emma-Stunde verpflichtend? Muss jedes Emma-Kind die Jim Knopf DVD mit anschauen oder nicht? Diese Frage hat sich nach der letzten Augsburger-Puppenkisten-Sitzung ergeben. Das Problem löst sich, wie so oft, völlig unerwartet und von ganz allein. Ein Vorschulkind möchte endlich seinen Gartenführerschein machen und stellt sich der Prüfung, die ihm von einem im Garten erfahrenen Emma-Kind abgenommen wird. Im Morgenkreis findet die feierliche Überreichung statt. Danach ist Emma-Stunde – mit DVD. Drei Kinder möchten nicht mitschauen: Der Führerscheinneuling will in den Garten, ein weiteres Kind, das sich bisher noch nie für den Garten interessiert hat, möchte ganz plötzlich auch seinen Führerschein machen und deshalb zur Probe mit hinaus und dem dritten Filmverweigerer, einem alten Gartenhasen, werden die anderen beiden in die Obhut gegeben und alle drei in den Garten geschickt. So sind alle glücklich und zufrieden und als die fünfte Folge von Jim Knopf zu Ende ist, wollen die meisten der DVD-Kinder auch in den Garten.
Februar 2020
Kloflucht
Im Kindergarten-Büro-Kino sitzen dicht gedrängt unsere Vorschüler auf Tisch und Stühlen und schauen Folge drei der Augsburger-Puppenkisten-Version von Jim Knopf an. In der für Fadenpuppen typischen Gemächlichkeit geht es für die Helden Jim, Lukas und die Lokomotive Emma durch manches Abenteuer. In Folge zwei z. B. prasselten Styroporfelsbrocken auf sie herunter und drohten sie zu zermalmen. Unter angespanntem Händeringen verfolgten die Kinder, wie den Dreien in letzter Sekunde die Rettung gelang. Diesmal irren sie unter dem Gekrächze hungriger Geier und den verwirrenden Bildern der Fata Morgana durch die Wüste. Da muss eins der Kinder aufs Klo. Wir legen eine Pause ein und warten. Nach einer Weile erfahren wir auf Nachfrage auf dem Örtchen, dass es noch länger dauern wird und beschließen, weiterzuschauen. Schließlich ist die Episode ohne das Klokind zu Ende und die Schreiberin erfährt von der Kollegin, dass dieses schon längst in der Höhlenecke spielt. Sie erklärt die Taktik: "Das habe ich als Kind auch so gemacht, wenn ich vor etwas im Fernsehen Angst hatte."
Romantische Krankmeldung
Es ist Montag früh, kurz nach acht, und noch ziemlich ruhig - im Büro. Dieses bunte Universum, eine Mischung aus Rumpelkammer, Trödelmarkt, Bibliothek, "Fernsehzimmer", Arztpraxis und Wimmelbild hat bereits zwei Emma-Kinder magisch angezogen, die der Schreiberin beim Kopieren der Folgekrankmeldung des Kollegen zuschauen. Eins der Kinder stellt die unvermeidliche Frage: "Was machst du da?" Der Antwort folgen bedauernde Blicke und es wird deutlich, dass die beiden den Kollegen herzlich vermissen. "Aber ..., vielleicht ...", beginnt das eine Kind dann nach kurzem Schweigen und man erkennt deutlich, wie sich in dem kleinen Kopf Bilder formen und Gedanken ihren Weg suchen. Mit sichtlichem Genuss fährt es dann fort: " Aber vielleicht hat er eine schicke Frau gefunden ..." Schick? Aha! "... und geheiratet ..." Okay? "... und ein Baby bekommen!" Jetzt leuchten zwei Augen zufrieden und begeistert aus dem Kindergesicht. Den Gedankengang beendet es dann mit einem glücklich geseufzten: "Wie romantisch!"
Januar 2020
Junger Winter
Er ist ja noch nicht alt, dieser Winter, aber er stellt uns auf eine ziemliche Geduldsprobe. Neulich ein paar wunderbare Bilderbuchschneeflocken - das ist alles bis jetzt. "Schneeflocken" schneiden die Kinder aus Papier, Pompons werden zu "Schneebällen", aus Handabdrücken entstehen "Schneemänner" oder sie werden mit weißem Kerzenwachs gemalt und dann mit blauer Wasserfarbe überstrichen. Wir singen "Schneeflöckchen, Weißröckchen", spielen "In einem leeren Haselstrauch", reden über den Winterschlaf von Igeln und hören neidvoll zu, wenn das eine Kind vom Rodeln in Österreich und das andere vom Schneemannbauen in Rumänien erzählt. So ein eigener Schneemann im Garten wäre toll. Aber da lernen wir eben das "Winterlied ohne Schnee" und starren wehmütig auf das kleine Klümpchen kaltes, schmelzendes Eis, das ein Kind morgens mitbringt, auf dem Weg in den Kindi von den Scheiben der Autos gekratzt, und uns stolz hinhält mit den Worten: "Guck mal, ein Schneeball."
Wenn Sie uns besuchen möchten: Nach telefonischer Rücksprache oder auch per E-Mail nehmen wir uns gern an einem Dienstag oder Donnerstag zwischen 14:00 Uhr und 16:30 Uhr für Sie Zeit.
Ungleichgewicht
Wie bereits in den vergangenen Jahren verteilen sich die Geburtstage der Kinder auch diesmal wieder sehr ungleichmäßig. In Herbst und Winter hat man das Gefühl, man kommt aus dem Feiern nicht mehr heraus, im Frühling und im Sommer folgt dann eine richtige "Durststrecke". Der Januar startet gleich mit fünf Geburtstagen: zwei sechste und drei dritte sind im Angebot. Für die Emma-Kinder ist es ihr letzter Geburtstag im Kindi, für die Knöpfle der erste. Auch unser neues Eingewöhnungskind gehört zu den Jubilaren. Wie gut, dass Mama bei der Feierlichkeit noch dabei ist und es auch eine "Light-Version" unseres Geburtstagsrituals gibt. Aber, egal wie viele Kerzen zur Feier des Tages auch brennen, das Stückchen Kuchen oder Muffin zum Frühstück wird doch am meisten gefeiert. Hoffentlich glaubt unser Eingewöhnungskind nun nicht, dass der Kindergarten eine einzige Reihe von Feiertagen ist.
Engele-Bengele
Am ersten Tag nach den Weihnachtsferien ist das erste Wort, das ein Emma-Kind aus strahlendem Gesicht zur Schreiberin sagt: "Engel!" Die weiß sofort, dass nicht sie damit gemeint ist, sondern das Kind immer noch an seine Rolle im Krippenspiel denkt. Schon Tage vor dem großen Auftritt war es mit seligem Lächeln und flügelschlagenden Armen durch den Kindi geschwebt, stets ein "Engel" auf den Lippen. Bei der Aufführung klebte es am Mikrofon und sang mit Inbrunst und Hingabe "Vom Himmel hoch". Das ist zwar alles vorbei, aber noch nicht vergessen. Und auch an diesem ersten Kinditag wiederholt sich das glückselige "Engel" immer wieder. Einmal spricht die Schreiberin das Kind nicht mit seinem Namen, sondern mit einem Augenzwinkern und "Engele-Bengele" an. Obwohl die Muttersprache des Kindes weder Schwäbisch noch Deutsch ist, gefällt ihm doch der Wortreim. Später, während des Mittagessens, kommt das Kind zur Schreiberin und sagt fröhlich" "Engele-Bengele muss aufs Klo!"
Dezember 2019
Adventslotterie
Seit dem 1. Dezember schweben rund um unser Oberlicht im Flur 40 Keksfiguren, Tendenz abnehmend, vom Team für die Kinder gebacken, bunt verziert und transparent verpackt: ein Himmel voll süßer Versuchung. Jeden Tag findet im Morgenkreis die Adventskalender-Keksfiguren-Glückslotterie statt. Unter spannungsvollem Schweigen werden drei Kindernamen aus einem Sternchentopf gezogen und in ein kleines Rätsel verpackt, bei dessen Lösung alle mithelfen dürfen. Der oder die ausgeloste Glückliche darf sich dann eine Keksfigur vom Kekshimmel aussuchen und mit nach Hause nehmen. Als unser jüngstes Kind an der Reihe ist, weiß es mit all dem nichts anzufangen. Erst, als der Keks auf seinem Garderobenplatz liegt, dämmert ihm langsam, dass ihm etwas Gutes widerfahren sein könnte. Bei einigen Kindern wird die Geduld auf eine schwere Probe gestellt und sie werden bei dieser Gelegenheit das Warten lernen müssen. Ihre sehnsüchtig fragenden und nachdrücklich fordernden Blicke sind schwer auszuhalten. Aber da müssen wir alle durch. Einziger Trost ist, dass es bei dieser Adventslotterie zum Glück keine Verlierer gibt.
Starthilfe
Entwarnung an der Weihnachtsgeschenkebastelfront! Mit tiefen Griffen in die pädagogische Trickkiste ist es dem Team gelungen, auch das letzte pinsel-, farb- und geschenkscheue Kind zur Herstellung seines persönlichen Werks zu bringen: Geduld, Argumente, eine phantasievolle Geschichte, der richtige Zeitpunkt, das Überraschungsmoment ... À propos Überraschungsmoment: Einem Knöpfle, das partout keinen Malerkittel anziehen möchte, steckt die Kollegin beherzt die Ärmchen durch die entsprechenden Löcher des Kleiderschutzes und - ehe es sich versieht - den Finger in die weiße Farbe, um ihn dann aufs blaue Papier zu drücken. Eine gute Entscheidung, denn gleich darauf wechseln zehn Finger begeistert zwischen Farbe und Papier hin und her. Da scheint jemand auf den Geschmack gekommen zu sein! Manch einer muss wohl zu seinem Glück überrumpelt werden. Wenn dann am Ende das Kind zufrieden sein Werk betrachtet, ist die "Starthilfe" längst vergessen.,
Vom Sollen und (Nicht-)Wollen
Die Kinder sollen ein weißes Blatt Papier mit Pinsel und Farbe blau anmalen - als Teil des Weihnachtsgeschenks für ihre Eltern. Leider werden letztere dann nur das fertige Produkt zu sehen bekommen, wir hingegen haben das Privileg, Zeugen des Entstehungsprozesses zu sein: eine absolut faszinierende Angelegenheit über die man ein Buch schreiben könnte. Ein anderes Buch kann man über die Kinder schreiben, die im Kindergarten weder basteln noch malen wollen und unsere Überredungsversuche, sie doch noch dazu zu bewegen. Trotz all unserer kreativen Bemühungen werden wohl aber doch einige Eltern Weihnachten ohne ein blaues Bild feiern müssen. Ein Kind zum Beispiel lehnt freundlich aber bestimmt ab: "Ich mach meinen Eltern etwas zuhause." Konfrontiert mit der Frage des Kollegen: "Denkst du nicht, dass deine Mama traurig ist, wenn sie kein Geschenk von dir zu Weihnachten bekommt?", antwortet ein anderes Kind nach kurzem Überlegen einsichtig:"Doch, schon", schiebt dann aber umgehend nach: "deshalb sage ich ihr gar nicht, dass wir im Kindi Weihnachtsgeschenke basteln."
November 2019
Peters Haare
Zufällig kommt die Schreiberin in den Raum der Nachmittagsbetreuung. In schnuckeliger Runde weihen fünf oder sechs Kinder die neue Murmelbahn ein. Da fast jeder seine Finger irgendwo dazwischen hat, um der eigenen Murmel etwas nachzuhelfen, dauert es nicht lange, bis die erste auf dem Boden landet. "Schnell, schnell, aufheben!", sagt die Kollegin aufgeregt. "Ihr wisst was sonst passiert!" - "Was passiert?", fragt die Schreiberin neugierig. Ein Kind erklärt mit wohligem Schauern genüsslich: "Dann kommen die Haare aus dem Boden, ziehen die Murmeln in ihre Löcher und wenn man nicht schnell genug ist, wird man auch eingesaugt." Wie der Blitz ist das besagte Kind auf dem Boden, fischt unter dem Schrank nach seiner Murmel, sitzt wieder auf seinem Stuhl und murmelt weiter. "Wie kommt ihr denn darauf?", will die Schreiberin wissen. "Das hat Peter gesagt", meint die Kollegin und holt den Räuber vom Kasperlespiel vom Regal, dessen grimmigem Blick man jede Geschichte zutraut und abnimmt. Deshalb also gehen bei uns in dem einen Gruppenraum keine Murmeln verloren und deshalb ist der Nachmittagskindi auch nichts für Zartbesaitete.
Von Engeln und Schafen
Es ist Mitte November und höchste Zeit, Advents-, Nikolaus- und Weihnachtslieder, sowie das Krippenspiel in Angriff zu nehmen. Da dürfen die Emma-Kinder zwischen "Herbergsuche" und "Der Stern und die Tiere" wählen, wobei Letzteres einstimmig die Nase vorn hat. Nur zwei Mädchen ist es egal, solange sie Engel sein dürfen - die gibt es zum Glück in beiden Stücken. Die Rollen sind schnell verteilt, aber bei der Besetzung des Schafs gibt es Probleme. Drei Jungs wollen es spielen und keiner will nachgeben, denn die indiskutable Alternative wäre, ein Engel zu sein. "Dann gibt es eben drei Schafe. Wäre das okay?" Dieser Vorschlag stößt auf Zustimmung - bis plötzlich einer der drei eine Idee hat: "Ich bin der Schäferhund!" Der zweite legt sogleich nach: "Und ich will der Bauer sein!" Erfreulicherweise ist das dritte Kind mit der Schafrolle zufrieden. Auch wenn Hund und Bauer ursprünglich nicht auf der Besetzungsliste stehen, das kriegen wir schon hin, Weihnachten ist schließlich das Fest der Wunder.
Zeitkonzept
Mehrmals wöchentlich stellen wir im Morgenkreis die Frage nach dem Datum und der Jahreszeit. Da gibt es dann die Kinder, die immer die richtige Antwort wissen, die, die zeitlos glücklich sind, und die, die die Frage wie die Teilnahme an einer Lotterie ansehen und munter drauf losraten. Dabei machen letztere aber stets ein solch überzeugendes Gesicht, dass man wetten könnte, sie wüssten es - diesmal. Es kann dann vorkommen, dass man - nach fünf falschen Antworten - doch auf einen Wochentagsexperten zurückgreift. Es kann aber auch sein, dass die Frage mit "Herbst" beantwortet wird. Dann heißt es Ruhe bewahren und mittels Wochen- und Jahrestafel Datum, Wochentag, Monat und Jahreszeit auseinanderzudröseln und entsprechende Lieder zur Übung zu wiederholen. Es sind aber nicht nur Vorschüler, die sich auskennen, auch manches jüngere Kind hat schon ein Zeitkonzept. Wahrscheinlich wird es zuhause morgens so geweckt: "Guten Morgen, mein Schatz, heute ist Freitag, der 15. November 2019, und wir haben immer noch Herbst."
Besuchszeit
In den Herbstferien bekommen wir Besuch von ehemaligen Lummerlandkindern. Eins ist inzwischen 13 Jahre alt und macht für vier Tage sein Sozialpraktikum bei uns, die anderen sind seit September in der ersten Klasse und nutzen ihre ersten Schulferien für ein nostalgisches Erlebnis. Zufällig gibt es an dem Tag, an dem alle Ehemaligen gemeinsam da sind, einen Geburtstagsstuhlkreis. Er wird zu einem, an den wir noch lange denken werden. Die Erstklässler lassen es sich nicht nehmen, uns mit einer Tanz- und Gymnastikeinlage zu beschenken und zu unterhalten: Rad, Spagat und hoch das Bein! Manch junge und alte Knochen lassen sich anstecken und versuchen sich - teilweise mit sehr erheiterndem Erfolg bzw. Misserfolg - an den Übungen. Wir haben alle unseren Spaß dabei. Wie schön, dass es immer wieder einmal solche Besuch gibt!
Oktober 2019
GuK mal
Mit einem Inklusionskind hat auch die durch Gebärden unterstützte Kommunikation GuK bei uns Einzug gehalten. Dabei werden Schlüsselwörter in Sätzen durch Gebärden veranschaulicht. Wer also Mühe hat, sich sprachlich auszudrücken, kann sich damit behelfen. Die Kollegin, die unsere GuK-Expertin ist, bringt uns einmal wöchentlich im Morgenkreis neue Gebärden bei, die wir an den restlichen Tagen üben. "Ich", "essen" und "schlafen" sind eindeutig, international und auch den Kindern bereits geläufig. Anders sieht es dann schon aus, wenn die Kollegin mit der rechten Handfläche kreisend über den linken Handrücken streichelt. Was könnte das bedeuten? "Entschuldigung" - das können wir im Alltag gut gebrauchen. Dass die meisten Kinder eine schnelle Auffassung haben zeigt sich dann, als sie Wörter wie "Herbst", "Wolken", "Drachen", "Obst" oder "Spaß" beherrschen und wir unsere Herbstlieder mit den entsprechenden Gesten begleiten können. So macht lernen Freude.
Harry
Harry ist die fast lebensechte Version eines einjährigen Kindes, dunkelhäutig, große Augen, Stupsnase - einfach knuffig, ideal zum Herumtragen und Schmusen. Im Katalog wurde er als besonders wertvoll für die Entwicklung von Empathie und Toleranz beschrieben. Kinder haben aber stets ihre eigenen Vorstellungen. Bis heute (seit mehr als sechs Jahren!) ist es Harry, der mit empathischem Gesichtsausdruck jegliche Misshandlung toleriert: Er wurde und wird in die Nase gezwickt, in die Augen gepiekt, an den Haaren, den Armen, den Beinen gezogen, in den Bauch geboxt, auf den Po gehauen und fliegt auch gelegentlich hilflos durch die Gegend. Deshalb verbringt er die meiste Zeit dankbar auf dem Schrank. Ganz selten verlangt ein Kind nach ihm, trägt ihn dann liebevoll mit sich, beschützt ihn vor Zudringlichkeiten und gibt ihn am Ende behutsam wieder ab. Das sind dann die wenigen Sternstunden für die sich seine Anschaffung und sein Warten auf dem Schrank damals wie heute lohnen.
Geschepper
Seit längerem horten wir zylindrische Kartondosen, die einst z. B. Müsli, Kakaopulver oder Gemüsebrühe beherbergt haben; es gibt dicke, dünne und verschieden hohe. Eins haben aber alle gleich: Sie lassen sich prima stapeln. Diese Woche bieten wir sie den Kindern zum ersten Mal im Freispiel an - mit großem Erfolg. Nicht nur Türme werden gebaut, auch ein Piratenschiff. Natürlich wird auch mit Feuereifer umgeworfen, was zum Glück nicht weh tut. Ab und unter entdeckt man ein Kind, das eine der Kakaodosen geöffnet hat und den schokoladigen Geruch inhaliert. Sogar das Kollegium und einzelne Eltern betätigen sich als Stapelmännchen; der Ehrgeiz ist groß, die Decke das Ziel. Am Freitag schließlich, unter Zuhilfenahme der Haushaltsleiter und unter den faszinierenden Blicken der Kinder, gelingt die Höchststapelei: die Decke ist erreicht. Ehrfürchtig bewegen sich alle mit Vorsicht um den Dosenturm herum, aber es hilft alles nichts. Während wir im Morgenkreis das Herbstlied singen, fühlt sich eins der Eingewöhnungskinder dazu berufen, alltagsphysikalische Erfahrungen zu machen. Ja, die Schwerkraft funktioniert noch - schepper!
Stiefelzwerg
Mit Herbsteinzug passt sich auch die Kleiderordnung dem veränderten Wetter an und es heißt vor dem Gartengang immer öfter: "Matschhosen und Gummistiefel anziehen!" Trotz der klaren Ansage trifft man, nach dem Garderobengewusel, draußen doch gelegentlich ein Kind ohne besagte Hose oder Stiefel an. So auch neulich: Ein Knopf-Kind in Turnschuhen wird vom Kollegen in einer Pfütze entdeckt. Da müssen erst mal schnell trockene Socken und dann die Gummistiefel an die Füße! Das mit den Socken ist noch kein Problem, aber kaum riecht das kleine Kind den Braten, in dem Fall seine Gummistiefel, stimmt es ein heftiges Widerstandsgebrüll an und es kommt - je näher es seinen Stiefeln gebracht wird - noch ein entsprechendes Gestrampel und Sich-winden dazu. Zwei Pädagogische Fachkräfte haben alle Hände voll zu tun, um Kind und Stiefel zusammenzubringen. Zum Glück ist der Zwerg nicht nachtragend und vielleicht erkennt er, wieder zufrieden in der Pfütze stehend, Sinn und Zweck von Gummistiefeln.
September 2019
Eingewöhnung mit Apfel
Es ist Eingewöhnungszeit und mancher Neuling hat seine ganz eigenen kleinen Anker, um sich das Ankommen im Tohuwabohu des Kindergartens zu erleichtern. Das kann die Knete sein, die für die erste Viertelstunde Halt gibt, das Buch in der Leseecke, die Autokiste oder die Puppe. Ein Knöpfle zieht sich in die höhlenartige Abgeschiedenheit unter dem Tisch zurück. Irgendwann sollte dieser Schutzraum aber auch wieder verlassen werden können. Da bedarf es einiger fantasievoller, spielerischer Annäherung, um das Kind hervorzulocken. Und natürlich muss das folgende Angebot überzeugen. In diesem Fall hilft "Motorrad" - und bald darauf fährt unser Neuling mit anderen kleinen Neulingen im Flur mit den Fahrzeugen herum. Die absolute Zufriedenheit erreicht das Kind aber etwas später, als es in der Küche Apfelschnitze kleinschneiden darf. Da hantiert es ausdauernd und hingebungsvoll mit Messer, Brettchen, Schüssel und Apfel und ist so beschäftigt, dass alles andere nebensächlich ist. Zum Glück haben wir mehr als genug Äpfel gepflückt.
Gefühlssache
Im Morgenkreis lässt die Kollegin eine abgedeckte Schüssel umgehen, in der die Kinder einen halbierten Apfel erfühlen sollen. "Aber nichts verraten!" Das klappt wunderbar, es wird gefühlt, überlegt, an den Fingern gerochen und jeder behält seine Vermutung für sich - fast jeder. Ein großes Emma-Kind sagt, noch mit der Hand in der Schüssel: "Apfel." Sofort zieht es sich dafür den Unmut aller Erwachsener zu, dabei wäre unser Ärger gar nicht nötig gewesen, weil die anderen Kinder während des Fühlens und Überlegens wohl die Ohren abgestellt haben. So meint dann auch das erste befragte Kind, dass es sich in der Schüssel um eine Gurke handelt. Dem stimmen sofort weitere Kinder zu, es werden aber auch die Kartoffel und die Zitrone genannt. Das ungefragt herausgeplatzte Emma-Kind bleibt bei "Apfel". Also gibt es eine zweite Fühlrunde. Apfel, Kartoffel, Gurke, Zitrone - was ist es? Diesmal kommt neu noch die Orange hinzu, aber die Mehrheit ist doch der Meinung, es müsse der Apfel sein. Puh! Ein Blick unter das Tuch bestätigt dies.
Es geht wieder los
Montag ist unser erster Tag nach drei Wochen Sommerferien. Die neuen Emma-Kinder setzen sich gleich an ihre Webrahmen, machen gleich ihren Gartenführerschein und nutzen ihn bei herrlichem Wetter auch sofort. So ist es im Handumdrehen Freitag und da wollen wir dem Großteil unserer alten Emma-Kindern bei ihrer Einschulung unsere Unterstützung mit auf den Weg geben. Dazu stellen wir uns hinters alte Rathaus mit Blick die Backhausgasse hinauf in Richtung Zehntscheuer, wo die große Einschulungszeremonie stattfindet. Durch diese Gasse müssen sie doch kommen - oder? Oh nein, der Schülerchor geht oberhalb der Kirche zurück zur Schule! Was, wenn die Erstklässler auch diesen Weg gehen? Sollen wir etwa zur Zehntscheuer hochlaufen und oben warten? Gerade da aber biegt die lange Schlange Schultüten tragender Kinder mit ihren Lehrerinnen in die Backhausgasse ein und kommt direkt auf uns zu. "Lummerland! Lummerland!" skandieren unsere wartenden Kinder und winken und freuen sich, als sie die altbekannten Gesichter entdecken und sowohl Schüler als auch Lehrer fröhlich zurückwinken.
Juli 2019
Hopp, hopp, hopp
Die Schreiberin sitzt im Schatten der Rotbuche, neben sich ein paar handarbeitende Mädchen, sowie ein etwas unglückliches Knöpfle und schaut anderen Kindern beim Spielen zu. "Ich will ein Hüpfpferd", seufzt das Knöpflekind sehnsüchtig. "Da unten bei der Röhre liegt eins herum, geh und hol es dir", lautet die Aufforderung, der das Knöpfle sofort Folge leistet und gleich darauf mit dem ersehnten Spielzeug wiederkommt. Ein älteres Kind fängt das jüngere mit den Worten ab: "Gut, dass du mir mein Pferd bringst", und schnappt wie selbstverständlich dem verdutzten Knöpfle das Hüpfpferd weg. Nachdem die Schreiberin ob dieses abgebrühten Aneignungsmanövers ihre Sprache wiedergefunden hat, beginnt sie mit "Moment mal!" ein paar deutliche Worte zu sprechen. Diese haben eine Wirkdauer von einer Minute und es ist faszinierend zu beobachten, welche weiteren Mittel und Wege das ältere Kind einschlägt, um an das begehrte Hüpftier zu gelangen. Doch irgendwann ist Schluss und damit das Knöpfle in Ruhe spielen kann, muss das ältere Kind sich in einem anderen Teil des Gartens etwas zu Spielen suchen. .
Kniebeugen
Wenn es nach dem Kollegen ginge, würden wir im Morgenkreis "Laurentia" spielen. Die verantwortliche Kollegin, die bereits eine Runde Frühsport im Fitnessstudio hinter sich hat, weist ihn aber nur allzu gern darauf hin, dass bei uns die Kinder die Spiele-Entscheidung treffen und da ist "Laurentia" nicht unter den Top Ten. Als dann das von ihr ausgewählte Kind die Frage "Was sollen wir spielen?" mit - wer hätte es gedacht? - "Laurentia" beantwortet, ist des einen Freud des anderen Leid. Jedenfalls müssen wir alle vor der Entscheidung im wahrsten Sinne des Wortes die Knie beugen. Und das tun wir dann auch, bei jeder "Laurentia" und dazu noch von Montag bis Sonntag. Da zieht sich die ganze Woche fast unendlich dahin und gegen Ende werden wir immer kurzatmiger und unser Gesang immer japsender. Aber bloß keine Schwäche zeigen vor den Kindern; hat doch dieses alte, zeitlose Kreissingspiel gleich mehrere gute Seiten: Da sind der Gesang, das gemeinsame Tun, die körperliche Betätigung und nicht zuletzt das Üben der Wochentage durch schier endlose Wiederholung. Ein Loblied auf die Erfinder von "Laurentia", denn inzwischen können immer mehr Kinder die Wochentage aufsagen und immerhin ganze 63 Kniebeugen am Stück machen.
So schnell sind zwei Jahre vorbei ...
... und einmal mehr sind die Schreiberin und der Kollege mit Übernachten dran: Zehn Vorschüler rücken mit Sack und Pack an. Wir malen die Einkaufsliste, besorgen damit die Zutaten fürs Abendessen, schnippeln, kochen - und essen. das grüne Pesto ist unter den drei Jungen der Renner. Tapfer überwinden zwei mit Höhenangst behaftete Kinder die Stufen zum Ausguck auf den Kirchturm und freuen sich, als sie Kindergarten und Flughafen entdecken. Den Nachtisch gibt es natürlich in der Eisdiele und während jeder seine Lieblingssorte löffelt, geht draußen ein Unwetter nieder. Als das Schlimmste vorbei ist, rennen wir zum Kindi zurück und stellen die Schuhe zum Trocknen. Eine nette Überraschung ist der Kurzbesuch der Kollegin. Danach heißt es: Aufräumen, Zähne putzen und auf die Matten liegen. Endlich kann die Übernachtung beginnen. "Ich wär gern bei meiner Mama", meint da ein Kind und lässt Schlimmes ahnen. Nachdem aber alle ihre Taschenlampen vorgeführt und eine Gute-Nacht-Geschichte gehört haben, ist gerade dieses Kind eins der ersten, das schläft. Vielstimmiges, gleichmäßiges Atmen kündet kurz nach zehn an, dass die Übernachtung ihren friedlichen Höhepunkt erreicht hat. Völlig unspektakulär, mit Müsli, einpacken und abholenden Eltern, geht sie dann zu Ende.
Spielzeugsegen
Unbemerkt von den im Garten spielenden Kindern liefert uns eine Frau aus der Gemeinde eine großzügige Ladung Spielsachen frei Haus, für die ihre Töchter inzwischen zu alt sind. Die kleineren Dinge bringen wir erst mal im Büro in Sicherheit, aber der große Plastiktisch mit den zwei Stühlen und die Kunststoffkinderküche bleiben zunächst in einer Ecke vor dem Eingang stehen. Beim Weg zur Toilette entdecken zwei Mädchen die neuen Sachen und kommen prompt vom rechten Weg ab. Die Schreiberin beobachtet dies schmunzelnd und fragt provozierend: "Wolltet ihr zwei nicht dringend aufs Klo?" - "Nein, jetzt nicht. Jetzt müssen wir spielen", lautet die Antwort. Irgendwie verständlich, also wird Nachsicht geübt. Beim Kontrollblick ein paar Minuten später hat sich schon ein kleines Grüppchen geschäftiger Mädchen angesammelt, die kochen, backen, Tisch decken ... Moment mal! Woher haben sie denn das Geschirr und die Kleinteile? Gerade da bringt eine von ihnen Plastikobst und -gemüse aus dem Kindergarten und gibt die Antwort: Plündern die Weiber doch heimlich, still und leise die Puppenecke! Die wissen sich zu helfen. Kann man es ihnen verübeln?
Juni 2019
Vogeliges
Trotz widriger Umstände (Hitze hinter dem Vorhang und vorübergehender Trancezustand bei manchen Kindern) geht die Vogelhochzeit bei unserem Sommerfest ganz ordentlich über die Bühne. Die geduldige Soufflierarbeit, die gesangliche Unterstützung des Teams, sowie das Wohlwollen des Publikums tun das Ihrige. Bei der anschließenden Übergangszeremonie in die nächsthöhere Jahrgangsstufe und der Verabschiedung der uns verlassenden Familien, sind unsere Kinder fast schon wieder ganz die Alten. Während des Büfetts im Garten gibt es für jeden Vogelmimen noch einen Gummiwurm in den Schnabel und mancher Flattermann ist da schon wieder so knitz, ein zweites Mal anzufliegen und zu versichern, noch keinen Wurm bekommen zu haben, sogleich aber ein selbstentlarvendes Grinsen nachschiebend. Passend zum vogeligen Thema findet eine Mutter ein verletztes Vogelküken (ein echtes!), das dringend Hilfe benötigt. Einen doppelt schönen Abschluss findet das Fest, als die Gäste fröhlich und satt ins Wochenende gehen, während zwei Kolleginnen den verletzten Nestling zum Wiederaufpäppeln zur Vogelauffangstation bringen.
Gartenarbeit
Auf eine erholsame Woche Pfingstferien folgt eine fast ebenso entspannte Arbeitswoche mit deutlich reduzierter Kinderzahl und dem freien Donnerstag. Am Mittwoch geht es bei schönstem Wetter den Belägen auf den Holzbänken, den wuchernden Büschen und herabhängenden Ästen an den Kragen. Da fällt viel Grünschnitt an und Kinder von Dschungel und Lummerland organisieren und koordinieren auf typische Art und Weise den Abtransport zur Sammelstelle: Einer ist der Chef und die anderen hören auf sein Kommando. Arme, Sandgreifer, Eimer und diverse Gefährte kommen zum Einsatz. Das funktioniert so lange gut, bis der Chef sich einer anderen Baustelle zuwendet. Da verläuft sich nach und nach auch sein führungsloses Personal. Lediglich zwei Jungen mit ihren Wagen bleiben bis zum letzten Ästchen. Nach eigenen Angaben sind sie Güterzüge, der eine ein "englischer", der andere ein "appenzellerischer" (oder so ähnlich). Wer am Ende eine Pause braucht, kann sich auf die frisch sandgestrahlten Bänke setzen und stellenweise feuchten Hosenboden riskieren.
Ins Weltall und wieder zurück
Zwölf Molly-Kinder und zwei Kollegen erleben im Planetarium Stuttgart eine Reise durchs All. Die Berichte hinterher lassen ahnen, wie unterschiedlich die Kinder mit der enormen und überwältigenden Fülle von Sinneseindrücken umgegangen sind. Die mitgebrachten Fotos zeigen, wie sich jedes Kind, allein in seinem viel zu großen Sitz, an den Armlehnen festhält; die wenigsten wissen, was sie erwartet. Es geht los und nicht wie im Kino nur von vorne, kommen Bild und Ton von allen Seiten. Dem Einen bleibt vor Staunen der Mund offen stehen, der Andere klammert sich noch fester an seinen Sitz oder sucht Zuflucht bei einem der beiden Erwachsenen. Ein Kollege ist nahe dran, mit seinem Kind hinaus zu gehen, als die kleine Nebensitzerin meint: "Ich habe mich auch gerade erschreckt, aber das ist vorbei. Jetzt wird es gleich spannend." Das beruhigt das Schoßkind und bald darauf sucht es wieder seinen eigenen Sitz auf. Irgendwann haben sich alle eingewöhnt und versinken in der Geschichte, den Sternenbildern und der lichtbepunkteten Dunkelheit. Der Weg zur S-Bahn und die Rückfahrt erden alle wieder und im Kindergarten wird das Erlebte begeistert mitgeteilt.
Mai 2019
Fidiralala
Für unser Stück "Die Vogelhochzeit" haben sich (wie bereits berichtet) die Emma-Kinder schon die Rosinenrollen aus dem Drehbuch gepickt. Bei einem Treffen der Emma- und Molly-Kinder teilen nun die letzteren die verbliebenen Parts unter sich auf. Dank des beherzten, unbekümmerten "Ich will!" eines Molly-Kindes ist die noch offene Bräutigam-Frage geklärt und auch alle weiteren Rollen sind im Handumdrehen besetzt. Nun soll erarbeitet und geprobt werden, was jeder Vogel bei seinem Auftritt zu tun und zu sagen hat. Das verlangt bei nahezu 20 Strophen eine Menge gutes Sitzfleisch, Geduld (bis man an der Reihe ist) und Konzentration. Die meisten Kinder verfügen über genügend Ausdauer und haben durchaus kreative Ideen; dem Sperber allerdings muss nachdrücklich der Abflug ins andere Zimmer zu den Knopf- und Knöpfle-Kindern verordnet werden und der Pfau ist so mit sich selbst beschäftigt, dass er - einfach so - vom Stuhl kippt. Da ist es dann an der Zeit, die Probe zu beenden.
Haarige Angelegenheit
Nach längere Zeit kommt einmal wieder unsere Aushilfe in den Kindergarten. Die extrem gekürzten Haare der jungen Frau sorgen an diesem Tag für ein Dauergesprächsthema und bei einigen Kindern für Verwirrung: "Ich kenn dich irgendwoher ..." - "Wie heißt du nochmal?" Bis dann der Groschen fällt: "Ich hab dich an deiner Stimme erkannt!" Und schüchtern bemerkt ein Bub: "Vorher warst du schöner." Andere haben sie gleich erkannt und wollen wissen: "Hast du deine Haare geschnitten?" Und: "Warum hast du das gemacht?" Ein Mädchen ruft entsetzt: "Wo sind deine Haare hin?!" Ein anderes Kind stellt fest: "Du siehst echt aus wie ein Junge. Möchtest du denn wie ein Junge aussehen?" Nachdem ein Mädchen mit "Aber Mädchen haben doch lange Haare!" ein Gespräch beginnt, lässt es sich von dem Argument der Aushilfe ("Aber ich bin doch auch ein Mädchen.") schnell überzeugen und räumt nun ihrerseits ein: "Ja, Mädchen können auch ihre Haare schneiden." Dann fügt sie noch schmeichelnd hinzu: "Du bist ein wunderhübsches Mädchen mit schönen Haaren!"
Sonennaufgang
Beim Turnen steht für unsere Vorschüler mal wieder eine Spielestunde auf dem Plan. Jägerball macht den Anfang. Natürlich kann nicht jedes Kind der Jäger sein, aber es folgen ja noch andere Spiele, bei denen man sich bewähren kann; so wie ein Staffellauf mit Plastikeiern, bei dem gleich zwei oder drei Kinder gemeinsam gewinnen können. Eins der beiden Siegerkinder der ersten Runde rennt lauthals rufend durch den Saal: „Ich hab gewonnen und ihr habt verloren!“ Als nach der zweiten und letzten Runde des Spiels die Utensilien weggeräumt werden ertönt plötzlich ein markerschütterndes Gebrüll. Besorgt wird mit dem Schlimmsten gerechnet, bis sich der Grund für das herzzerreißende, anhaltende Schluchzen herausstellt und Erleichterung bringt: Das Siegerkind aus der ersten Runde zelebriert so seine Enttäuschung darüber, dass es in Runde zwei leer ausgegangen ist. Kaum versteht man das eigene Wort und es wird erwogen, dem Kind eine Auszeit vor der Tür zu gönnen, schließlich will man doch noch die „Supermaus“ spielen. „Supermaus“? Umgehend verstummt das Gebrüll und man kann sehen, wie bei der Aussicht auf das Lieblingsspiel in dem Kindergesicht die Sonne wieder aufgeht.
April 2019
Die größte Flasche
Nachdem wir zum Trinken für die Kinder lange Zeit Gläser, bunte Plastikbecher und individuelle Keramiktassen verwendet haben (nacheinander versteht sich), sind wir wieder auf die gute, alte Trinkflasche zurückgekommen. Gut? Ja, weil praktisch. Alt? Von wegen! Ihre bunte Vielfalt bietet regelmäßig Gesprächsstoff bei den gemeinsamen Mahlzeiten und Anlass für spannende Experimente, so z. B. das Rollverhalten von verschiedenen Flaschentypen und das dabei erzeugte Geräusch, ihre Stapelfähigkeit oder ihr Drehmoment. Wird der wassergefüllte, transparente Zylinder gar vors Auge gehalten, verändert sich die Weltsicht dramatisch und äußerst erheiternd (übrigens in beide Richtungen). Die bunten, aufgedruckten Bilder und "Kinderheldenfiguren" liefern bevorzugt den Jungs Identifikationsmodelle: " Ich bin der und du bist der:" - "Nein, ich will der sein." - "Der bin aber schon ich." usw. Dauerthema ist allerdings die Frage nach der Höhe der Flaschen. Alle Modelle am Tisch werden zusammengeschoben und es wird diskutiert und verglichen So auch neulich beim Frühstück. Nach eingehender Inspektion stellt dann ein Kind mit höchst zufriedenem Gesicht fest: "Ich bin die größte Flasche."
Kindliche Logik
Manchmal liegen Lob und Tadel sehr dicht beieinander. So auch bei einem Geschehen neulich im Gruppenraum. Aufräumen erfreut sich nicht gerade großer Beliebtheit unter den Kindern. Umso erstaunlicher ist es, als ein Emma-Kind völlig unaufgefordert und gründlich die verwüstete Bauecke aufräumt, obgleich es nicht einmal dort gespielt hat. Wenn das nicht lobenswert ist! Der Kollege findet die richtigen Worte. Das tut dem Kind natürlich gut. Allerdings, das Lob ist noch kaum verklungen, geht das besagte Kind auf ein anderes Kind zu und - völlig unaufgefordert und gründlich - boxt dieses. Das geht natürlich gar nicht! Der Kollege findet auch hier die passenden, in diesem Fall zurechtweisenden, Worte. Darauf empört sich unsere Emma-Kind aus seiner eigenen Logik heraus: "Aber ich hab doch eben die Bauecke ganz allein aufgeräumt!"
Allein machen
Es ist langsam an der Zeit, die Osterkörbchen zu basteln. Die Emma- und Molly-Kinder kriegen das Ausschneiden und Zusammenkleben mit etwas Anleitung selber hin. Den Knopf- und Knöpfle-Kindern fertigen wir den Rohling in Wunschfarbe an und sie dürfen ihn dann mit den neu geschenkt bekommenen Osterstickern bekleben. Ein Knopf-Kind allerdings weigert sich strikt und will partout kein Körbchen dekorieren, es will überhaupt kein Körbchen, auch dann nicht, wenn es dafür - sehr zum Entsetzen anderer Kinder - auf Schokolade verzichten müsste. Okay, akzeptiert. Aber, es will auch nicht, dass wir ihm seines fertig machen, zerstört deshalb sicherheitshalber den Rohling mit großer Energie und entsorgt ihn ordnungsgemäß im Papiermüll. Etwas später kommt dieses Knopf-Kind zum Maltisch, wo hingebungsvoll geklebt wird und meint ganz ruhig: " Ich will ein grünes Körbchen. Ich will es ganz allein ausschneiden." Aha, das war also der Grund des Dramas; Ich will es allein machen! Das funktioniert dann auch hervorragend und der Stolz aufs eigene Werk steht dem Knopf-Kind hinterher ins Gesicht geschrieben.
März 2019
Eiszeit
Am Donnerstag ist, passend zum Draußen-Tag, schönstes Frühlingswetter. Nach der üblichen Zeremonie (Klo gehen, anziehen, paarweise aufstellen) besuchen wir das Zuhause eines Kindes, holen bei der Volksbank Spielgeld und Übungsuhren für unsere Vorschüler ab und beschließen den kleinen Ausflug mit einem Besuch der Eisdiele. Bereits während des Frühstücks im Kindergarten haben wir jeden nach seiner Lieblingseissorte befragt, alles übersichtlich in eine Tabelle eingetragen - und diese prompt im Kindi liegenlassen. Also bilden wir kurzerhand Eissortengruppen: Da gibt es die Vanille-, die Schoko-, die Erdbeer- und eine Sonderwunsch-Gruppe mit Zimt, Zitrone, After-Eight und anderen eher exotischen Geschmäckern. Eisig bepackt geht es erstaunlich schnell und diszipliniert zurück zum Kindi. Im Garten beginnt dann das süße Schlecken. Mund und Hände waschen hinterher versteht sich von selbst und die zugeführten Kalorien werden sogleich beim Toben im Garten wieder abgebaut.
"Weißt du ...?"
So beginnt, großzügig geschätzt, jeder vierte Satz, den ein Kind im Lauf des Kindergartentages an uns richtet. Was dann nach einer bedeutsamen Pause folgt, kann durchaus variieren, z. B.: „Der/die (…) hat mir die Zunge rausgestreckt.“ oder „Der/die (…) hat gesagt, dass ich ein Baby bin.“ oder „Der/die (…) hat alle großen Klötze und ich brauch auch welche.“ Inzwischen können wir bei manchen Kindern schon vorhersagen, wann sie diese Satzeinleitung anwenden werden. Das Kind kommt energisch aus der Puppenecke – es fehlt nur noch, dass es die Hände in die Seiten stemmt – holt Luft und setzt an, und wir wissen: Jetzt kommts! Und tatsächlich: „Weißt du …?“ – Pause. – „Was denn?“ – „Die (…) gibt mir die Schuhe nicht und ich will die anziehen!“ Ein anderes Kind kommt zaghaft aus der Höhlenecke und schaut schon so – und wir wissen: Jetzt kommts! „Weißt du …?“ – Pause. – „Was?“ – „Der (…) hat uns unsere Decke weggenommen.“ Manchmal ist man versucht zu antworten: „Nein, ich weiß nicht und ich wills auch gar nicht wissen!“
Hören können
Die Molly-Kinder finden sich am Mittwoch zum Jahrgangstreffen im Stuhlkreis ein. Diesmal geht es ums Hören. Nacheinander verstecken wir jedem Kind irgendwo im Raum eine tickende Eieruhr und allein das Gehör soll auf die richtige Spur und schließlich zum Ziel führen. Die Hörorgane der Kinder sind gut in Schuss, besser jedenfalls als die der Schreiberin, die sich bei der Aufgabe schwer tut, während die jüngere Kollegin alle Rekorde bricht. Ein Handicap ist allerdings für alle gleich: die Flugzeuge, die immer wieder das Ticken des Weckers überdecken. Eine weitere Übung fordert das Erkennen von Geräuschen. Was hört man hinter dem Sichtschutz? Aber auch hier kommen die Kinder abwechselnd den Geräuschverursachern auf die Schliche: Papier, das zerknüllt wird, ein Würfel, der über den Tisch rollt, ein Stein, der in einer Glasflasche klirrt, Streichhölzer, die in der Schachtel rasseln, Kaugummis, die in der Plastikdose scheppern ... So konzentriert und ruhig waren unsere Molly-Kinder schon lange nicht mehr.
Gartenarbeit
In der Faschingswoche ist es bei uns erstaunlich ruhig und da passt es gut, dass freundliche Mitarbeiter des Grünflächenamts uns frischen Weidenschnitt zur Ausbesserung unseres Weidentipis liefern. Mit einem langen, dicken Eisennagel treiben wir 50 cm tiefe Löcher in die Erde, in die wir dann die Ruten stecken. Natürlich helfen Kinder mit: Ehrgeizig schwingen sie den schweren Hammer und - siehe da - der Eisenstab verschwindet Schlag für Schlag tiefer im Boden. Das Herausziehen ist eher ein Problem. Die Kinder bringen Weidenruten und eines nutzt eine besonders lange, um mit viel Geduld eine der letzten Walnüsse vom Baum zu holen. Als es am zweiten Tag um das Einflechten der dünnen Ruten in das Zeltstangengerüst geht, finden sich sogleich wieder lerneifrige Kinder ein. Das geht ja wie beim Weben! - Ein Aha-Erlebnis. Wir werden noch ein paar Tage brauchen, um das Tipi fertigzustellen. Hoffen wir, dass es diesmal besser anwächst und länger hält.
Zum Glück zwingen
Bezirkskantor Rechner kommt zum Singen, im Gepäck das Lied "Singt ein Vogel, singt ein Vogel, singt im Märzenwald". Für Emma-Kinder ist Teilnahmepflicht und Unlust einzelner verwandelt sich schnell in Freude am Singen und Lernen. Herr Rechner zieht ruhig und mit Lob begleitend alle Register, damit keine Sekunde Langeweile aufkommt: Jede der drei Strophen wird durch ein Bild veranschaulicht, mal wird der Gesang von Klatschen, Fingerklopfen, Blockflötentönen begleitet, mal singen nur Jungs, mal nur Mädchen, mal mutige Freiwillige. In kürzester Zeit sitzen Melodie und Text und das Singen der Kinder hört sich klangvoll und schön an. Zur Abwechslung gibt es auch noch Gehörschulung: Welcher der beiden Flötentöne ist heller? Manches Kind entwickelt sportlichen Ehrgeiz. "Noch eine Chance!", bittet eines, als es beim letzten Raten danebenliegt. Am Ende fordern gerade die Kinder, die anfangs gar nicht dabei sein wollten, eine Wiederholung.
Februar 2019
Unter Wasser
In dieser Woche wird die biblische Geschichte "Jesus und der Sturm" mit dem Bildtheather und den Illustrationen von Kees de Kort erzählt. Die einfachen, aber gerade dadurch sehr dramatisch wirkenden Bilder bannen die Blicke der Kinder, Münder stehen offen, hier und dort wird sogar das Blinzeln vergessen. "Gehen die jetzt unter?", fragt ein Kind besorgt, als die Wellen sich immer drohender vor dem Boot auftürmen. Mal sehen, es kommt nämlich noch schlimmer. Das Segel wird zerfetzt, die Jünger kommen mit Wasserschöpfen nicht mehr nach. "Gehen sie jetzt unter Wasser?", wird nachgefragt. Immer noch nicht. Jetzt wecken die Jünger in Todesangst den schlafenden Jesus. Manche Kinder schöpfen Hoffnung. Aber Jesus weist die Jünger zurecht: "Wo ist euer Glaube?" Ob sie jetzt untergehen? Nein, denn Jesus lässt den Sturm verstummen. Und während die meisten Kinder beim Anblick der spiegelglatten Oberfläche des Sees erleichtert aufatmen, fragt das eine Kind: "Und jetzt? Sind sie jetzt unter Wasser?" Da hat wohl jemand bei all der Dramatik den guten Ausgang der Geschichte verpasst.
Richtig gut
Einen schöneren Draußen-Tag als den in der vergangenen Woche haben wir schon lange nicht mehr gehabt: Es ist gefühlt Frühling mit Sonnenschein, blauem Himmel und angenehmen Temperaturen. Gleich nach dem Frühstück ziehen wir los zum Spielplatz, was nach der Spielplatz-Winterpause mit allseitigem Juhu-Geschrei quittiert wird. Vielleicht klappt deshalb auch das Laufen so reibungslos und ist die Zeit am Spielplatz rundum friedlich und vergnügt; naja, einmal streiten sich ein paar um den Ball, zweimal benötigen wir ein Pflaster und dreimal ist Open-Air-Pinkeln angesagt. Ansonsten werden Eicheln gesammelt, es wird gekickt, geschaukelt, geklettert, gerutscht, gehüpft und im Sandspielhäuschen Frühjahrsputz gemacht. Ein Kind verkündet von oben herab, während es ganz profitlich im Hängesitz des Klettergerüsts in der Sonne lümmelt: "Jetzt geht es mir richtig gut!"
Geburtstagsmarathon
Nein, das ist keine olympische Disziplin, sondern der Zeitraum zwischen Januar und März bei uns im Kindergarten. Die Kerzen von einem Geburtstag sind noch kaum abgekühlt, da werden sie bereits zur nächsten Feier wieder angezündet. "Wie schön, dass du geboren bist!", schmettern wir ein- bis dreimal pro Woche und zum Glück haben wir die Geburtstagskronen schon auf Vorrat gebastelt, vor Silvester genügend Wunderkerzen eingekauft und die Geschenkekiste gut bestückt. Wir essen uns von Muffins zu Marmorkuchen und wieder zurück zu Muffins; es kommen ja auch wieder die "sieben mageren Jahre". Trotz der stets gleichen Zeremonie wechseln die Hauptpersonen auf dem Geburtstagsstuhl und jedes Mal strahlt ein anderes Augenpaar unter der goldenen Krone.
Geschichtsunterricht
Auch dieses Jahr steht bei den Vorschülern in der Emma-Stunde die Geschichte von Jim Knopf in der Nacherzählung der Augsburger Puppenkiste auf dem Programm. Der Kollege hegt Zweifel, ob die Kinder diese "alte Klamotte" überhaupt noch anziehend finden, aber es gelingt den liebenswerten Figuren am Faden einmal mehr, auch die nächste Generation der Emma-Kinder zu faszinieren. Und dabei beschwert sich kein einziges Kind, dass das Bild auf dem PC-Monitor so klein oder der Stuhl so unbequem ist, dass die DVD immer wieder angehalten wird, um über den Inhalt der Geschichte zu sprechen bzw. ihn von den Kindern in ihren eigenen Worten zusammenfassen zu lassen - oder, dass es kein Popcorn gibt. Es ist eben doch kein Kino, sondern ein Büro, in dem eine Art Geschichtsunterricht stattfindet: Die Geschichte von Lummerland, vom Helfen, von Unterschieden und Gemeinsamkeiten - voll Spannung und Humor.
Januar 2019
Gewatschel
"Ich bin ein kleiner Pinguin und heiße August Fridolin" - so beginnt das Lied, das der Kollege für den Morgenkreis ausgewählt hat. Fünf Kinder spielen dabei die Rolle der Pinguinfamilie und sollen zum Gesang der anderen im Kreis herumwatscheln. Etwas befremdet müssen wir feststellen, dass kein Kind den Pinguinwatschelgang beherrscht. Okay, dann zeigen wir es euch: Unser fünfköpfiges Team übernimmt - sehr zur Erheiterung der Kinder - die Darstellung der Pinguinfamilie. Zum Glück sind wir unter uns. Als die Kinder dann wieder an der Reihe sind, erweist sich der Lerneffekt gleich Null. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man annehmen, da stakst ein Storch mit einem Gefolge verscheuchter Hühner durch den Kreis. Da kann man schon ins Grübeln kommen. Wahrscheinlich haben wir Erwachsenen uns mit unserer Darbietung so überzeugend zum Affen, pardon, zum Pinguin gemacht, dass den Kindern Hören und Watscheln vergangen ist.
November 2018
Hindernislauf
Bei kaltem Wetter wollen wir in der Kronenstraße ein Kind besuchen. Schlusslicht unserer Karawane ist die Kollegin mit dem neuen Eingewöhnungskind im Wagen. Bereits in der Burgstraße ertönt der Ruf: "Achtung! Hundekacke!". Zum Glück schaut auch jemand auf den Weg. In der Plieninger Straße heißt es "Stop!", denn der Kollege hat einen Schuh gefunden. Er gehört einem Knöpfle-Kind weiter vorne, das einfach ohne ihn weitergelaufen ist. An der Lamm-Kreuzung müssen wir zweimal zügig über die Straße; zu zügig für ein Knopf-Kind, das durch die Baustelle gegenüber abgelenkt ist und deshalb gegen die Ampel läuft. Wir legen eine Zwangspause ein, bis alles wieder gut ist. Endlich auf dem Rückweg muss der Kollege ein Knöpfle tragen, weil die kurzen Beine müde sind. Zwei andere Kinder wollen eine Lücke in der Kolonne durch Rennen schließen, kommen sich dabei gegenseitig in die Quere und purzeln hin. Bei diesem Draußen-Tag wurde mal wieder fast kein Vorfall ausgelassen; fast - denn aufs Klo musste unterwegs diesmal niemand!
Oktober 2018
Männliche Vorbilder
Bei einer Fortbildung zum Thema "Geschlechtergemischte Teams" lautet eine These: "Männliche Mitarbeiter sind als Vorbilder für Jungen im Kindergarten wichtig." Schaut man sich aber unsere Jungs an, kommt man erste einmal zu einem anderen Schluss. Anstatt an unseren männlichen Kollegen orientieren sich diese nämlich an den großen Emma-Jungs. Unsere Emma-Jungs haben sich wiederum, wie sämtliche Generationen vor ihnen, an ihren Vorgängern ein Beispiel genommen. Was an diesen Vorbildern beeindruckt sind ihre Coolness, ihre Flegeleien, ihr kreatives Vokabular, sowie ihr Austesten der Regeln und der Geduld des pädagogischen Personals. Die männlichen Kollegen in unserem Team rangieren in der Vorbildliste unserer Jungs eher auf den hinteren Plätzen, irgendwo nach Bob der Baumeister, Feuerwehrmann Sam, den Ninjagos, Spiderman und seinen Superfreunden und wen es da sonst noch gibt.
September 2018
Sicherer Hafen
Im Lauf der Woche bekommen wir zwei neue Kinder, jedes etwa zwei Jahre alt. Beide waren zuvor schon zu Besuch gewesen, jetzt aber ist es ernst. Ganz am Anfang sind natürlich die begleitenden Eltern wichtig, quasi als "sicherer Hafen". Doch die Kleinen treibt die Neugier, um im Bild zu bleiben, hinaus aufs Meer. Die Aufmerksamkeit der Neulinge gilt den Spielangeboten, den Räumlichkeiten und den anderen Kindern. Das pädagogische Personal wird akzeptiert als Erwachsene, die einfach da sind und sich im Notfall kümmern. Die neue Lebenswelt wird eingehend beobachtet, erfasst und erlaufen. Immer einmal wieder findet sich ein älteres Kind, das eins der kleinen an die Hand nimmt und mit ihm spielt. Folgerichtig ziehen sich die Eltern immer mehr zurück und überlassen ihren Sprösslingen das Feld. Das fällt den Eltern sicherlich nicht immer leicht, aber es zeugt doch stets von einem großen Vertrauen in das Kind und in die, die ab sofort ein paar Stunden am Tag mit ihm verbringen.
Juli 2018
Juni 2018
Darf es ein Stück mehr sein?
Im Rahmen einer Studie der Uni Tübingen ist eine Studentin der Psychologie bei uns zu Besuch. Mit Elternzustimmung nimmt sie Kinder einzeln zu einem "Spiel" mit. Die Regeln sind einfach: Es gibt eine Minischokolade für jeden Teilnehmer, wenn er oder sie aber eine Weile warten kann, gibt es sogar drei. Eine Weile bedeutet in diesem Fall 25 Minuten. Wer vorher abbricht, der zieht mit einem Stück Schokolade ab. Eine Kamera läuft zur Dokumentation mit. Die Probanten sind gern dabei, manche benötigen aber zumindest anfangs noch etwas Rückendeckung von uns. Das Ergebnis lässt uns alle staunen, denn die Kinderreaktionen waren so nicht vorhersehbar: Ein Kind wollte nicht allein im Raum bleiben, während zwei Kinder die volle Zeit von Angesicht zu Angesicht mit den drei Stücken Schokolade geduldig absitzen und dafür belohnt werden. Die fünf restlichen Kinder geben jedoch gleich zu Anfang ihrer jeweiligen Spielrunde zu Protokoll: "Danke, aber ein Stück Schokolade reicht." Über die Bedeutung dieser für unsere Studentin doch verblüffenden Antwort können sich nun die Durchführer der Studie den Kopf zerbrechen.
Ernüchterung
Nach einer Traumwetterwoche im Garten folgt am Montag darauf die Ernüchterung: Es ist kühl und regnerisch. Wir sind fast den ganzen Vormittag drinnen, die Lautstärke ist nahezu unerträglich, jeder scheint jedem im Weg zu sein, die Konzentration im Morgenkreis reicht gerade mal fürs Begrüßungslied. Am Dienstag weht dann ein anderer Wind: Wer nicht mitmachen mag oder stört, verbringt kurzerhand die Zeit der Morgenrunde im Zimmer am Tisch. Dann können die Verbliebenen in Ruhe reden, zuhören, singen ... Im Freispiel nimmt ein Teil der Kinder dankbar und gern diverse Bastelangebote an, während der andere Teil fröhlich weiter lärmt und zankt. Entlastung gibt es, als die FSJ-lerin eine Horde der jüngeren Kinder beim Rumflitzen mit den Drinnenfahrzeugen im Flur beaufsichtigt. Richtige Ruhe kehrt aber erst ein, als es für alle in den Garten geht und die wilde Meute endlich wieder rennen, brüllen und toben kann. Dann kommt auch drinnen die Schultütenbastelei mit den Vorschülern endlich wieder ein Stückchen weiter.
Gartenwoche
Auf die Waldtage folgt eine Gartenwoche. Das Wetter ist bestens, zwei Kollegen fehlen (krank/Urlaub), ein Kind hat sich frei genommen, ein neues ist zur Eingewöhnung da. Unter der majestätischen Rotbuche findet der Morgenkreis statt, das Frühstück im Schatten des riesigen Nussbaums. Wir feiern sogar einen Freiluftgeburtstag. Sonst spielt sich vormittags alles um die "Ritterburg" ab. Beim Beobachten lassen sich die Kinder in verschiedene Typen einteilen: Beispielsweise ist für den "Haudegen" die Schaufel seine Waffe, der "Besitzer" hortet Sandspielzeug und will nichts her geben, der "Informant" berichtet über Handgreiflichkeiten Dritter, wobei diese aber völlig zufrieden spielen, der "Nerver" muss ständig andere beim Spielen stören und sich dazwischendrängen, der "Zufriedene" ist mit Schaufel und Eimer wunschlos glücklich, der "Verschwinder" verdrückt sich unbemerkt nach drinnen und wird meist nur zufällig entdeckt, der "Unsichtbare" rückt erst beim Abholen ins Bewusstsein, der "Bumerang" ist ständiger Begleiter der Erwachsenen und schneller wieder da, als man ihn fortschicken kann ...
Von Nackt- und anderen Schnecken
Die drei Tage vor Fronleichnam verbringen wir im Wald. Das Wetter ist bestens, die Kinderzahl wegen der Pfingstferien überschaubar. An allen Tagen wird gewandert. Dabei stoßen wir alle paar Meter auf Nacktschnecken: rote, braune, lebendige und tote. Die erste tote erfährt ganz besonders viel Aufmerksamkeit. Als uns gleich darauf ein Auto entgegenkommt, ruft ein Kind nach kurzem Nachdenken betroffen: "Oh nein! Jetzt muss die Schnecke noch einmal sterben!" und ein anderes ergänzt voll Mitgefühl: "Arme Schnecke!" Beim Quer-durch-den-Wald-gehen ertönt dann aus vielen Kinderkehlen: "Achtung, Schnecke!" - "Schneckenalarm!" Tümpel voller Kaulquappen und Ameisenhügel sorgen für Abwechslung. Einmal bildet die Schreiberin mit einer Gruppe Kinder und viel Abstand zum Hauptfeld die Nachhut des Trupps. Da werden sie von flotten, freundlichen Senioren mit Walkingstöcken überholt. Die Schreiberin blickt ihnen neidisch hinterher und versucht immer wieder - mit mäßigem Erfolg - ihre lahmen Schnecken anzutreiben.
Mai 2018
Lost and found - Vom Suchen und Finden
Es gibt Kinder, die lassen ihre Kleidungsstücke beim Ausziehen fallen, wie der Herbstbaum sein Laub, jeglichen Garderobenhaken ignorierend. Dann gibt es Kinder, die kommen generell ohne Hausschuhe aus der Puppenecke und haben keine Ahnung über ihren Verbleib. Andere bemerken beim Reinkommen aus dem Garten nicht einmal, dass ihre Jacke oder das Käppi fehlt. Suchende Eltern schauen sich beim Abholen hilflos-verzweifelt im Chaos der Garderobe um. Da kommt das pädagogische Suchpersonal zum Einsatz und spürt Gummistiefel in Matschhosenbeinen auf, Hausschuhe im Backofen der Puppenecke, gräbt Brillen aus dem Sand und angelt Mützen von Bäumen. Jedes Fundstück seinem Besitzer zuzuordnen ist das nächste Problem. Zum Glück gibt es Kinder, die sich auskennen, auch ohne eingenähtes Namensschild. Trotz allem bleiben immer einzelne Socken, abknöpfbare Kapuzen, Jacken und Mützen übrig, die einfach keinem gehören wollen.
Zwiebelwurst
"He, du Schniedelwutz!", tönt es aus der Bauecke. All unsere Versuche, die damit ausgebrochene Seuche im Keim zu ersticken, fruchten nicht: Ignorieren, Schimpfen, Nachfragen ("Weißt du eigentlich was das ist?" - "Das sagt mein Papa immer."), Verbieten ("Wenn du das zuhause sagen darfst, okay, aber im Kindi nicht!"), Erklären ("Andere Eltern wollen vielleicht nicht, dass ihre Kinder das sagen."), Ablenkung ("Was, du willst Zwiebelwurst?" - Gelächter), bis hin zu Resignation. Der, der des Deutschen noch nicht ganz mächtig ist, ruft vergnügt: "Schniewurz!" und hat die Grinser auf seiner Seite. Ein Blick in den Duden sorgt für etwas Entspannung: 'Schniedelwutz, der; Wortart: Substantiv maskulin; Gebrauch: umgangssprachlich scherzhaft; Häufigkeit: ein Balken von fünf (also selten); Bedeutung: Penis.' Vielleicht würden wir momentan alle fünf Balken geben, aber irgendwann ist auch die Zwiebelwurst gegessen.
Spenden und Fragen
Die Woche vor Muttertag ist voll kreativem Werkeln. Neben den ersten Bauteilen für die Schultüten entstehen individuelle Muttertagsherzen aus Mürbeteig; von der selbst hergestellten Schablone, anhand derer das Herz aus dem Teig ausgeschnitten wird, bis hin zur Zuckerzeugverzierung. Fast alle Zutaten sind – Dank einer Geldspende – aus dem Bioladen. Weil das Wetter so herrlich ist, findet das Geschehen überwiegend im Garten statt. Am Freitag bekommen wir eine weitere Spende, denn eine Ehemaligen-Familie trennt sich von ihrem Kunststoffspielhaus. Wie ein Schwarm Heuschrecken fallen unsere Kinder darüber her. Wie viele Kinder passen hinein, bevor es Tränen gibt? Eine rekordverdächtige Menge! Wie viele braucht es, um das Haus zu bewegen? Wenn von jeder Seite gleichzeitig geschoben wird, wird es schwierig. Wie oft lassen sich die Fensterläden auf und zu machen, ehe sie abfallen? Das hängt ganz von der aufgewandten Energie ab. Am Ende des Tages, beim Abholen, stellt sich dann noch eine Frage: Wie bekommt man ein Kind dazu sein Muttertagsherz, an das es sich mit Entschlossenheit festklammert, seiner Mama zu schenken?
Bitte recht freundlich!
Wenn im Kindi hübsch gekleidete und frisierte Mädchen, sowie Jungen mit gestylten Haaren und Hummeln im Hintern durch die Räume schwirren, ist mal wieder der Fotograf im Anmarsch. Der Vormittag ist streng getaktet, weshalb der Morgenkreis ausfällt. Dies löste bei einigen Kindern echtes Bedauern aus -- schau, schau! Im Freien entstehen die Gruppenfotos, wobei der Fotograf mit Engelsgeduld seine ästhetischen Anforderungen umsetzt. "Alle herschauen! Sagt mal 'Prinzessin Einhorn'!" Wie bitte? Ah, Mann geht mit der Zeit. Früher hieß das noch 'Ameisenscheiße' oder noch früher 'Spaghetti'. Mal sehen, was im nächsten Jahr verlangt wird. Unser Künstler bläst zudem noch auf der Mundharmonika, das zieht die Blicke an. Ob sich die Mühe gelohnt hat, wird sich zeigen. Unser pädagogisches Personal ist ein gut eingespieltes Team mit viel Fotografenerfahrung, aber nach dem letzten Klick gibt es ein kollektives Aufatmen.
April 2018
Postspaziergang
Die Platzzusagen für den Nachwuchs 2018/2019 dürfen losgeschickt werden. Um aber in alter Schwabenmanier Porto zu sparen, sollen die Briefe bei einem Spaziergang eingeworfen werden. Blöd nur, dass auch noch Spielzeugtag ist und sich nur zwei Molly-Mädchen zum Spazieren bereit finden. Angesichts des Stresses, den der Kollege und die FSJ-lerin in der Zwischenzeit mit den übrigen 18 Kindern haben, fällt es der Schreiberin im Nachhinein nicht ganz leicht, den Spaß zu beschreiben, den dieser Postgang bis in die Karlsruher Straße macht: Kein Händehalten beim Gehen, Balancieren nach Herzenslust, Plauschen mit Hühnern, Schnuppern an tausend Blüten; jeder Spielplatz auf dem Weg, jede Kinderwagenrampe, jedes Bauloch, jede Baustolle wird mitgenommen, es wird erzählt, gelacht -- und natürlich Post eingeworfen. Auf dem Rückweg begegnen wir auch noch einigen Ehemaligen, die Schulschluss haben und verplaudern uns. Liebe Kollegen, danke, dass dies möglich war; beim nächsten Mal seid ihr an der Reihe.
Maltherapie
Nach der Chagall-Ausstellung starten wir den zweiten "Versuchsballon Kunst" und haben eine Maltrainerin eingeladen. Interessierte Kinder werden in den sorgsamen Umgang mit Pinseln eingeführt, lernen den richtigen Gebrauch von Wasserfarben und können neben dem Malen auf glattem Papier auch das Farb- und Pinserlverhalten auf einer Raufasertapete ausprobieren. Der Lieblingsfinger darf außerdem zum Malen verwendet werden, wobei ein Kind sich für keinen seiner zehn Finger entscheiden kann und kurzerhand einfach alle nimmt - mit großem Vergnügen. Ein anderes Kind, das sich sonst immer leicht ablenken lässt, entwickelt plötzlich eine erstaunliche Hingabe und ist vom Malgrund Tapete völlig fasziniert. Dass Malen Gedanken freisetzt, beweist ein weiteres Kind, indem es uns u. a. in ein Gespräch über Planeten und Sternenstaub verwickelt. Es gibt aber auch das Kind, das nach einer Weile den Pinsel weglegt und sagt: "Ich hab jetzt genug gemalt, ich bin fertig."
Malbücher
Vor längerer Zeit schon bekamen wir einen großen Stapel A4-Notizbücher geschenkt. Sie fanden aber erst kürzlich ihren Einsatz, als die Menge der unvollendeten und namenlosen Mal- und Ausmalblätter nicht mehr auszuhalten war. Seither hat jedes Kind sein eigenes Malbuch mit individuell gestaltetem Namensaufkleber. Wer nun malen möchte, der hat dafür sein Buch. Inzwischen sind manche davon schon fast voll, andere noch ziemlich leer. Es findet sich oft viel Kritzel-Kratzel, aber auch so manches Kunstwerk: vom Panzerfahrzeug, über lustige Männchen und das klassische Blumenwiesen-Bild, bis hin zum ICE, für den sogar angebaut werden musste, damit er ins Buch passt. Manche Kinder schneiden oder kleben im Buch. Der neuste Schrei, wenn die Sehnsucht nach einem Ausmalbild groß ist: Wir pausen das Wunschmotiv auf eine Buchseite. Nun geht nichts mehr verloren, alles bleibt beisammen und alle wissen was wem gehört; vorausgesetzt, jeder malt brav in sein eigenes Buch.
März 2018
Hosianna
Die Schreiberin ist gerade dabei, anhand der Bilder von Kees de Kort, die Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem mit acht Knopf-Kindern zu erarbeiten. Am Ende ruft eins voll Feuereifer: "Können wir die Geschichte spielen?!" Klar, situationsorientierter Ansatz, denkt die pädagogische Fachkraft. Als dann aber die anderen Kinder begeistert einstimmen: "Ich bin der Vater!" - "Ich bin die Mutter!" - "Ich bin die Prinzessin!", muss erst noch einmal geklärt werden, welche Personen überhaupt mitspielen. Die Requisiten werden spontan erkoren und bald darauf darf jedes Kind einmal Jesus sein und erleben, wie es sich angefühlt haben mag, vom Volk bejubelt zu werden. Als dann eins nach dem anderen auf einem der Plastikmotorräder über eine Isomatte durch das Spalier fährt, das wir anderen bilden, während wir mit den Museumspantoffeln schwenkend: "Willkommen, wir freuen uns, dass du da bist!" rufen, merkt man am seligen Lächeln der Kinder, dass diese Aktion wohl doch zu irgend etwas gut sein muss.
Wahlfreiheit
Den Vorschlag einer Mutter aufgreifend, fahren wir mit 13 Kindern (den Emmas und ein paar interessierten Mollys) zu einer Chagall-Ausstellung ins Christusforum Leinfelden: ein Experiment. Fast alle von uns bekommen eine kindgerechte Einführung in die ausgestellten Bilder des Künstlers, die dann auch noch in Ruhe betrachtet werden können. Die Schreiberin und zwei desinteressierte und mit wenig Sitzfleisch ausgestattete Kinder verbringen die meiste Zeit jedoch damit, das Foyer zu erkunden; der Hausherr leistet dabei tatkräftig, stets freundlich und geduldig Unterstützung. Mit ein paar grauen Haaren mehr, dem Eindruck großer Gast- und Kinderfreundlichkeit, Chagall-Postkarten und Ausmalbilder im Gepäck, sowie zwei aufgeschlagenen Knien kehren wir ins Lummerland zurück. Es gibt so manches zu bedenken: Qualifiziert allein das Alter ein Kind zum Mitgehen? Was, wenn ein Emma-Kind kein Interesse signalisiert? Sollte jedes Kind selbst entscheiden dürfen, ob es mitgehen möchte oder nicht?
Platz für Neues
Im Büro harrt schon eine gefühlte Ewigkeit lang ein papiergefüllter Karton auf seine Entsorgung. Gerade gibt es etwas Luft und die Schreiberin trägt eine prall gefüllte Tüte hinüber zum Pfarramt, wo der Reißwolf in einer ruhigen Ecke auf das Futter wartet: dicke Stapel alter Kinderakten. Diese Aufgabe hätte man auch der FSJlerin übertragen können, aber die Schreiberin ist froh, dass sie sie selbst in Angriff genommen hat. Mit jedem Namen taucht das Bild eines Kindes auf und Erinnerungen werden blitzlichtartig lebendig. Fast vergessene Kinder tauchen wieder auf, manchen begegnet man noch gelegentlich, manche kommen als Praktikanten für ein paar Tage in die Einrichtung zurück. Es ist schön, diese kleinen nostalgischen Momente zu erleben und Blatt für Blatt von jedem Kind nochmals in Ruhe Abschied zu nehmen. Das mahlende Geräusch der Maschine setzt dann den Schlusspunkt.
Eisiger Wind
Montag und Dienstag bleiben wir drin, nur ein paar Emma-Kinder trotzen im Garten gut eingemummelt der Eiseskälte. Am Mittwoch können alle wählen: eine Weile raus oder nicht. Am Draußen-Donnerstag ist Rausgehen obligatorisch, was bei ein paar Kindern sofort zur Revolte führt. Laufen um des Laufens willen ist nicht mehr populär. Während also die einen schon angezogen in voller Montur schwitzen, haben die Aufrührer noch nicht einmal Anstalten gemacht, ihre Hausschuhe auszuziehen. Da bedarf es einer lautstarken und deutlichen Ansage wo der Weg langgeht. Als dann endlich alle zwei und zwei abmarschbereit am Gartentor stehen, kühlt der eisige Wind die Mütchen schnell wieder ab. Auf unserem Rundgang um den Block begegnen wir einem schief stehenden Schneemann, erspähen unter Sträuchern vor der Kirche einen lila Krokus und in der Pfarrerwette eine Eisschicht rund um die Fontäne. Bevor unsere Gesichtszüge aber gänzlich erstarren, gehen wir schnell zum Auftauen in den Kindergarten zurück.
Februar 2018
Mehrheitswillen
Es ist mal wieder Donnerstag und somit Draußen-Tag. Der Ostwind weht eisig kalt. Zwei Kollegen sind die ganze Woche krank, auch einige Kinder fehlen und mancher, der da ist, ist angeschlagen. Da kommt die Beschwerde eines Emma-Kindes im Morgenkreis gerade recht: Es vermisst den Spielestuhlkreis; der wurde zu Gunsten des Morgenkreises gestrichen und findet nur noch mit den jüngeren Kindern beim Jahrgangstreffen statt. Der Wunsch des Vorschülers findet nicht nur bei seinen Altersgenossen Anklang, sondern wird von der Mehrheit aller geteilt. Da fällt es uns, besonders angesichts der Außentemperaturen, nicht schwer, den Willen der Kinder anzunehmen. Nach dem Freispiel findet dann der ersehnte Spielestuhlkreis statt. "Hilfe, ich bin in den Brunnen gefallen!", "Mein rechter Platz ist leer", Pitsch, patsch, Pinguin", "Bello, dein Knochen ist weg", "Drache Franz" oder "Schuhsalat", die Kinder haben durchweg Spaß und jeder möchte mal an die Reihe kommen. Irgendwann ist aber Schluss und es geht doch noch eine Weile in den Garten.
Spielverderber
Faschingsdienstag ist Verkleidungstag und ausgelassen toben die Kinder durch unsere Räume. Schaudernd verschanzt sich die Schreiberin hinter einem Berg Arbeit im Büro, gedämpfte Musik ans Ohr dringend. Zum Glück schmeißen Kollegen, Praktikantinnen und die FSJlerin draußen die Party. Nur zweimal verlässt der Faschingsmuffel seine Trutzburg; einmal als Modefotografin im Morgenkreis, um all die Elsas und Feuerwehrmänner abzulichten und einmal nachmittags nach einem Elterngespräch zum Beinevertreten. Prompt wird sie von einer tüllberockten Prinzessin ins Getümmel gezogen: Spiel und Tanz und Konfettiregen. Da gibt es kein Entkommen. Es bleibt nichts anderes übrig, als zu den Partyklängen das Tanzbein zu schwingen und sich mit Fäusten voll Konfetti gegen ebensolche Angriffe zu wehren. Als am Abend noch bunte Papierstückchen aus der Kleidung rieseln, war es im Nachhinein doch nicht so schlimm. Trotzdem gut, dass nun wieder für ein Jahr Ruhe ist.
Autoparadies
Zwei Kinder einer unserer Familien haben sich von dutzenden Matchboxautos getrennt und dem Kindergarten geschenkt. Umringt von begeisterten Kindern, die sich schon ihre Lieblingsfahrzeuge ausgucken, kennzeichnet der Kollege die Autos mit einem Lackstift. Während wir noch überlegen, wo und wie wir sie aufbewahren und an die Kinder weitergeben, hat der andere Kollege eine Idee und bringt den großen Setzkasten, der zum Sortieren von Perlen gedacht, aber kaum benutzt wurde. Den nageln wir kurzentschlossen in der Bauecke an die Wand - nicht zu hoch und nicht zu tief - und bestücken ihn mit den neuen Autos. Mit begehrlichen Blicken versammeln sich die Kinder unter dem Autoparadies und dann darf sich jedes eines zum Spielen aussuchen. Manches Kind begnügt sich damit, sein kleines Lieblingsauto glücklich in den Händen zu halten.
Nobody's perfect
Immer mittwochs treffen sich die Kinder in den Jahrgangsstufen um etwas gemeinsam zu tun. Die Jüngeren, die Knopf- und Knöpfle-Kinder, sind dabei in einer Gruppe zusammengefasst. Wir treffen uns zum Sitzkreis im großen Flur. In der Mitte liegt auf dem Boden ein Plakat, auf dem nur der Umriss eines unserer Kinder zu sehen ist. Da gibt es viel Arbeit, es fehlt ja eine ganze Menge: Ein Kind malt die Augen, ein anderes den Mund usw. Natürlich wird erst mal nachgezählt wie viele Exemplare wir von jedem Teil haben und geklärt, wozu es jeweils gut ist. Das Aussehen wird beim Nachbarn genau ermittelt und dann - zumindest farblich mehr oder weniger passend - in den Umriss eingezeichnet. Am Ende sieht unser Umriss-Kind sehr originell aus, ein Auge ist etwas größer als das andere und befindet sich in unmittelbarer Nähe zum daneben schwebenden Ohr, aber wer ist schon perfekt?
Januar 2018
Toilettenbesuch
Es gibt nichts besseres als Draußen-Wetter am Draußen-Tag. Über 30 Kinder und sieben Erwachsene machen sich auf zu einem Hausbesuch im Gebiet Lehmgrubenweg. Da wir schon in der Nähe sind, wollen wir uns den Kindergarten Aicher-/Layhweg anschauen – von außen versteht sich. So ist der Plan. Aber mit Kindern läuft es meist nicht nach Plan. Ein erstes muss nämlich dringend austreten und ein zweites schließt sich sogleich an, obwohl beide vor dem Losgehen auf der Toilette waren! Nun sind die zwei leider keine Freiluftpinkler und verlangen nachdrücklich nach einer Toilette. Also im Eilschritt zum Pavillon Aicher-/Layhweg, wo zufällig eine freundliche Kollegin am Fenster ist und uns, nach dem Vorbringen unseres Anliegens, wie selbstverständlich hereinbittet. So sehen immerhin vier von uns die Krippe (besonders die Sanitäranlagen) von innen und staunen: Außen Container, innen urgemütlich und alle sind sehr herzlich und nett. Nach der Pinkelpause umrunden wir dann doch noch gemeinsam das große Gelände von Krippe und Kinderhaus, bestaunen Gebäude und Außenanlagen und machen uns dann wieder auf den Heimweg. Es gibt da noch weitere Kindergärten in Echterdingen, die wir uns an einem Draußen-Tag ansehen gehen könnten.
Überraschungsbesuch
Wie aus vorherigen Berichten bekannt, hat das Büro eine fast magische Anziehungskraft auf unsere Kinder. Immer wieder verirrt sich eins von ihnen dorthin oder sucht gezielt den interessanten und in der Regel ruhigen Raum auf. Die Tür steht meistens offen. An einem Vormittag der vergangenen Woche sitzt die Schreiberin in selbigem Büro am Bildschirm, völlig versunken in eine Arbeit. Am Rande nimmt sie leise Kinderstimmen wahr, hört Schritte, bleibt aber der Aufgabe zugewandt. Bis sie dann doch aufsieht und an der Tür eine grinsende Truppe Kinder erblickt. "Ihr seht aus, als wolltet ihr etwas vorsingen." Die Kinder schauen sich an und eines bestimmt: "Wir singen ein Geburtstagslied." Auch wenn niemand von uns an diesem Tag Geburtstag hat, erklingt aus vollen Kehlen "Zum Geburtstag viel Glück". Als der letzte Ton verhallt ist, macht der ganze Chor kehrt und zieht wieder ab. Leise schließt sich die Tür. Schmunzelnd kehrt die Schreiberin wieder an ihre Arbeit zurück.
Paradiesische Zustände
Als unser Kindergarten am 4. Januar wieder seine Pforten öffnet, dauert es eine ganze Weile, bis die ersten Kinder eintrudeln. Drei Praktikantinnen, die die beiden letzten Tage ihrer Schulferien bei uns im Kindergarten verbringen, sind hingegen gleich voll im Einsatz und basteln schon mal die Geburtstagskronen für die nächsten zehn Geburtstagskinder. Schließlich gibt es einen gemütlichen kleinen Morgensitzkreis auf dem Bauteppich und eine überschaubare, aber sehr familiäre Frühstückstafel. Auf einen Erwachsenen kommen zwei Kinder - ein einmaliger Betreuungsschlüssel! Vieles was bisher liegen geblieben ist kann nun aufgearbeitet werden. Zwei Tage halten diese paradiesischen Zustände an, dann sind die Schulferien zu Ende und mit dem Montag beginnt dann wieder der ganz "normale" Wahnsinn.
Dezember 2017
Stille Zeit, heilige Zeit
Schon das ganze Jahr freuen wir uns auf die Adventsfreitage, genauer gesagt auf die Zeit von 7.00 Uhr bis ca. 9.45 Uhr: das Adventsflüstern. Wenn dann die Kinder in der Früh gebracht werden, begrüßt sie der Schein vieler Kerzen der aus den selbstbeklebten Gläsern leuchtet und ein geflüstertes "Guten Morgen". Jeder Neuankömmling wird von dieser ganz besonderen, feierlichen Stimmung angesteckt. Manchmal muss man sich in Erinnerung rufen, dass tatsächlich Kinder da sind, denn das gedämpfte Gemurmel wechselt sich mit Phasen fast völliger Stille ab. Erst nach dem Frühstück, wenn die Kerzen ausgepustet sind, beginnt wieder der "normale" Betrieb. Diesen Freitag wird es aber noch einmal ganz leise, wenn wir im Stuhlkreis den ersten Teil der Weihnachtsgeschichte mit Figuren nachspielen und miterleben.
Bitte und Danke
Am 6. Dezember trafen sich Kinder, Familien und Team vom Lummerland zum Adventsnachmittag. Die selbstbeklebten Leuchtgläser verbreiteten überall heimelige Stimmung und auf dem Büfett reihte sich Köstlichkeit an Köstlichkeit. Den musikalischen Rahmen lieferten die Kinder, schließlich hatten wir ja zur Genüge geübt. Kaum war der letzte Ton von "Lasst uns froh und munter sein" verklungen, kam völlig überraschend ein schwäbischer Nikolaus vorbei. Schnaufend ließ er sich zwischen den Kindern nieder und begann seinen Sack zu leeren. "Wia hoißed dia zwoi wichdigschde Wörder?", wollte er von den Kindern wissen und ließ keines mit seinem Geschenk ziehen, bevor es nicht "Danke" gesagt hatte. Ein Kind brachte nur ein ehrfürchtiges "Bitte" über die Lippen und bei einem anderen Kind entfuhr es dem Nikolaus: "Du bisch aber a nedds Gnöpfle", als hätte er gewusst, dass da ein Knöpfle-Kind vor ihm stand. Beim Hinausgehen gab dann der Mann im Mantel auch den Eltern noch das eine oder andere (schwäbische) Wort mit.
Pragmatisch
Wir sind im Garten und es beginnt zu regnen. Ein Molly-Kind schleppt ganz allein eine Holzspielbank ins Trockene. Die Schreiberin sagt bewundernd: "Du bist ja eine echte Superfrau!" Energisch aber wortlos stellt das Kind die Bank, die länger ist als es selber, am Haus ab. Dann sagt es im Weggehen beiläufig und stellvertretend für alle anderen Helfer: "Wir tun nur unsere Pflicht." Genauso pragmatisch lautet die Ansage desselben Kindes an ein anderes Molly-Kind, das mal wieder halb angezogen und betont hilflos in der Garderobe herumsteht. Es reicht ihm den Träger der Schneehose über die Schulter und meint: "Nun stell dich nicht so an!"
Hier nun noch einen herzlichen Dank an eine Spenderin: Wir haben den Geldbetrag postwendend in altersgerechte, ansprechende Kinderliteratur eingetauscht, diese eingebunden und mit einem Spendenvermerk versehen. Kommende Woche beginnen wir dann mit dem Vorlesen.
November 2017
Advent, Advent, die Zeit, die rennt
und im Kindergarten laufen die Vorbereitungen auf die heimeligste Zeit im Jahr auf Hochtouren (kaum dass die Laternen im Keller verstaut sind). Für die Beleuchtung beim Adventsflüstern tauchen Groß und Klein mal mehr, mal weniger Finger in den Kleister, um leere Gläser mit Transparentpapierschnipseln nach eigener Farbwahl zu bekleben. Sie sollen dann an den Aventsfreitagen morgens gemütliche Flüsterstimmung erzeugen. Im Morgenkreis sprechen wir über die wichtigsten Stationen auf dem Weg zu Weihnachten und kramen die teilweise noch bekannten Lieder und Verse hervor. Eine Nikolauslegende darf natürlich auch nicht fehlen und beim Draußen-Tag muss der Weg am großen, begrünten Leiterwagen neben der Stephanuskirche vorbeiführen, denn genau dessen Speichenräder sind es, die wir bei der Geschichte von der Entstehung des Adventskranzes wiedersehen werden.
Missverständnis
Ein Emma-Junge ist gerade am Bauen eines Gebäudekomplexes aus Magnetformen. Da soll er aber schnell noch etwas aufräumen gehen, mit dem er zuvor gespielt hat. Kaum hat er mit Aufräumen angefangen, wird sein Magnetmonument von einem Knopf-Jungen zerstört. Der Emma-Junge beginnt herzzerreißend zu schluchzen und ist völlig aufgelöst. Das Knopf-Kind sitzt mit großen Augen neben dem traurigen Berg seiner Zerstörung und ihm dämmert, dass es wohl etwas falsch gemacht haben muss. Während der große Junge in einer Umarmung Trost findet, beginnt nun seinerseits das Knopf-Kind zu weinen. Es hat das "Aufräumen" auf sich bezogen, denn erstens steht "Aufräumen" ziemlich weit oben in seinem noch sehr begrenzten Wortschatz und zweitens ist Aufräumen doch eine Leidenschaft von ihm. Es dauert noch eine ganze Weile, bis sich die Wogen geglättet haben und das Missverständnis geklärt ist. Auch das ist Lernen im Kindergarten.
Laternenhimmel
Vor unserem Laternenlauf am 6. November beschäftigen uns nur noch zwei Dinge: Laternen basteln und Laternenlieder singen. Die Emma-Kinder haben sich eine bunte Eule ausgesucht und basteln diese selber. Die anderen Kinder haben die Wahl zwischen einer einfachen Eule und einem Schaf, wobei letzteres die meisten Herzen erobert. An zwei Nachmittagen gibt es dann Eltern-Kind-Laternenbasteln. Eine Mutter ist etwas enttäuscht, als sich ihr Kind spontan vom süßen Schaf zur Eulenlaterne umentscheidet. Als sie dann aber ruckzuck mit Basteln fertig sind und die Laterne sogar gleich mit nach Hause nehmen können, während die Schafbastler noch mit Kleisterhänden Lage um Lage Transparentpapier um einen Ballon kleben und der Rohling anschließend auch noch trocknen muss, hat der Wechsel durchaus etwas für sich. Am Ende aller Basteleien hängt unser Garderobenhimmel voller Laternen und wir stehen im Morgenkreis darunter und singen - Laternenlieder.
Oktober 2017
Klo-to-go
Beim Draußen-Tag steht der Besuch bei einer gerade mal knapp 600 m entfernt wohnenden Familie an. Keine große Affäre, oder? Schon nach 250 m weint ein Kind, weil es mal muss. Die Kollegin wohnt zum Glück auf dem Weg weitere 250 m weiter, so dass dem Kind geholfen werden kann. Am Ziel angelangt machen wir Fotos und halten ein Schwätzchen mit der Mutter. Zum Glück ist diese daheim, denn ein anderes Kind verspürt ein Bedürfnis und der Kollege kommt auf diese Weise zu einer partiellen Hausführung. Wen wundert es, als bei der Hälfte des Heimwegs ein drittes Kind die Beine zusammenklemmt, sich aber glücklicherweise mit dem Hinweis "Wir sind gleich im Kindi" zufrieden gibt. Kaum gesagt, bleit ein viertes Kind mit unglücklichem Gesicht stehen, bei ihm ist leider schon alles zu spät. Zukünftig brauchen wir wohl vor dem Losmarschieren noch strengere Klokontrollen. Denkbar wäre auch ein Campingklo auf Rollen zum Mitführen oder - das wäre sowieso das Beste - an jedem zweiten Haus ein "Pinkel-Insel"-Schild.
Zwischen den Wochenenden
Am Montag sind die meisten Kinder noch ziemlich aufgedreht vom Wochenende und müssen sich erst einmal im Kindergarten wieder einjustieren. Am Dienstag geht es dann schon etwas ruhiger zu. Die Emma-Kinder machen ihren Gartenführerschein fertig und dürfen sich allein im Garten bewähren. Auch ihre Laternen fangen sie zu basteln an. Am Mittwoch ist Molly- und Emma-Stunde und den Rest der Woche treibt es uns raus ins schöne Herbstwetter: Donnerstag stapfen wir durch das trockene Laub zum Haus eines unserer neuen Kinder und Freitag kontrollieren wir, wie jedes Jahr, ob die gewohnten Krautfestbuden, -zelte und -bühnen an Ort und Stelle und die Öfen im Backhaus schon angefeuert sind, wie weit der Aufbau des Karussells gediehen ist und wie es am Platz des Kindergartenstandes aussieht. Alles okay, das Wochenende kann kommen.
Zukunftsinvestition
Eltern kommen täglich in den Kindergarten, um ihre Kinder zu bringen und wieder abzuholen. Aber auch sonst verbringen sie viel Zeit im und mit dem Kindergarten: bei Elternabenden, Aktionstagen, Bastelnachmittagen, Entwicklungsgesprächen, beim Elterncafé, Krautfeststand, Sommerfest, Laternenlauf, Gottesdienst und, und, und ... Dass diese Zeit eine gute Investition in die Zukunft ist, bringt ein Vater am Elternabend auf den Punkt; er weist darauf hin, wie wichtig es ist, den Kindern Freude an der Gemeinschaft und am gemeinsamen Tun vorzuleben, sowie - das soll an dieser Stelle noch hinzugefügt werden - im Gespräch und Austausch miteinander zu bleiben. Wie schön, dass sich am Samstag viele Väter und Kinder zum gemeinsamen Kürbisschnitzen im Kindergarten getroffen haben!
September 2017
Ein typischer Vormittag im Garten
Eben hat man einem Kind ein Pflaster über die Wunde am Finger geklebt, kommt ein anderes und beschwert sich. Nach schwieriger Ermittlungsarbeit kann man folgenden Sachverhalt erahnen: Drei streiten sich um eine Schaufel, jeder hatte sie zuerst und keiner will verzichten. Dass am Tatort genügend herrenlose Schaufeln für alle herumliegen, haben die Zankenden gar nicht bemerkt. Endlich hat jedes Kind seine eigene Schaufel, da wird bereits die nächste Klage an einen herangetragen: "Die hat mir weh getan und mit Sand geworfen!" Eine Zeugin erklärt unter vier Augen: "Die haben sich gegenseitig geärgert." Wer hätte das geahnt?! Die Sandwerferin wird ermahnt, die andere gefragt, was sie denn zum Streit beigetragen habe. "Nichts", versichert sie mit treuherzigem Augenaufschlag. Dabei muss man es diesmal belassen, denn es steht schon ein weiteres Kind mit blutendem Knie an und will - was wohl? - ein Pflaster.
Herbstluft
In dieser Woche drehen wir zum ersten Mal im Gruppenraum die Heizung auf. Trotzdem muss die Frage nach der Jahreszeit im Morgenkreis bis zum Freitag mit „Sommer“ beantwortet werden. Am Donnerstag, dem Draußen-Tag, machen wir uns dann schon mal auf die Suche nach dem Herbst. Dazu führt uns der Weg durch die Siedlung. In den Gärten blühen Astern und Dahlien, teilweise färbt sich bei manchen Büschen und Bäumen schon das Laub, es leuchten rote, orange und schwarze Beeren. In der Stille des Friedhofs wandern wir zwischen den Gräbern hindurch und das Gespräch eines Kindes mit der Kollegin dreht sich um Trauer und Tod. Das Mädchen fragt: „Du, wenn die toten Menschen begraben und unter der Erde sind, wachsen die dann wieder?“ Am Freitag im Morgenkreis ist dann endlich offiziell Herbst und auf einem Teller liegen Äpfel, Maiskolben, Beeren und bunte Blätter in der Mitte. Draußen strahlt die Sonne und wir lassen uns nicht lange bitten, sondern gehen in den Garten und spielen in der milden Herbstluft.
Neu sortieren
Die erste Woche im neuen Kindergartenjahr ist zu Ende. Eine neue alte Kollegin wurde im Team begrüßt, zwei neue Kinder eingewöhnt, drei Geburtstage gefeiert, die Möbel in beiden Räumen neu arrangiert, die neuen Emma-Kinder waren bei der Einschulungsfeier ihrer Vorgänger in der Zehntscheuer dabei und es wurde ein Ausflug zum Zeppelinstein gemacht – all das hat in diese erste Woche hineingepasst. Und so ähnlich geht es weiter. In den nächsten beiden Wochen werden wir noch zwei weitere neue Kinder bekommen, der Elternabend steht an, die Turnkooperation mit dem TVE beginnt wieder, eine FSJ wird zum Team stoßen, Idee und Pläne wollen bedacht und umgesetzt werden …, typisch Kindergarten eben, niemals Langeweile oder Eintönigkeit.
Juli 2017
Bild dir deine Meinung
In letzter Zeit wird von Kindern immer wieder über den Morgenkreis gemosert. Nun nutzen wir diesen, um uns ein Meinungsbild einzuholen. Wer mag, darf sich auf den roten Stuhl setzen und seinen Unmut kundtun. Das Angebot wird nur mäßig in Anspruch genommen, die Beiträge beziehen sich meist nicht auf das Thema und die schweigende Mehrheit möchte wohl einfach nur endlich frühstücken und danach spielen gehen. Möglicherweise ist diese Art der Befragung aber auch eine Überforderung, vielleicht haben manche auch noch keine eigene Meinung oder der Rahmen behagt nicht. Später, in kleinen persönlichen Gesprächen stellt sich dann heraus, dass es einige Kinder anstrengend finden, zehn bis fünfzehn Minuten der Schwerkraft zu trotzen; sie würden lieber sitzen, wie im "alten" Stuhlkreis, anstatt zu stehen. Kurz wird abgewogen: Kann man den Kindern das Stehen zumuten oder ist es eine Zumutung? Nachdem aber die Mehrheit der Kinder, vor allem auch viele jüngere, mit dem Stehen kein Problem hat und Stühle keine Option sind, begrenzen wir einfach die Morgenkreiszeit auf zehn Minuten und bauen viel Bewegungselemente ein. An der Meinungbildfindung müssen wir aber noch arbeiten.
Wir sind Helden
Fünf Kandidaten sind mit Sack und Pack zur großen Mutprobe angetreten. 'Wach bleiben bis um zwölf' lautet das anvisierte Ziel. Die beiden pädagogischen Fachkräfte geben sich alle Mühe, die Schar aufgescheuchter Hühner müde zu machen: spielen im Garten, Abendessen einkaufen und verputzen, unter der Führung von Herrn Lauxmann auf den Kirchturm steigen, für einen Nachtisch zur Eisdiele und wieder zurück laufen, den Wasserwirbel vor der Sparkasse ankurbeln, im großen Kindiflur ein Fußballmatch austragen ... Um halb elf ist trotz Protest Zapfenstreich mit Katzenwäsche und Schlafsackkriechen. Es folgt eine kurze aber intensive Phase kollektiven überdrehten Unsinns, doch dann schaffen es ein paar Kapitel aus einem Vorlesebuch die angehenden Helden in Morpheus Arme zu treiben. Die beiden pädagogischen Fachkräfte sinken ebenfalls auf die Matten und die Schreiberin hat passenderweise einen (Alb-)Traum vom Übernachten im Kindergarten. Am Morgen kann man dann von den verschlafenen Gesichtern genau ablesen, wie den Kindern dämmert: Wir haben es geschafft! Wir sind Helden!
Juni 2017
Im Garten
In den letzten Wochen verbringen wir die meiste Zeit im Garten, es ist auch zu schön draußen. Der große Nussbaum spendet wohltuenden Schatten, in dem an einem Tisch Schultüten gebastelt und die letzten Webrahmen fertiggestellt werden. Die scheidenden Emma-Kinder haben alle Hände voll zu tun, denn die zukünftigen Emma-Kinder stehen schon in den Startlöchern, in der einen Hand ein Webschiffchen, in der anderen ein Wollknäuel: fliegender Wechsel. Und die anderen Kinder? Sie stehen wie üblich Schlange an der Schaukel, spielen Fußball, schieben Schubkarren durch den Garten oder versuchen irgendwo eine Schaufel zu ergattern. Bei allem Gewusel übersieht man fast ein Knopf-Kind, das einfach nur im Sandkasten sitzt, Eimer vor sich, Sandschippe in der Hand und das unermüdlich, hingebungsvoll und völlig zufrieden Sand hin und her schaufelt. Immer wieder kehrt der Blick der pädagogischen Fachkraft zu diesem Kind zurück. Es lässt sich von nichts und niemandem aus der Ruhe bringen, ist ganz in seine Tätigkeit versunken. Beneidenswert! Etwas später lässt sich beobachten, wie besagtes Knopf-Kind den Eimer zum Sitz umfunktioniert hat und sich einen Spaß daraus macht, immer und immer wieder mit zufriedenem Lächeln rittlings vom Eimer in den Sand zu kippen. Als ihr Blick sich mit dem der pädagogischen Fachkraft kreuzt, wird das Lächeln zu einem Grinsen. Oh, selige Kinderzeit!
Ein kleines Stück Zuhause
Nun ist das Sommerfest auch schon wieder Geschichte. Schön wars: perfektes Wetter, köstliches Büfett, bestens gelaunte Menschen, erfolgreiches Bühnenprogramm. Die Vorschüler haben den Sprung in die Schule gewagt und die übrigen Kinder sind in die jeweils nächste Jahrgangsstufe gekrabbelt. Stolz wie Bolle tragen sie die entsprechenden Symbolanhänger auf der Brust. Nur ein paar Emma-Kinder maulen mal wieder: "Und was kriegen wir? Das ist ungerecht!" An ihre coolen, selbstgebastelten Schultüten denken sie in diesem Moment nicht. Die Eltern der scheidenden Vorschüler überreichen dem pädagogischen Personal ein höchst originelles Geschenk: ein Memory mit Fotos ihrer Kinder und eine Packung einzeln in liebevoll gebastelte und beschriftete Banderolen gepackte Schokostäbchen. "Merci für ..." steht da und dann wird so manches aufgezählt. Besonders warm ums Herz wird uns bei "... Unterstützung beim Größerwerden", "... miteinander lachen", "... in den Arm nehmen" oder "... ein kleines Stück Zuhause".
Mitbestimmung
In der Emma-Stunde soll mit den Vorschülern - im Zuge der Partizipation - ein kleines Märchen zu einem einfachen Theaterstück umgearbeitet werden. Dieses soll dann am Sommerfest zur Aufführung kommen. So ist jedenfalls der Plan. Die Geschichte mit ihren wiederkehrenden Motiven ist manchen Kindern schon bekannt. Umso besser, denkt die Schreiberin; es stellt sich aber dann als ziemlich zähe Sache heraus, den Kindern Ideen zur Umsetzung zu entlocken. Stattdessen wird gegackert und geblödelt, etwas Verwertbares für das Theaterstück ist aber nicht dabei. Nach einer Weile, die sich wie eine Ewigkeit anfühlt, wendet sich ein Emma-Kind mit klarer Ansage an die Pädagogische Fachkraft: "Warum denkst du dir das nicht alles selber aus, schreibst das auf und sagst uns dann, was wir sagen sollen?!" Dieser gute Rat wird beherzigt und inzwischen sind die Darsteller rege dabei, ihre jeweilige Rolle sehr individuell und originell auszugestalten. Also, alles zu seiner Zeit und wann die Kinder mitbestimmen wollen, das bestimmen sie selber.
Mai 2017
Hilfe, der Fotograf kommt!
Es ist unruhiger als sonst, etwas liegt in der Luft. Einige Kinder haben die Haare extra schön, tragen Hemd oder Kleid. Auch das Kollegium hat sich herausgeputzt. Alles Anzeichen dafür, dass der jährliche Fototermin ansteht. Das Nebenzimmer wird zum Fotostudio und routiniert sorgt die Kollegin laufend für Motivnachschub vor der Kameralinse. Hier noch ein paar Haare zurecht zupfen, dort einen Kragen zurechtrücken, bitte Lächeln und Klick! Natürlich gibt es immer Kinder, die nicht fotografiert werden wollen und auch nicht viel von Lächeln halten, zumindest nicht vor der Kamera. Und beim Gruppenbild dauert es eine gefühlte Ewigkeit, bis jeder an seinem Platz steht und dort hinschaut, wo das Vögelchen ist. „Spaghetti!“ für die Kinder, „Gehaltserhöhung!“ für das Kollegium sollen für optimales Lächeln sorgen. Oh, nein! Das Knöpfle-Kind auf dem Bobbycar fährt aus dem Aufnahmebereich heraus. Schnell zurückholen! Endlich ist auch diese Aufnahme geschafft und siehe da, jetzt lassen sich die meisten Fotoverweigerer doch noch verewigen. Die Fotografin packt ein und es ist mal wieder geschafft. Jetzt heißt es nur noch auf die Ergebnisse warten.
Die Schöpfung
Unser biblischer Geschichtenzyklus beginnt nach Ostern wieder im Alten Testament mit der Schöpfung Wir sind alle um eine große, leere Mitte versammelt, die sich parallel zur Erzählung langsam füllt. Mit Ruhe, Sorgfalt, Freude und einem gewissen Ernst vollziehen die Kinder mit Tüchern, Figuren und anderen Elementen die Schöpfung nach. Am Ende sitzen wir um ein buntes, beeindruckendes Bodenbild. Auf die Frage: "Ist es schön so? Haben wir das gut gemacht?" erfolgt von allen Seiten zufriedene Zustimmung. Ein Kind fragt: "Und wo ist jetzt Gott?" - "Gott schaut uns von oben zu", ist die Antwort des Kollegen. Ein anderes Kind hat eine Erleuchtung und aufgeregt ob der eigenen Erkenntnis sagt es: "Wir sind die Gotts." Postwendend kommt die Korrektur durch ein älteres Kind: "Das heißt nicht Gotts, das heißt Götter!" Dieser Einwand ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Kinder gemeinsam schöpferisch tätig geworden sind und sich jetzt über das gemeinsame Werk freuen. Vielleicht ein wenig so, wie Gott sich gefreut hat.
April 2017
Gemeinschaftserlebnis
Das Ei wurde erfolgreich gelegt, jetzt kann – dank der Eltern – gegackert werden. Der Garderobenumbau samt neuem Wandanstrich ist nämlich vorbildlich nach Plan verlaufen. Es gab an allen drei Tagen genau die richtige Anzahl helfender Elternhände (nicht zu vergessen ein Paar Kinderhände!) und der Zeitplan wurde mehr als eingehalten. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Wände empfangen einen mit frischem Gesicht, der Raum wirkt großzügig und offen und der Morgenkreis wurde erfolgreich eingeführt. Die Bringzeit wird von den Eltern respektiert und die Kinder haben das neue Tageselement gut aufgenommen. Natürlich ist es für die Kinder ungewohnt im Kreis zu stehen anstatt zu sitzen, aber in diesem Fall helfen Geduld, Übung und Wiederholung. Einen Höhepunkt im Morgenkreis hatten wir auch schon, denn das erste Geburtstagskind nach der Umbauaktion wurde von allen gemeinsam gefeiert; die Kollegin war die Glückliche. Ab jetzt wird nun also jeder Geburtstag ein Gemeinschaftserlebnis.
Ein verfrühtes Ostergeschenk?
Getreu dem Bibelspruch „Lasset euch genügen an dem was da ist“ wollen wir die Garderobe verkleinern, um so mehr Raum für verschiedene Aktivitäten zu gewinnen. Kein Teil des Mobiliars soll verschwendet, sondern wiederverwendet und deshalb umfunktioniert werden. Bei der Gelegenheit werden auch die Wände einen neuen Anstrich erhalten. Erfreulicherweise haben sich genügend eifrige Eltern in die Helferliste für die dreitägige Aktion so kurz vor Ostern eingetragen, um sich im Kindergarten zu engagieren. Wir können nach Ostern endlich mit allen Kindern gemeinsam das Projekt „Morgenkreis“ starten! Und wem haben wir das dann zu verdanken? Man soll ja über keine ungelegten Eier gackern, aber wenn alles wirklich so klappt, wie es geplant ist, dann legen uns die Eltern vor Ostern noch das schönste Ei ins Nest.
Letzte Woche ...
... war ganz schön was los bei uns im Lummerland. Am Montag kam das vorerst letzte neue Kind zur Eingewöhnung. Daneben lief die Osterkörbchenproduktion auf Hochtouren. Am Mittwoch stand der Schulbesuch der Emma-Kinder an, die in der Zeppelinschule auf einer Ralley durchs Schulhaus auch viele ihrer "alten" Kindergartenfreunde wiedersahen. Alle Kinder, fünf Jahre und älter, durften am Donnerstag in die Zehntscheuer zu einer Theateraufführung. Auf die Frage. wie es denn war, meinten einige Kinder, es sei manchmal ganz lustig gewesen. Um was es in dem Stück jedoch ging, konnte nicht eindeutig geklärt werden. Die Molly-Kinder beschäftigten sich mit dem Leben der Mauersegler und das erste Emma-Kind hat mit der Herstellung seiner Schultüte begonnen. Das Team vom Kleinkindgottesdienst kam vor dem Wochenende noch mit einer Abendmahlsfeier mit Brot und Traubensaft - passend zur bevorstehenden Osterzeit - in den Kindergarten. Ansonsten waren die Tage gekennzeichnet von prima Wetter mit viel Zeit draußen im Garten und einem Freitag, der es in sich hatte: mit einigen Beulen und rappeligen Kindern.
Fahrspaß
Ein Kindergartenvater hat beim Fahrradbasar zwei Roller erstanden und uns geschenkt. Nicht, dass wir keine Roller hätten, aber die sind Marke "Kindergarten Spezial", sprich unverwüstlich und total uncool: die Ästhetik und der Charme eines Küchenhockers gepaart mit dessen Fahreigenschaften. Die zwei neuen dagegen sind bunt und haben Luftreifen, der größere eine Rücktrittbremse, einen Ständer und eine Klingel, der kleinere kann auf seinen drei Rädern ganz allein stehen und hat eine Hupe in Form eines Entenkükens, dem die Kinder Namen geben. Gemeinsam mit den Laufrädern, Dreirädern und Bobbycars ziehen die Roller auf den Gartenwegen rund um die Betonröhre ihre Bahn. Ein Molly-Kind verfolgt zu Fuß ein Knöpfle und will ihm mit großer Ausdauer das Laufrad abspenstig machen. Doch das jüngere Kind lässt sich nicht einschüchtern und das ältere muss auf die Bank und warten, bis nach drei Runden die Reihe an ihm ist.
März 2017
Qual der Wahl
„Worüber kann ich denn diese Woche schreiben?“ Diese Frage stellt die Schreiberin immer wieder ihren Kollegen und es wundert alle, wie schnell die Zeit vergeht. Soll es mal wieder um den Draußen-Tag mit dem Ausflug zum Spielplatz gehen, wo Kinder mit einer Rakete ins Weltall geflogen sind, eine riesige Holzrolle herumgeschleppt und erstaunliche Fortschritte im Klettern gemacht haben? Oder eher die zehn Minuten vor Kindergartenende, als ein Kind nichts besseres zu tun hatte als die Inhalte sämtlicher greifbarer Spiele und Puzzle in die Bauecke zu kippen, gut durchzumischen und sich dann zu weigern, aufzuräumen? Oder doch lieber über den Kuscheltiertag schreiben, bei dem ein Riesenbär mitgeschleppt und uns ein Minipferdchen als Rennmaus verkauft wurde? Vielleicht wäre es auch interessant etwas über das Bewegungsangebot für die Knopf- und Knöpflekinder zu erzählen, bei dem jede Menge bis dato unbekannte Kreisspiele durch unsere Praktikantin zum Einsatz kamen und alle viel Spaß hatten? Denkbar wäre auch der Morgen, als ein Kind einen lautstarken Rappel bekam, weil etwas nicht nach seinem Kopf ging? So viel geschieht und trotzdem ist die eingangs gestellte Frage oft nicht eindeutig zu beantworten.
Frühlingserwachen
Wenn der Frühling kommt, erwacht in manchem Kind der Jäger und Sammler. Da wird dann gerupft, gezupft, gepflückt und eingefangen. Pädagogisch betrachtet könnte man dieses Phänomen mit "kleiner Forscher" umschreiben. Ob Flora und Fauna das auch so sehen und welche Fragen so einen kleinen Forscher dabei wohl umtreiben? "Kann man aus einem Regenwurm echt zwei Regenwürmer machen?" Wie gut, wenn das Kind, das diese Frage stellt, noch einen ganzen Regenwurm in der Hand hält. Trotz kindgerechter Aufklärung und dem ständigen Vorleben achtsamen Umgangs mit Pflanze und Tier fallen regelmäßig Knospen, Schneeglöckchen- und Narzissenblüten, frische, zarte Blättchen, Ameisen, Regenwürmer, Asseln, Ohrwürmer und Marienkäfer dem kindlichen Forschertrieb zum Opfer. Umso wunderbarer, wie die Natur uns jedes Frühjahr erneut den Kindergarten bunt färbt und sich trotz allem immer wieder jede Menge Kriech-, Krabbel- und Fliegetierchen einfinden.
Ich will meine Ruhe haben
Die Schreiberin und eins unserer Knöpfle-Kinder vergnügen sich auf der Betonröhre im Garten. Da entdecken sie ein Knopf-Kind allein und mit völlig missmutigem Gesicht im Röhreninneren liegen. Ein freundliches: „Hallo!“ wird mit einem total genervten: „Ich will meine Ruhe haben!“ quittiert. Ruhig legt sich das Knöpfle neben das andere Kind und sieht es mit ausdruckslosem aber ausdauerndem Blick an. „Ich will allein sein. Der soll weg. Ich will meine Ruhe!“, kommt postwendend der weinerliche Protest. „Aber er macht dir doch nichts, er liegt doch nur da.“ - „Ich. Will. Meine. Ruhe.“ Der Vorschlag, sich doch lieber auf die Bank in die Sonne zu legen, verhallt ungehört. Wie ein Mantra, nur viel lauter, erklingt: „Ich will meine Ruhe! Der soll weg!“, immer und immer wieder. Das offensichtlich müde Knöpfle lässt sich aber auch nicht aus der Röhre locken. Im Gegenteil, andere Kinder kommen durch das Geschrei angezogen neugierig herbei und in dem Betonrohr wird es eng. Da ist es dann leider endgültig mit der Ruhe vorbei.
Ich glaub das!
In unserem Jahreslauf der biblischen Geschichten sind wir wieder einmal beim Leben Jesu angelangt. Manch ein Vorschüler erinnert sich noch ans Vorjahr: "Das kenne ich schon!" Mit Hilfe von Bildern helfen die Kinder dann beim Erzählen. "Ist das in echt passiert?", kommt am Ende schon mal ganz ernst die Frage. "Nun ja, vor langer Zeit haben Menschen diese Geschichten aufgeschrieben. Sie stehen so in der Bibel. Es gibt Menschen, die glauben, dass es so passiert ist und andere nicht." - "Ich glaub das", eröffnet ein Kind. Im Gespräch stellt sich heraus, dass es keine familiäre Vorprägung hat. "Ich liebe Gott und Jesus", sagt es einfach. "Ich möchte lesen lernen, damit ich die Geschichten von Jesus alle selber lesen kann." Jetzt sollte jemand eine Fibel-Bibel erfinden.
Februar 2017
Expedition
Die letzte der drei Fortbildungswochen für Kindergartenleitungen ist jetzt auch Vergangenheit. „Wie ging es mir, als der Kurs begann? Geht es mir jetzt anders?“ Dies sollte am Ende jede der Teilnehmerinnen für sich beantworten und visualisieren. Nach kurzem Nachdenken taucht ein Bild auf: Eine frischgebackene Leitung blickt auf einen Dschungel, ein Gewirr von Pflanzen, ein fast undurchdringliches Dickicht. Wo geht es denn bitte lang und was ist wichtig? Nach dieser Fortbildung aber ahnt sie den Weg, durchschreitet den Dschungel, nimmt jede Pflanze wahr, trägt ein Bestimmungsbuch bei sich und weiß, was im Moment wichtig ist. Das Dickicht hat sich gelichtet. Mit diesem Bild vor Augen geht es morgen in den Pädagogischen Tag und der Baum, der Früchte tragen soll, heißt Veränderung (das Bestimmungsbuch nennt dazu den Fachbegriff „change management“). Für das Team steht also eine Expedition in den Dschungel zum Baum der Veränderung an und es wird sich zeigen, mit welchen Erkenntnissen und Plänen in der Tasche der Rückweg angetreten wird.
Körperwelten
Seit einiger Zeit betreiben ein paar Kinder immer wieder in der Puppenecke anatomische Feldstudien - auf der Suche nach dem kleinen Unterschied. Wir sind im Gespräch mit den Kindern und den Eltern, letztere reden mit ihren Sprösslingen und auch untereinander. Die Erwachsenen sind sich darüber einig, wo die Grenzen sind, aber auch darüber, dass es sich um eine kindliche Entwicklungsphase handelt. Dies bestätigt die Fortbildung "Sexualpädagogik", die zwei der Kollegen besuchen. Die Herausforderung bei diesem Thema ist, den Kindern zu helfen, ihrer eigenen Wahrnehmung zu vertrauen und zu lernen, nein zu sagen - ach, und die Kirche im Dorf zu lassen, ohne sie auf die leichte Schulter zu nehmen. Ein anderer Junge steht gedankenversunken da, die Hände vorne in der Hose vergraben. "Na, suchst du was? Ist noch alles da?" Er kommt langsam zu sich, fängt zu grinsen an und geht dann zu seinen Freunden spielen. Es ist wohl alles noch in Ordnung.
Einzigartig
Es ist Freitag früh, noch etwas über sieben Stunden bis zum Wochenende. Kurz vor halb zehn sind die letzten Kinder eingetrudelt und das Frühstück ist fast vorbei. Nach einer knappen Stunde Freispiel inklusive Aufräumen treffen sich beide Gruppen im Stuhlkreis. Mit selbstgebackenen Brownies versüßt uns unsere wunderbare Sozialpraktikantin nach einer Woche geschickter Mitarbeit den Abschied. Ohne Atempause geht es hinüber ins Gemeindehaus, wo schon die Dschungelkinder und das Team vom Kleinkindgottesdienst auf uns warten. Alle bringen wir selbstgebastelte Schneeflöckchen mit und so wie jedes davon anders aussieht, so einzigartig ist auch jeder von uns; das ist das Thema. Nur wenige Kinder wollen danach noch in den Garten bis zum Abholen, aber sie haben ihren Spaß. Beim Mittagessen mit acht Kindern, Schinkennudeln und Schokopudding klingt die Arbeitswoche gemütlich aus.
Tage wie diese
Am Morgen gibt es unerwartet einen Krankheitsfall im Team und das geplante Programm muss geändert werden; der perfekte Start! Dann ist auch noch Spielzeugtag: Hier dudelt ein musizierendes Einhorn, dort lärmt eine Feuerwehrsirene und irgendwo surren ferngesteuerte Autos. Als ob es nicht so schon laut genug ist, denn gestern hat der Dauerregen das Rausgehen vereitelt und Bewegung an der frischen Luft tut Not. Im Stuhlkreis ist das Maß dann endgültig voll: "Alle Mann raus in den Garten!", da hilft kein Gemaule. Sieh einer an, in kürzester Zeit ist jeder irgendwo beschäftigt und der Nieselregen hat auch aufgehört. Alles scheint endlich gut zu sein - bis sich beim genauen Hinsehen herausstellt, weshalb unsere wilden Jungs so friedlich in der Erde graben: Sie stehen mit dem größten Vergnügen quasi bis zum Hals im Matsch. Einzeln schälen wir die Kinder aus ihrer Kleidung und letztere wird dann von uns in Dusche und Waschmaschine oder zuhause von Mama gereinigt. Entweder ist diese wenig amüsiert oder meint ganz pragmatisch: "Hauptsache, die Kinder hatten Spaß."
Januar 2017
Kartonträume
Nachdem die neue Puppenecke den Zuspruch der Kinder gefunden hat und die Regeln zum Bespielen sich als einzuhaltend und praktikabel erwiesen haben, ist nun auch der zweite, von beiden Gruppen genutzte Raum in den Fokus gerückt. Zwei engagierte Mütter beschaffen spontan ein paar größere Kartons, von denen man im größten ein Kälbchen unterbringen könnte. Mit Hilfe eines Brotsäbels aus der Küche wird eine Eingangstür geschnitten und die Flachdachvilla wird sofort von fünf Kindern aus beiden Gruppen bezogen. Zwei kleinere Kartons als direkte Anbauten komplettieren die Mini-Siedlung. Nach einer Weile werden zwei Fenster wie gewünscht eingeschnitten, ansonsten hört und sieht man von den Hausbesetzern wenig. Da denkt man sich als pädagogische Fachkraft: "Einmal am Vormittag für zwei Minuten ganz allein in dem großen, dunklen Karton zur Ruhe kommen, das hätte was!"
Loseisen
Die anhaltende Kälte fordert uns täglich neu heraus. Das pädagogische Personal schielt fast neidisch auf die Schneehosen und -anzüge der Kinder und während Letztere in der Regel unbekümmert draußen herumspringen, treten Erstere beständig von einem Fuß auf den anderen, die Hände tief in den Taschen vergraben. Wenn die Sonne scheint, ist alles gleich ein wenig erträglicher, aber bei chronisch kalten Füßen hilft auch das nicht viel. Die Kinder wollen auf der Schaukel angeschubst werden, es müssen unentwegt Nasen geputzt oder zehn kleine Zappelmänner in Fingerhandschuhen untergebracht werden - die ultimative Herausforderung dieser Jahreszeit! Manchmal geht eine Gruppe Frierender schon mal rein, der Rest folgt dann nach, sobald die oben erwähnten chronisch kalten Füße zu Eisklötzen erstarrt sind. Jedes Mal gibt es aber noch ein paar Kinder, die nur sehr widerstrebend vom Garten loszueisen sind.
Die neue Puppenecke
Aus zwei mach eins: Wozu braucht jede Gruppe ihre eigene Puppenecke, zumal beide in die Jahre gekommen sind und das Geld nicht für zwei neue reicht? Die frisch gelieferten Möbel dübelt ein hilfreicher Vater kurzerhand an die Wand. Wir sitzen mit den Emma- und Molly-Kindern im Stuhlkreis und machen uns gemeinsam Gedanken. Welche Verhaltensregeln sollen gelten? Wie wird mit den neuen und alten Spielsachen umgegangen? Welche Wünsche und Ideen haben die Kinder für ihre neue Puppenecke und was davon lässt sich umsetzen? Tags darauf dürfen die Emma-Kinder als erste in dem neu ausstaffierten Raum spielen. Zuvor werden noch ein Mal die besprochenen Regeln rekapituliert und - siehe da - auch eingehalten. Am Ende der Woche haben sich auch schon ein paar Molly-Kinder beim Spiel bewährt und wir gehen zuversichtlich in die nächste Zeit.
Dezember 2016
Das große Aufräumen
... findet dann nach der Weihnachtsfeier statt, am Freitag vor Weihnachten. Was bis dahin noch nicht erledigt worden ist, wird jetzt getan. Die Utensilien der Weihnachtsfeier und all die anderen Dinge, die in den letzten Tagen mal eben kurz hier und da abgestellt worden sind, müssen aufgeräumt werden. Die Adventsdekoration, die Basteleine an Fenstern, Türen, Decken, der Adventskranz, der Adventsstrauß, die Kerzen vom Adventsflüstern, alles muss bis zum nächsten Jahr verstaut, in die Sammelmappen der Kinder verteilt oder der Mülltrennung zugeführt werden. Fenster putzen, abstauben, Spielzeug aussortieren, Garderobenschränke auswischen, alte Plakate abhängen, Bücher sortieren und kleben, die Nebenzimmer ausräumen, damit der Boden in den Ferien wieder aufgearbeitet werden kann, letzte Abrechnungen machen, Mails schreiben, den Kühlschrank leeren ... Obwohl, das Fensterputzen hat der Kollege schon am Donnerstagvormittag gemeinsam mit ein paar Kindern erledigt, wobei sich vor allem ein Molly-Junge mit erwähnenswerter Ausdauer, Geschick und Engagement hervorgetan hat. Arbeit kann auch Spaß machen, denn lustig war es allemal.
Frohe Weihnachten
Und dann ist es soweit: Alle, die können und wollen, treffen sich am Donnerstagabend in der Stephanuskirche zur jahresabschließenden Weihnachtsfeier. Das Fünkchen Hoffnung hat nicht getrogen. Große wie kleine Kinder singen die Lieder mit Freude und Hingabe, es geht überwiegend ernsthaft und geordnet zu, während der Weihnachtsgeschichte herrscht andächtige Stille und die Emma-Kinder meistern ihre Sprechrollen mit Bravour. Ach ja, die Technik spielt ebenfalls fehlerfrei mit! Zentnerlasten von Anspannung fallen von uns allen ab. Am Ende wechseln Geschenke, herzliche, dankende Worte und viele guten Wünsche die Besitzer. Zwei Wochen (Kinder-) freie Zeit liegen vor uns pädagogischen Fachkräften. Diese widmen wir unserem Leben außerhalb des Kindergartens. Gedanklich allerdings wir Letzterer uns nicht loslassen, denn vieles muss vorgedacht und geplant werden.
Endspurt - Der Countdown läuft
Wir alle haben das letzte Adventsflüstern unbeschadet überstanden, die vierte Kerze am Adventskranz darf endlich zeigen, was in ihr steckt und das Adventsbüfett toppt alles, denn es besteht zu 25 % aus ungesunden aber weihnachtlichen Leckereien: Spekulatius und Schokonikoläuse. Die Vorbereitungen für die Weihnachtsfeier sind in die heiße Phase eingetreten. Sind alle Geschenke für die Eltern fertig? Klappt es mit den Liedern? Sitzen die Texte? Erschwerend kommt - wie jedes Jahr übrigens - hinzu, dass die Anwesenheit aller Beteiligten einem Roulettespiel gleicht. Die abwechselnd leeren Plätze am Frühstück sind stumme Zeugen dafür, wer wieder wegen eines Infekts das Bett hüten muss. Entsprechend situationsorientiert, oder besser noch improvisatorisch, geht es zu. Die Hauptprobe in der Kirche stimmt uns nicht gerade hoffnungsvoll. Irgendwie klappt es gar nicht. Nun ja, es wäre auch die erste perfekte Hauptprobe; am Ende hat die Aufführung aber doch immer geklappt. Da ist es dann, das Fünkchen Hoffnung.
Reflektion
Waren alle auf der Toilette? Sind alle Jacken zu, Mützen und Handschuhe an? Hat jeder einen Partner? Klar, es ist Draußen-Tag. Das Ziel: über die Hauptstraße zum Lehmgrubenweg, Hausbesuch bei einem Kind. Moment mal, hat nicht letzte Woche der Nikolaus von den Stadtwerken auch uns mit gelben Leuchtwesten bedacht? Das ist die Gelegenheit zur Einweihung! Zwar dauert es, bis alle Kinder damit ausgestattet sind, der Effekt ist allerdings im wahrsten Sinne des Wortes beachtlich: Keiner tanzt mehr unbemerkt aus der reflektierenden Reihe, die anderen Verkehrsteilnehmer erscheinen plötzlich viel aufmerksamer und wir Erwachsenen fühlen uns mit unserer Schar irgendwie sicherer. Eine ältere Passantin kann nicht an sich halten: "Ach, ist das mal goldig! So was Niedliches hab ich schon lange nicht mehr gesehen!" Na, das hört man doch gern. Wir machen unseren Besuch und kehren dann zurück zum Kindi und zum Kollegen, der mit einem Kind unterwegs umdrehen musste, weil es bei Letzterem mit dem Toilettengang vor dem Loslaufen nicht so geklappt hat.
Sicherheitsabstand
Am 6. Dezember sitzen beide Gruppen nach dem Frühstück gemeinsam im Stuhlkreis. Durchs geöffnete Fenster zieht kühle Frischluft – und ein feines Läuten. Der Nikolaus kommt zum Gartentor herein. Alle drängen zum Fenster. Alle? Einer nicht, er beginnt zu weinen und kommt auch auf dem Arm nicht zur Ruhe. Dann steht der Mann im roten Mantel im Kreis, worauf ein weiteres Kind in Tränen ausbricht. Mit den beiden Furchtsamen zieht sich die Schreiberin schnell in den Flur zurück. Von dort aus entspannen sich die Gesichter in kurzer Zeit und wir lauschen dem Lied der anderen Kinder und den Worten des rotgewandeten Besuchers. Doch das Interesse der beiden Kleinen lässt schnell nach. Sie verziehen sich in die Bauecke des leeren Gruppenraums und schieben vergnügt Züge über die Holzschienenbahn. Dass die Kollegin, das Dankgeschenk für den Nikolaus suchend, hereinschaut und jener kurz darauf nach getaner Arbeit und unter dem Gesang eines Abschiedslieds davonstapft, geht an ihnen vorbei. Nächstes Jahr vielleicht.
Ansichtssache
Diese Woche: Am Draußen-Tag beim Spaziergang sagt ein Junge entschlossen: "Ich geh nie mehr in den Kindi." Er friert. 13 andere Kinder dagegen sind im Anschluss daran noch mehr als eineinhalb Stunden vergnügt im Garten draußen. "Ich mag keinen Stuhlkreis", mault ein anderer Junge. Er mag das Sitzen nicht. Manche Kindern wiederum könnten ewig Stuhlkreis machen. "Das Adventsflüstern ist richtig schön", meint eine Mutter in der ruhigen, stimmungsvoll beleuchteten Garderobe. 'Das Adventsflüstern ist anstrengend', denkt die Schreiberin, als sich Kinder – natürlich ohne zu flüstern – ausdauernd um Eisenbahnwaggons und Schienen streiten und sich das Kollegium mit dem ständigen "Pst! Leise sein!" gegenseitig auf die Nerven geht. Im Stuhlkreis artet dann das Pinguin-Eisbär-Spiel in noch größerem Geschrei und Chaos aus als sonst. Dabei sind sich alle Schreihälse einig, dass gemeinsam singen und spielen Spaß macht, nur leiser sollte es dabei zugehen. Später, beim Werkeln am Maltisch, verkündet ein kleines Mädchen aus heiterem Himmel und im Brustton der Überzeugung: "Ich lieb' den Kindi. Kindi macht Spaß!"
November 2016
Vor-Adventsfreude
Am Draußen-Tag (Donnerstag) steht der Besuch zuhause bei zwei Kindern an. Wir machen vor Ort unsere Fotos. Da schaut bei einem Kind die Mutter aus dem Fenster und lädt uns zum Kaffee ein; mit gut 30 Kindern?! "Kein Problem", meint sie gastfreundlich und überaus glaubwürdig. Wir winken ab, müssen weiter. Vor einem Haus schneidet ein älterer Herr eine Thujahecke. Der sehnsüchtige Blick der Schreiberin auf das Schnittgut entgeht ihm nicht. "Nehmen sie soviel sie wollen", bietet er an. Herzlichen Dank. Mit einer Tüte voll ziehen wir ab. Am Nachmittag liefert uns der nette Herr noch extra große Zweige frei Haus! Tags darauf brennen morgens überall Kerzen im Kindi und wir flüstern wieder bis zum Ende des Frühstücks. Der Advent steht spürbar vor der Tür. Das Überlassene Reisig wird zu einem Adventskranz verarbeitet und reicht auch noch zu einem Strauß für die Bodenvase. Viel Grund zur Freude schon vor dem ersten Advent!
Bub Ungeduld
"Oma!", schreit der Frieder und zupft an Omas Rock. Frieder wartet sehnsüchtig auf Schnee, er will endlich einen Schneemann bauen. Aber - wie Frieder so ist - er weiß sich zu helfen. Statt eines Schneemanns baut er kurzerhand die Oma aus Müll mit leeren Dosen, angeschimmelten Apfelsinen und einem Salatblatt. Auch Oma fällt etwas ein. Ihre Zeitung verarbeitet sie zu Zeitungsschneeschnipseln und lässt es für Frieder in der Küche schneien. Unsere Kinder haben auch so eine innere Unruhe, wie jedes Jahr um diese Zeit: der blattlose, oft trübe Herbst, die Vorahnung der Advents- und Weihnachtszeit. Da wäre ein wenig Schnee nicht schlecht. Am besten geht man raus, sofern er nicht dauerregnet oder Stein und Bein friert. Ansonsten ist gerade jetzt die Zeit fürs Vorlesen, zum Beispiel die zeitlosen Geschichten von Frieder und seiner Oma. Die haben wir wiederentdeckt.
Laternenabend
Die Laternen sind gebastelt (siehe Homepage-News Oktober) und die passenden Lieder sitzen; die beabsichtigte Wegstrecke wird spontan an die kalte Witterung angepasst (verkürzt und ins Ortszentrum verlegt); der von der Firma Matter kostenlos überlassene Gasgrill (wärmsten Dank an dieser Stelle) schafft es mit Hilfe des Elternbeirats spielend, die rückkehrenden Laternenläufer mit knackigen, heißen Würsten zu versorgen; die Kollegin hat, wie jedes Jahr, einen einmalig süffigen Punsch gezaubert: alles in allem die besten Voraussetzungen für einen schönen Laternenabend. Den hat dann auch ein jeder. Einige Kinder finden viel Spaß daran, die zu überquerenden Straßen absperren zu helfen und sich mit Warnwesten und Laternen bewaffnet den Autos in den Weg zu stellen. An vier Stationen lassen wir unsere Lieder in den Abendhimmel steigen, während der Mond auf uns herabscheint.
Ohne Kinder
Einen Tag ohne Kinder in der Einrichtung verbringen: Wunsch- oder Alptraum? Weder noch. Es ist Pädagogischer Tag; den gibt es bei uns zweimal im Jahr. Dabei geht es um Inhalte, die unsere Arbeit weiterbringen und den Alltag erleichtern. Es geht um das Verändern, Anpassen und Nachjustieren unserer Arbeit im Hinblick auf die sich immer wieder verändernde Zusammensetzung unserer Kinderschar und ihre Bedürfnisse, die Elternarbeit, die Anforderungen von außen, sowie um das Qualitätsmanagement. Auf der Tagesordnung stehen die pädagogische Planung bis zum Jahresende, die Einführung und Erprobung einer Ergänzung zu unserem Beobachtungssystem, die Überprüfung unserer Alltagsrituale und die Nutzung und Umgestaltung unserer beiden Nebenräume. Ein straffes Programm. Am Ende sind wir richtig zufrieden mit dem was wir geschafft haben – an unserem Tag ohne Kinder, aber für die Kinder. Mit denen geht es dann nach der Feiertagspause mit neuem Schwung wieder weiter.
Oktober 2016
Laternenwerkstatt
An unseren beiden langen Tagen waren die Eltern eingeladen, nachmittags mit ihren Kindern gemeinsam Laternen zu basteln. Im letzten Jahr standen noch Igel- und Apfellaternen zur Auswahl, diesmal konnte zwischen Rabe und Pilz gewählt werden. Viele Eltern überließen ihren ambitionierten Kindern das Ausschneiden, Bemalen und Zusammenkleben der Einzelteile, das Ergebnis in seiner ganzen, unverwechselbaren Einzigartigkeit begrüßend. Bei anderen Kinder-Elterngespannen gab es einvernehmliche und kameradschaftliche Arbeitsteilung. Wie immer blieben aber auch ein paar Eltern auf der ganzen Arbeit sitzen. Ihre Sprösslinge hatten sich schon vorab in die Bauecke oder nach draußen in den Garten verzogen, um mit anderen Kindern zu spielen. Dafür hatten dann besagte Bastler aber Zeit für ungestörte Gespräche mit „Leidensgenossen“ – eine kleine Auszeit vom Alltag. Irgendwie gelang es auch den Familien, die mehr als einem Kind in unserer Einrichtung haben, alle Pilze bzw. Raben an einem Nachmittag anzufertigen. Wie viele Laternen sich da so im Laufe der Jahre wohl in den Kellern oder auf den Dachböden ansammeln mögen?
Herbstzeit ist Nusszeit
Auf dem großen Walnussbaum im Garten sind die inzwischen braun-schwarzen Fruchthüllen aufgesprungen und die Nüsse leuchten verlockend von oben herab. Nur wenige liegen am Boden, zu wenig für die vielen Kinder. Da muss nachgeholfen werden, soviel steht fest. Während ihrer Gartenzeit werfen deshalb vier unserer Emma-Kinder eine kleine Sandschaufel aus Plastik auf gut Glück in die Zweige. Der Erfolg ist mäßig und die Schaufel bleibt sowieso bald im Geäst hängen. Als wir dann alle im Garten sind, geht es darum, die Schaufel wieder vom Baum zu holen. Eine weitere Schaufel wird herangezogen, später ein Wurfring und - als beide auch nicht mehr wieder herunterkommen - ein kleiner Ball. Seiner Form ist es dann zu verdanken, dass er nicht auch noch oben bleibt. Viele Kinder sind bei dieser Aktion mit sehr viel Ausdauer beteiligt; leider erfolglos. Im Lauf der Woche tragen Wind und Regen dazu bei, dass die Nüsse dann von ganz allein und in größerer Zahl vom Baum fallen. Leider gilt das nicht für die Schaufeln und den Wurfring.
Funktionsräume
Die meisten Kitas haben heutzutage Funktionsräume, wie Atelier, Konstruktionsraum, Bewegungsbaustelle, Schreibwerkstatt, Snoozleraum … Da wir aber ein kleiner Kindergarten sind, gibt es bei uns noch die „Ecken“: zum Bauen, Malen, Lesen, Puppenspielen usw. Das funktioniert aber auch. Außerdem haben wir ja noch das Bad für Alltagsexperimente, den Garten zum Toben und nicht zuletzt das Büro als ganz persönlichen Wunderraum. Immer wieder zieht es wie magisch Kinder an, die fasziniert auf die phantasievollen, wechselnden Hintergrundbilder am PC starren, schnurstracks auf die Computertastatur einhacken, Locher, Tesafilm und all die vielen anderen spannenden Dinge befingern und tausend Fragen stellen: Was machst du da? Was ist das? Wozu ist das? Kann ich das mal haben? Wem gehört das? Wer hat das gekauft? Man muss schon sagen, unser kleines Büro ist aber auch wirklich sehr bunt und mit tausend anregenden Dingen bestückt – fast wie ein farbiges Wimmelbild.
"Ich will auch mal Chef sein!",
meint ein Emma-Mädchen launisch aber mit Nachdruck kurz vor dem Stuhlkreis. Nun gut, weshalb auch nicht? Wir hatten diesen Rollentausch bereits hin und wieder einmal. Die Emma-Kinder stellen den Stuhlkreis, dann nimmt die junge Chefin auf dem Chefsessel Platz und genießt dies erst einmal gründlich. Mit ein wenig Assistenz bekommt sie alles gut auf die Reihe - und schon meldet sich der nächste Aspirant auf den "Chefposten". Eine Woche später kommt er an die Reihe und der Emma-Junge erledigt seinen Job mit einer Ruhe und Gelassenheit, dass man neidisch werden könnte. Alle Stuhlkreiselemente werden zügig und bestimmt abgehakt, es gibt keine Diskussionen, kein Gemaule, es ist ruhig wie schon lange nicht mehr. Ja, wenn das immer so gut klappt, dann übergeben wir den Stuhlkreis an die Kinder und beobachten nur noch. Aber - schwant uns alten Pessimisten - wahrscheinlich klappt es doch nur, weil es im Moment noch neu ist. Wir werden ja sehen.
September 2016
"Theo, spann den Wagen an",
singen die Kinder lauthals und "hol die goldnen Gaben." Wir üben für den Erntedankgottesdienst. Der Liedtext ist sprachlich eine Herausforderung und inhaltlich für die Kinder ein Buch mit sieben Siegeln. Was für ein Wagen? Wer wird angespannt? Was sind Garben? Und wer, um alles in der Welt, ist Theo? Da sind einige Erklärungen notwendig. In Haus und Garten hört man dann immer wieder Groß und Klein summen und singen; "Hejo, spann den Wagen an!". Beim Gottesdienst versuchen wir uns mit der Gemeinde am Kanon. Einige Kinder werden dabei von der ohrwurmigen, eingängigen Melodie so mitgerissen, dass sie volltönend und über jedes vorgegebene Tempo erhaben am Ende das Rennen mit deutlichem Vorsprung gewinnen.
Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum. - War es nicht erst gestern, als wir auszogen, den Herbst zu suchen? Kaum zu fassen, aber ein ganzes Jahr ist inzwischen wie im Flug vergangen. Wir machen einmal mehr unseren Rundgang durch Flur und Streuobstwiesen; Wendepunkt ist der Zeppelinstein. Die Sonne lacht vom blauen Himmel, die Felder sind leergeräumt bis auf Kraut, Sonnenblumen und vertrockneten Mais. Buntes Laub ist allerdings (noch) Fehlanzeige. Es lockt die Abzweigung zum Spielplatz, aber heute bleiben wir hart. Einige Kinder wollen dann alles über die Gedenksteine und den Zeppelin wissen. Das gab es schon lange nicht mehr. Gelegenheit also, demnächst das Buch "Der Tag von Echterdingen" aus dem Regal zu holen und es mit den Interessierten anzuschauen. So bestätigt sich einmal mehr: Irgendwie wiederholt sich alles und es ist zwar meistens das Gleiche aber nie dasselbe - und langweilig schon gar nicht.
Bananenfüße
Eines unserer Kinder hat zum ersten Mal ganz allein die Schuhe angezogen. "Guck mal!", sagt es stolz und erwartet Beifall. "Prima!", freut man sich aufrichtig, aber soll man das strahlende Kind auf die so unnatürlich nach außen gedrehten Schuhspitzen hinweisen? Immer wieder ziehen Kinder Schuhe an die verkehrten Füße, Hauptsache ein Schuh und ein Fuß haben sich gefunden. "Wie krieg ich das nur an mein Kind hin?", fragt eine Mutter etwas frustriert. Und wirklich, den Hinweis "Die Schuhe sind aber verkehrt herum!" quittiert das Kind mit einem überzeugten "Nein!". Ein Mädchen hat sogar den ganzen Marsch am Draußen-Tag völlig unbemerkt und vergnügt mit Bananenfüßen gemacht. Nun, es scheint also, als habe erstens jedes Kind sein eigenes Schuh-Fuß-Relations-Aha-Erlebnis, zweitens verfügen Kinder wohl über Gummifußknochen und drittens ist uns kein Fall bekannt, in dem ein Kind mit Bananenfüßen eingeschult wurde. Also, kein Grund zur Panik. "Das hast du toll gemacht. Ich hoffe, es ist bequem so."
Kindergarten GO!
Immer wieder nach den Sommerferien fangen wir wieder von vorne an. Wenn sich das jetzt nach Langeweile anhört - weit gefehlt. Klar, die Mehrheit der Kinder kennt man aus der letzten Runde schon, es gibt aber auch wieder neue zu "fangen". Das Ziel ist nach wie vor die individuelle Weiterentwicklung jedes Kindes anknüpfend an seine Stärken. Auf dem Weg dahin wird uns Altbekanntes begegnen, es warten aber auch neue Herausforderungen und Aufgaben auf uns. Wir sind gespannt. Begleiten Sie uns doch einfach dabei, am besten mit Interesse und Wohlwollen. In diesem Sinne: Kindergarten GO!
Juli 2016
Dem Himmel so nah...
Unsere alten und neuen Emma-Kinder treffen sich mit Herrn Pfarrer Neudorfer vor der Kirche zu einer exklusiven Führung. Noch völlig ahnungslos formiert man sich zum Gruppenfoto. In der Kirche stellen sich einige Fragen: Wozu sind diese vielen Bücher? Was macht der Fisch im Taufbecken? Wie kommt der Pfarrer auf die Kanzel? Herr Neudorfer nimmt Anlauf, aber es reicht nicht ganz. Es muss einen anderen Weg geben. Über die Treppe darf schließlich jeder mal die Kanzel erklimmen und den Blick über die leeren Bankreihen schweifen lassen. Über eine andere Treppe kommen wir dann den Kirchturmglocken ganz und dem Himmel wenigstens ein Stückchen nah. Die Aussicht ist prima und es läutet sogar eine der Glocken – freundlicherweise nur zur Viertelstunde. Wieder zurück am Boden gibt es ein Ständchen für unseren Pfarrer und das Bild danach. Sehen wir nun nicht alle ein wenig gescheiter aus?
Links, rechts, links
Mit zwei elektrischen Druckampeln in Kindergröße und einem Zebrastreifen zum Ausrollen im Gepäck sucht uns Frau Weber vom ADAC im Dienst der Verkehrssicherheit auf. Bobbycars und gespannte Kinder zwischen vier und sechs Jahren steuern wir bei. In einer Trockenübungsphase darf jeder mindestens zweimal über die Ampel gehen, um danach auf einem der Fahrzeuge das Ganze aus der Perspektive eines motorisierten Verkehrsteilnehmers zu erleben. Dann geht es hinaus ins echte Leben; quasi vor der Tür gibt es sowohl Zebrastreifen als auch Druckampel. Zu zweit, Hand in Hand, geht es zuerst über den Überweg. Links, rechts, links schauen, die Autos und ihre Fahrer im Auge behalten, zügig hinübergehen – so die Theorie.
Wie gut, dass Frau Weber assistiert und genau aufpasst. Ebenso an der Druckampel. Was man da alles beachten muss. Und während ausgiebig nach den Autos geschaut wird und ob sie auch wirklich anhalten, kann es passieren, dass die Ampel auch schon wieder auf Rot schaltet. Da muss noch geübt werden, z. B. an den Draußen-Tagen und mit Papa und Mama. Aber die Grundlagen sind schon mal vorhanden.
Wie schön, dass du geboren bist
Diese Woche findet der Kindi im Garten statt, samt Fahrzeugen, Fußballspielen, Mal- und Basteltisch u. v. m. Am Mittwoch gibt es mal wieder einen Abschied: Zwei Schwestern kehren mit ihren Eltern nach zwei Jahren bei uns in die USA zurück. Das ist ein etwas anderer Abschied, denn diesmal trennt uns ein ganzer Ozean. Am Donnerstag bereisen wir mit den Emma-Kindern den Killesberg von oben bis unten. Mittags besucht uns dann eine unserer ehemaligen Familien und bringt zum Ende des Ramadan eine große Tüte voll Obst für die Kinder mit. Am Freitag frühstücken wir bereits draußen und es gibt Melonenstücke aus dieser Obstspende. Später feiern wir noch alle gemeinsam einen Geburtstag. „Ach, ich mag nicht mehr feiern. Erst Abschied, dann Geburtstag …“, seufzt ein Mädchen etwas bedrückt. In genau einer Woche nämlich ist ihr Abschied an der Reihe, weil auch sie mit ihrer Familie in die USA zurückkehren wird. Es ist wirklich zum Heulen. „Weißt du, ich bin traurig, dass ich gehen muss, aber ich freu mich auch auf das neue Haus“, fasst sie den Zwiespalt ihrer Gefühle zusammen. ‚Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …‘, dichtete Hesse. Das Wort zum Schmunzeln und zum Wochenende kommt von einem demnächst Vierjährigen. Völlig ungewahr dessen, dass er belauscht wird, singt er – frei nach Rolf Zuckowski: „Wie schön, dass ich geboren bin, ich hätte mich sonst sehr vermisst.“ Wie wahr, dem ist nichts hinzuzufügen.
Ausflug zum Langwieser See - aus der Sicht der Nachhut erzählt
Wenn man all das erzählen möchte, was im Amtsblatt keinen Platz gefunden hat, all die kleinen, liebevollen Details, wird es auch diesen Rahmen sprengen. Also geht es eigentlich nur darum, die richtige Auswahl zu treffen. Das soll hier versucht werden.
Und wenn man am Draußen-Tag mal etwas weiter weg gehen möchte, braucht man eine gute zeitliche Planung und schönes Wetter. Das ist der Fall.
Das Frühstück wird nach vorne verlegt, damit es um 9.40 Uhr auf die S-Bahn zum Flughafen reicht. Trotz allem wird es wie immer knapp. Bis jeder auf der Toilette ist, Schuhe an den Füßen hat, das Käppi auf dem Kopf und dann auch noch sonnenimprägniert ist, müssen wir unter den ständigen, panischen Rufen der Schreiberin: „Schneller, die S-Bahn wartet nicht auf uns!“ die Hände in die Beine nehmen. Bis das Emma-Mädchen das unseren kleinsten Knopf an der Hand führt leicht verzweifelt und doch freundlich meint: „Ich zieh ihn ja schon so gut ich kann, aber seine Beine können nicht schneller laufen.“ Das bringt die Mahnerin verschämt zum vorübergehenden Verstummen. Sie nimmt den Zwerg mit den kurzen Beinen auf den Arm und letztendlich sind wir dann doch ein paar Sekunden vor der S-Bahn am Bahnsteig. Eine Station bis zum Flughafen, dann von der Haltestelle hoch auf die Ankunftsebene, durch Ströme von Koffern hinter sich herziehenden Reisenden.
Da muss auch schon unser erstes Kind aufs Klo und es finden sich sofort noch zwei weitere Mitgänger. Währenddessen stehen sich die anderen schön in Reihe und Glied die Beine in den Leib. Dann endlich geht es hinaus ins Freie, über sämtliche Bus- und Autospuren hinüber Richtung Mövenpick Hotel. Als wir auf den breiten Weg davor einbiegen, dürfen die Kinder endlich die Hände loslassen und in ihrem eigenen Tempo weiterlaufen.
Sofort entzerrt sich die Meute und während die ersten sich schon auf der Messepiazza ausruhen, zockeln die letzten noch in aller Gemütsruhe – zwei Schritte vor, einen zurück – durch die Unterführung hinterher. Die Sonne strahlt vom Himmel und blendet uns fast auf der großen, weiten und hellen Fläche des Messeplatzes.
Als alle 34 Kinder und fünf Betreuer wieder vereint sind, geht es gemeinsam in Richtung Bosch-Parkhaus. Sobald die Richtung klar und die Schlucht der riesigen, leeren Autogarage erreicht ist, stürmt die Vorhut davon, das Mittelfeld folgt und die beiden Betreuer am Ende des Zuges sammeln alles ein, was verloren zu gehen droht. Manchmal ist ein wenig schieben, ziehen, plaudern, überreden und tragen notwendig – und fotografieren.
Aber auch an der Spitze des Trosses muss zurückgepfiffen und getragen werden. Und dann, bevor es an den Abstieg nach Plieningen geht, verspüren plötzlich drei Mädchen das Bedürfnis, das sie besser auf der Flughafentoilette gestillt hätten. Wo soll man in dieser Betonwüste pinkeln, wenn es doch so dringend ist? Aber wir sind ja erfahrene Draußen-Tagler. Ein Abflussgitter, das ziemlich ausgetrocknet daliegt, kommt wie gerufen. Nach dieser Erleichterung geht es am Ende des Parkhauses nur noch abwärts und die Beine laufen fast wie von allein; bei den meisten jedenfalls.
Mehrmals wird die Lauf- und Sichtrichtung geändert, einmal geht man direkt auf die Autobahn zu, auf der die Autos ohne Ende dahin strömen, dann blickt man auf eine weitere Unterführung und in der Ferne ist der Kirchturm von Plieningen zu sehen.
Wir tauchen in ein Stück satte Sommernatur ein.
Oh, was es da alles zu sehen gibt, wenn man denn hinschaut. Die Schlusslichter nehmen sich besonders viel Zeit. Jedes Blümlein am Wegrand wird geprüft, ob es sich denn zum Mitnehmen eignet. Ein kleines, durchscheinendes Schneckenhäuschen wird bewundert und einem Paar zarter Kinderhände überlassen, bis es keine zehn Meter später bedauernd heißt: „Oh, jetzt ist es zerbrochen!“ und das Kind nur noch Einzelteile in der Hand hält. So, jetzt hat es diese Erfahrung auch gemacht und die pädagogische Fachkraft schwört sich innerlich zum hunderttausendsten Mal, nie, nie wieder einem kleinen Kind einen zarten und zerbrechlichen Gegenstand anzuvertrauen. Da entdeckt sie am Wegrand einen Frosch; er ist tot und schon ziemlich vertrocknet, also keine Gefahr mehr für das Tier von Seiten der Kinder. Diese bemerken seinen Zustand allerdings nicht, starren dann aber umso faszinierter, als sie darüber informiert werden.
„Ich muss mal!“, hört man zur Abwechslung mal wieder ein Kind und schon schließen sich zwei weitere an. Ein kleiner Junge schafft es allein und im Stehen, ein Mädchen vergeht es angesichts von Ameisen, kitzelnden Grashalmen und interessierten Zuschauern wieder. Auf diese Weise wird der Weg im Schneckentempo bewältigt, zumindest am hinteren Ende unserer Gruppe. Die Spitze und das Mittelfeld sind längst nicht mehr zu sehen, bereits um die Ecke zum See abgebogen und hinter Gebüsch und Bäumen verschwunden. Aber irgendwann haben es auch die letzten geschafft und tappen über die kleine Holzbrücke, schieben die Köpfe zwischen dem Geländer durch, um den Rennebach darunter zu bewundern, der ein wenig verwunschen durch eine grüne Buschhöhle über Steine plätschert.
Der Langwiesener See hat, wie für uns geschaffen, ein Metallgeländer, an dem sich die Kinder aufreihen und auf die algig-grüne Wasserfläche starren.
Sie entdecken Herrn und Frau Ente, am anderen Ufer einen faul in der Sonne stehenden Reiher, ein Junge will sogar Fische gesehen haben.
Ein amerikanisches Mädchen fragt die Kollegin: „Excuse me, did we come here to see ducks?“ Diese antwortet etwas irritiert: „Ja? Magst du keine Enten?“ Darauf das Mädchen: „Yes, I like ducks, but we walked so far ...“ Vielleicht hat sie ja nach dem gefühlt meilenweiten Marsch etwas Spektakuläreres erwartet. Bald darauf ruft ein Junge aus vollem Herzen: „Da habt ihr aber ein schönes Plätzchen ausgesucht!“ Es ist immer faszinierend, wenn Kinder ihren Empfindungen Ausdruck verleihen. Während die Kollegen sich mit den Kindern am Teich und am Bächlein aufhalten, wird der Rucksack geöffnet und die Trinkrunde eingeläutet. Da sind alle auf einmal ziemlich durstig und die Schreiberin kommt kaum mit Einschenken hinterher. Zum Glück gibt es drei große Wasserflaschen. Natürlich bleibt dies nicht folgenlos, man ahnt es schon. Also, ein Plätzchen etwas abseits suchen, die Gaffer verscheuchen, Hose runter, Kind an den Kniekehlen halten, in die Hocke gehen und die Unterarme auf die Oberschenkel stützen (Rücken schonende Haltung) – und hoffen, dass es schnell geht! - Welchem Leser das zu viel Pinkeln ist, dem sei gesagt, dass es an diesem Tag das letzte Mal vor der Rückkehr in den Kindergarten ist und: „Willkommen in der Welt des Kindergartens“. Nachdem der Wasserhaushalt bei allen wieder im Lot ist, müssen wir uns auch schon wieder auf den Rückweg machen. Dieser lässt sich ziemlich kurz fassen, denn es ist derselbe Weg und es gibt wieder dieselben Laufgruppen.
Ganz hinten geht es spannend zu. Drei kleine Mädchen gehen mehr oder weniger gemeinsam, wobei zwei von ihnen der Blumensammeltrieb gepackt hat. Die eine jedenfalls pflückt mit Hingabe zwei, drei Blütenköpfe ab, präsentiert sie glücklich und verkündet: „Die bring ich meiner Mama.“ Die zweite hätte auch gern Blumen, findet es aber bequemer, sie der anderen Sammlerin aus der Hand zu nehmen. Das führt natürlich zu Protesten und Unmutsäußerungen. Die dritte hält sich völlig heraus, mag wohl keine Blumen, die beiden anderen aber versuchen immer wieder, sie in ihre Hühnerkämpfe mit hineinzuziehen. Das trägt natürlich nicht zur Beschleunigung des Rückwegs bei. Leider hilft es auch nichts, gemeinsam mit der kleinen Blumenräuberin genau die gleiche Blume abzupflücken, die sie gern von der anderen haben möchte. Als letztere nämlich unbemerkt eines der Blumenköpfchen verliert, die sie auf der offenen Handfläche vor sich herträgt, hat das eine bemerkt – wer wohl? Klar, da geht die Streiterei wieder von vorne los. Man sollte ein paar mehr Arme haben und sich die Damen unter dieselben klemmen können, aber die Arme sind schon besetzt, zwei Kinder wechseln sich mit getragen werden ab. Aber auch vorne wird wie auf dem Hinweg etappenweise geschleppt.
Vor dem Mövenpick Hotel sortieren sich die Truppenteile wieder zu einer ordentlichen Zweierreihe und es geht zurück zur S-Bahnhaltestelle im Flughafen, wo bereits die Bahn zur Abfahrt wartet. Wie schön, es ist ein Zug mit Überbrückungshilfe, d. h. der Spalt zwischen Bahnsteig und Waggon wird von einer Metallschiene gedeckelt. So können keine kleinen Beinchen mehr in Gefahr geraten, hängen zu bleiben. Sitzplätze gibt es ausreichend für alle, Echterdingen ist schnell erreicht. Die Fahrt ist gerade mal lange genug, um einem kleinen Mädchen die Schuhe richtig herum anzuziehen. Sie hat sich diese im Kindergarten wohl selbständig an die Füße gewerkelt und keiner von uns Großen hat auf dieses Detail acht gegeben. Der prüfende Blick über die Kinderfüße hat offensichtlich nur registriert, ob es sich um Straßen- oder um Hausschuhe handelt und nicht, ob sie auch an den richtigen Füßen stecken … Auf dem Bahnsteig wird noch einmal nachgezählt, ob auch alle 34 Kinder ausgestiegen sind. Als das Ergebnis feststeht, ist es jedoch zu spät, noch etwas daran zu ändern, denn der Zug ist abgefahren. Zum Glück sind wir vollzählig. Über den Rückweg zum Kindergarten kann getrost der Mantel des Schweigens gehüllt werden. Fünf Minuten nach unserer Ankunft sitzt das gesamte Personal erschöpft und in langsam sich lösender Anspannung auf den Bänken, wohingegen die Kinder schon wieder völlig vertieft im Sand buddeln oder sogar eine neue Auflage des zur Zeit hoch beliebten Fußballmatches Italien gegen Deutschland austragen. Die ersten Eltern holen ihre Kinder ab und mögen sich verwundert fragen, warum das pädagogische Personal gerade mal ein müdes Lächeln für sie übrig hat. Nun, jetzt wissen Sie es.
Natürlich hat der Ausflug Spaß gemacht, auch uns Großen. Vor allem sind wir froh und dankbar, dass nichts passiert ist. Kein Kind ging verloren, keines ist ins Wasser gefallen, die Ersatzklamotten und Windeln wurden nicht gebraucht, ebenso wenig wie die Kühlpackung oder das Notfalltelefon. Was will man mehr? Witzig ist es, als eine Mutter fragt, an welchem Fluss wir denn gewesen wären, hier gäbe es doch keine Flüsse. Für Kinder ist es wohl logisch, dass es sich um einen Fluss handelt, sobald Wasser fließt.
Am Ende sind es doch mehr Details geworden und auch nur aus der Sicht der Schlusslichter. Aber so ist das im Kindergarten. Einer kann nie alles sehen und auch wenn man das was alle sehen zusammenfügt, geht vieles unbemerkt verloren. Trotzdem wird wohl jedes Kind seine ganz eigenen Eindrücke von dem Ausflug mitnehmen, vielleicht nur ein Gefühl, etwas ganz Kleines, vielleicht aber auch gar nichts Messbares. Und das ist dann einfach so.
Langwieser See - einmal hin und zurück
Wissen Sie wo der Rennebach und der Langwieser See sind? Wir waren dort – am letzten Draußen-Tag. Man fährt mit der S-Bahn zum Flughafen, schlängelt sich auf der „Ankunft“-Ebene durch die Reisenden zum Ausgang, lässt das Möwenpick-Hotel rechts liegen, um durch die tunnelähnliche Unterführung die riesengroße, weite und, in unserem Fall auch, menschenleere Messepiazza zu betreten. Diese überquert man nordwärts und biegt danach rechts in das Bosch-Parkhaus ein. Wie das Volk Israel durch das Rote Meer schreitet man zwischen den sich zu beiden Seiten mächtig auftürmenden Parkhaushälften hindurch, unter sich das Tosen der Autobahn. Am östlichen Ende erreicht man den Abgang nach Plieningen und findet sich nach all dem Beton plötzlich in einer, zu dieser Jahreszeit üppig blühenden, lieblichen Landschaft wieder. Man folgt dem sich zwischen Wiesen und Feldern sanft dahin schlängelnden Weg und ahnt schon, dass sich links hinter den vielen hohen Bäumen der See verbirgt. Und richtig, über eine schmale Holzbrücke quert man den Rennebach und steht vor dem Langwieser See. Hat man so wie wir etwas Glück, kann man den Reiher, die Enten, Wasserläufer und Libellen entdecken, Frösche und Vögel hören und sich am Grün sattsehen, bevor es in umgekehrter Reihenfolge wieder zurück geht.
Juni 2016
Bunte Zutaten
Man stelle ein paar Biertischgarnituren und drei Kreativstationen auf, dazu singende Kinder vor entspannte und gutgelaunte Familien, gefüllte Salatschüsseln und Servierplatten aufs Fensterbankbüfett und schon hat man die Zutaten für ein Kindergartensommerfest, unser Sommerfest. Farbe in den etwas trüben Samstagvormittag bringen die selbst aufgefädelten bunten Perlenarmbänder und –ketten, die gebastelten Wurfbälle mit den leuchtenden Krepppapierschweifen, die gigantischen, regenbogenfarbenschillernden Riesenseifenblasen eines motivierten und geschickten Vaters und die kräftig strahlenden, selbst gebatikten Stofftäschchen, die am Wäscheständer zum Trocknen hängen. Die Anschaffung Letzterer war Dank einer Geldspende eines Kirchengemeindemitgliedes möglich. Also, an dieser Stelle, liebe Spenderin, sollten Ihnen in Echterdingen Kinder mit Batikstofftäschchen begegnen, dann können Sie Sich von Herzen freuen, so wie die Kinder, als sie ihre fertigen Unikate in Empfang genommen haben: kleine, bunte, bleibende Erinnerungen an ein schönes, gemeinsames Fest.
Mal wieder ein Abschied...
Nach zwei Jahren verlässt uns unsere Sprachfachkraft, um ihre berufliche Zukunft in ihrem zweiten Kindergarten auf feste Füße zu stellen. Das gönnen wir ihr von Herzen und vor allem gönnen wir sie den Kindern und Kollegen dort, hoffentlich wissen sie sie zu schätzen! Der Abschied wird mit allem Brimborium (Wunderkerze, Lied, Abschiedsgeschenk und Kekse) gefeiert. Die Kekse darf sich jedes Kind persönlich abholen und bei der Gelegenheit noch ein paar Worte zum Abschied sagen – so ist es jedenfalls beabsichtigt. Wenn ein Kind aber Kekse vor Augen hat, dann ist der Mund schon mit Kauen beschäftigt und das Gehirn mit Auswählen. Als nach drei Runden Kekse dann alle zufrieden auf den Stühlen sitzen, Mund und Hirn befriedigt, macht es irgendwo „Klick“ und der Groschen fällt: Abschied! Wie auf ein heimliches Kommando hin stürzen sich alle Kinder im Pulk auf die Scheidende und es gibt ein kollektives, nicht enden wollendes Knuddeln. Alles hat eben seine Zeit, so steht es schon in der Bibel (Prediger 3, 1-8); Kekse essen und knuddeln auch.
Tag der offenen Tür
Heute ist mal wieder Bürozeit, denn einiges steht an. Nach einer Weile kommen zwei Jungs ins Büro mit ihren begonnenen Freundschaftsarmbändern. „Kannst du uns helfen?“ Na ja, eigentlich … „Dann zeigt mal her.“ Der Kollege kommt und entschuldigt sich für die Störung. „Sie meinten, da muss ihnen eine Frau helfen, ein Mann könnte das nicht.“ Aber der Kollege kann das wohl, hat es erst kürzlich gelernt. Und bald darauf wird zu viert eifrig im Büro geübt und geknotet. Später, kaum wieder allein, geht leise die Tür auf und ein Mädchen schleicht sich herein, nimmt einen Stuhl, zwei Notizzettel und setzt sich an den Schreibtisch. Mit Tesafilm und Stiften wird sie kreativ. Die Unterhaltung mit ihr ist witzig – ach, und selbstverständlich auch sprachförderlich! Etwas später steckt der Kollege wieder den Kopf herein: „Klar, hier bist du. Wo auch sonst?“ und holt sie zum Stuhlkreis ab. Der Berg Arbeit nimmt nicht so schnell ab wie geplant, aber manchmal gibt es eben Wichtigeres.
So ein Frühling!
Die Matschhosen hängen im Flur am Wäscheständer zum Trocknen. Ein Bild, das zu diesem Frühling passt. Das Ziel zu verwirklichen, täglich in den Garten gehen zu wollen, verlangt von den Erwachsenen immer wieder Überwindung. Aber wenn man merkt, wie nötig es die Kinder haben sich draußen auszutoben, dann siegt die Vernunft über die Bequemlichkeit. Von Kopf bis Fuß in Plastik verpackt trotzen sie dem Regen, während sich die pädagogischen Fachkräfte mal wieder Gedanken machen, ob sie sich nicht vielleicht doch mal endlich Regenjacke und -hose zulegen sollten. So weichen sie eben ganz allmählich durch, während die Kinder das tun, wozu sie im Garten sind: rennen, graben, matschen, Pfützen auslöffeln, schaukeln und Regentropfen mit der Zunge auffangen. Nun denn, das ausgesäte Gras grünt üppig, das Weidenhäuschen treibt an allen Ecken und Enden aus und als wir nach einer Stunde wieder reingehen, weil auch das Plastik irgendwann mal klein bei gibt, hört es freundlicherweise zu regnen auf. So ein Frühling!
Auszeit
Es läuft Teil zwei der Leitungsfortbildung. Das bedeutet: eine Woche weg vom Kindergarten, den Kollegen, den Kindern. Es fühlt sich fast an wie eine Mütterkur, denn Versorgung und Unterbringung im Bernhäuser Forst sind bestens. Nur gibt es statt Moorpackungen, Massagen und Gymnastik Projektmanagement, Recht, Organisations- und Teamentwicklung. Sehr wertvoll ist der Austausch mit den Kolleginnen. Man bekommt nicht nur Erfahrungen und hilfreiche Tipps gratis, sondern auch immer wieder Einblicke, was anderswo los ist. Da folgt dann schnell die demütige Erkenntnis, dass es uns im Lummerland doch im Grunde wirklich gut geht. Trotzdem, zur Sicherheit erfolgt die Nachfrage beim Kollegen, ob dem auch wirklich so ist. Zur Erleichterung vermeldet die Textnachricht „Alles okay“. Na, dann kann die „Mütterkur“ ja ruhig noch in die Verlängerung gehen, oder? Nein, eine Woche reicht, denn – und da sind sich alle Leitungskräfte einig – schließlich fehlen sie einem doch, die Kinder (und die Kollegen, Anm. der Schreiberin). Also, bis Montag dann in alter Frische.
Jedes Stück ein Unikat
Dieses Jahr haben wir mal wieder Zeit bei einer sehr überschaubaren Zahl von Vorschülern individuelle Schultüten zu basteln. Die Emma-Kinder entscheiden sich für ein Motiv, wir stellen Schablonen her, es wird ausgeschnitten und zusammengeklebt. Die passende Farbauswahl erfordert manchmal Vergleiche und somit Zeit. Die kleinen Nebenmotive ergeben sich meist während des Bastelvorgangs. Mit Ausdauer und Hingabe sind die Kinder am Werk und stolz wie Bolle, wenn sie dann mit ihrer fertigen Schultüte im Arm zum Schnappschuss in die Kamera grinsen. Einmal Batman und Rapunzel sind schon fertig, samt Minifledermäusen bzw. Efeuranken und Juwelen. Hello Kitty und der goldenen Ninjago befinden sich in Arbeit und die Planung zweier weitere Tüten läuft demnächst an. Eins ist sicher, jede dieser Schultüten ist ein einmaliges Schmuckstück für den Tag, an dem der Ernst des Lebens beginnt; eine davon darf sogar in den USA glänzen.
Mai 2016
Regenwald
Mairegen an zwei von drei Tagen im Wald – aber es hätte noch schlimmer kommen können. Unsere Planung fiel fast komplett ins Wasser und wer keine Gummistiefel und Matschsachen hatte, war selber schuld. Nach 500 Metern Marsch unter dem heftig tropfenden Blätterdach war uns das Ziel Riesenschanze egal; nichts wie zurück zur Spielwiese. Feuer machen dank Trockenholzspende eines Großvaters und das spontane Grillen von Würstchen und Marshmallows war an den Regentagen der einzige Höhepunkt. Am dritten Tag dann ein versöhnlicher Abschluss: wir konnten trockenen Fußes zum Spielplatz am Waldheim gehen. Und wer hätte es gedacht? Als dann die Toilette an der Spielwiese geputzt und alles wieder eingepackt und vorbei war, da kam die Sonne und streckte uns die Zunge heraus. Nun ja, die Vögel haben auch im Regen gezwitschert und die meisten Kinder waren erstaunlich robust und wasserresistent. Hut ab vor allen Waldkindergärten, besonders wenn Regenwald ist.
Neulich im Kindi
Kollegin zu einem Kind: „Hör auf, J. zu ärgern!“ Kind: „Okay“, macht es aber wieder. Kollegin: „Was hab ich zu dir gesagt?“ Kind: „Aber ich hab ihn nur ein ganz klein wenig geärgert.“ – Auf der Toilette. Kollege: „Denk ans Händewaschen, wenn zu fertig bist.“ Kind: „Ja, das weiß ich doch. Wozu hab ich hier drin denn eine Gebrauchsanleitung?“ (Innen an den Türen hängen Bildchen für „Klopapier verwenden“, „spülen“ und „ Hände waschen“.) – Kollege liest den Aufdruck auf dem T-Shirt eines Kindes ‚The world is a playground‘ und sagt: „Ah, die Welt ist also ein Spielplatz!“ Ein Mädchen erklärt ihm: „Nein, die Welt ist kein Spielplatz, aber auf der Welt gibt es viele Spielplätze.“ – Beim Mittagessen fragt der Kollege: „Wer will noch Nudeln?“ Der andere Kollege ergänzt: „Käsenudeln.“ Das amerikanische Mädchen entrüstet sich: „Des hoißt doch Kässchbätzla!“ – Kind zur Kollegin: „Wieviel mal noch schlafen, bis du tot bist?“ – Mädchen im Garten: „Ich möchte sterben.“ Der Kollege fragt betroffen: „Weshalb denn?“ Das Mädchen: „Weil ich zu Gott will und Gott ist im Himmel und wenn ich sterbe, komme ich in den Himmel.“ – Vor etwas längerer Zeit: Wir spielen Schuhsalat. Ein Junge nimmt die Schuhe der Kollegin vom Kinderschuhberg und der Kollege fragt ironisch: „Na, wem mögen denn wohl diese Schuhe gehören?“ Der Dreieinhalbjährige stellt sie vor der Besitzerin ab und sagt völlig cool: „Diese. Schuhe. Gehören. Zu. Dieser. Frau.“
Akustische Differenzierung
"Radio Piep“ ist ein bei unseren Kindern zur Zeit sehr beliebtes Spiel. Im Stuhlkreis wird ein Kind unter einer Decke versteckt, während ein anderes vor der Tür wartet. Kommt es wieder herein, singt das Kind unter der Decke ein Lied und das andere muss erraten, wer unter der Decke ist. Heute leitet eines unserer Emma-Kinder dieses Spiel und bestimmt nach ein paar Runden, dass sich der Kollege unter der Decke verstecken soll. Dann will sie das ratende Kind in die Irre führen und behauptet, es wären zwei Kinder unter der Decke (der Kollege ist einfach zu groß). Der Versteckte gibt sich große Mühe, nicht erkannt zu werden und verstellt seine Stimme. Die Ratende hört sich sein Singen eine ganze Weile an, sie überlegt, hört zu, schaut in die Runde. Aber sie lässt sich nicht veräppeln und errät, wer das Radio ist. Nun ist der Kollege an der Reihe und geht vor die Tür. Unsere Spielleitung bestimmt – es soll ja nicht zu einfach sein – drei Kinder und packt sie unter die Decke. Zwei der drei „Radios“ erkennt der Kollege auf Anhieb, bei dem dritten hat er aber erhebliche Probleme. Welche Namen er auch sagt, es stimmt keiner. X-mal drückt er mit dem Finger auf das Kind unter der Decke und sagt: „Radio Piep“. Geduldig singt das Mädchen ebenso oft „Alle meine Entchen“. Wir Erwachsenen merken einmal mehr, welchen Sinn dieses eigentlich banale Spiel hat. Man muss genau zuhören und ziemlich im Gehirn kramen. Irgendwo dort findet der Kollege dann auch die richtige Antwort und am Ende dürfen die Kinder mit hochroten Köpfen unter der Decke hervorkommen.
Situationsorientiert
Der Freund in der Grundschulförderklasse wird immer noch sehr vermisst und so besuchen wir ihn am Draußen-Tag. Als hätten sie es geahnt, spielen er uns seine Klasse bei unserer Ankunft auf dem Pausenhof. Nach "Hallo!" und "Wie geht's?" wird gemeinsam getobt, geklettert, gerutscht und geturnt. Das Klettergerüst ist eine Wucht – bis die Pausenglocke läutet. Die Goldwiesenschüler stürmen aus dem Gebäude und überrollen alles lautstark und gewaltig wie eine Tsunamiwelle. Freiwillig und in kürzester Zeit sitzen unsere Kinder leicht eingeschüchtert am Rand und verfolgen mit offenen Mündern das Naturschauspiel. So schnell er gekommen ist, mit dem zweiten Gongschlag ist der Spuk wieder vorbei. Bald darauf machen auch wir uns auf den Heimweg. Der führt vorbei an zwei Eisdielen. Leider können wir auf das dringende Bedürfnis der Kinder nach Eiscreme nicht eingehen. Lautstarker Protest: "Ihr seid gemein! Dann kommen wir halt mit unserem eigenen Geld wieder!"
Der April macht was er will
und stellt uns bilderbuchmäßig auf die Probe bezüglich Spontaneität und Anpassungsfähigkeit. Dabei geht es nicht nur ums Wetter. Herumziehende Virenstämme und Bakterienvölker reißen abwechselnd Lücken in die Kinderschar und das Team. Täglich muss nicht nur neu entschieden werden „Matschhose oder nicht?“, sondern auch pädagogisch abgewogen, ob wir das was wir geplant und vorbereitet haben durchführen können und in welcher Form. Im Garten draußen kümmern sich in trockenen Phasen spontan Eltern von Dschungel und Lummerland um eine Frühjahrskur für den gemeinsamen Garten. Die Rasensaat freut sich über regelmäßige Regenschauer und die künstliche Bewässerung hält sich in Grenzen. Mit dem frischen Grün und den langsam ansteigenden Temperaturen verziehen sich hoffentlich bald die letzten Krankheitskeime. Ab sofort heißt es sowieso: Alles neu macht der Mai.
April 2016
Das verlorene Paradies
Adam und Eva waren die ersten Veganer. Interessant, was man bei der Vorbereitung einer biblischen Geschichte entdeckt. Aber nicht deshalb ist der Inhalt der Erzählung vom Sündenfall ganz nah an der Lebenswirklichkeit unserer jungen Zielgruppe. Jedes Kind kann oder wird die Situation und die Gefühle der beiden Hauptpersonen, Adam und Eva, nachempfinden können: Es gibt ein Verbot unter Strafandrohung; irgendwann wird es übertreten, weil man zu zweit oder zu dritt mutiger ist; dann meldet sich das schlechte Gewissen und man möchte vertuschen; schließlich fliegt das Vergehen auf und man versucht, die Schuld auf den Anderen abzuwälzen („Der hat gesagt, ich soll das machen.“ Wie oft hören wir diesen Satz im Kindergarten.); am Ende folgt die angekündigte Strafe, in diesem Fall bedeutet es raus aus dem Paradies und hinein ins raue Leben voll Sorgen, Mühsal, Tod. Nach der Erzählung fasst ein Kind spontan seine Eindrücke zusammen: „Bei uns hier ist es aber viel schöner!“ und findet den Beifall mehrerer Altersgenossen. So ein Leben im Paradies muss schon langweilig gewesen sein, sind sie sich einig. Ob das Adam und Eva wohl auch so gesehen haben mögen?
Regeln und Quatsch - Protokoll einer Emma-Stunde
Wenn jemand über dieses Thema Bescheid weiß, dann unsere Vorschüler. Also, neulich in der Emma-Stunde: „Was sind Regeln?“ – „Dass man sich dran halten muss.“ – „Dass man nicht machen kann, was man will.“ – „Was ist Quatsch machen?“ – „Ins Waschbecken pinkeln.“ (Gelächter) – „Aufs Klo klettern und den Nachbarn ärgern.“ – „Blöde Sachen sagen und rumschreien.“ (lautstarke Kostprobe) – „Im Stuhlkreis herumtanzen.“ – „Quatschmonster!“ (allgemeines Grinsen) – „Und mit wem macht ihr am liebsten Quatsch?“ – „Mit allen meinen Freunden.“ (da herrscht Einigkeit) – „Machen eure Eltern auch Quatsch mit euch?“ – „Ja, Papa!“ (auch hier allgemeine Übereinstimmung) – „Und Mama?“ – „Die ist viel strenger, aber die lacht sich kann kaputt, wenn Papa und ich Quatsch machen.“ (aha, Rollenverteilung) – Und dann phantasieren die Kinder über einen Quatschspielplatz in lustigen Farben, mit Trampolinen, Schleudersitzen, Federbrettern, Falltüren, Rutschen, Boxhandschuhen, Quatschfiguren, Achterbahn … „Können wir den gleich anfangen zu bauen?“ Leider nein, aber wir schauen eine weitere Folge der „Jim Knopf“-DVD an, das ist auch nicht schlecht.
Regeln - Ein bisschen Quatsch muss sein
Für das Bespielen der neuen Betonröhre im Garten wollen wir mit den Kindern im Stuhlkreis zwei Regeln besprechen:
1. Nicht von oben herunterspringen und
2. Keine Spielsachen mit hoch nehmen.
„Wer von euch weiß denn, was Regeln sind?“ Ein Kind: „Zum Beispiel, dass man keinen Quatsch machen soll.“ - „Welche Regeln für den Stuhlkreis haben wir denn besprochen?“ Ein anderes Kind: „Wir sollen keinen Quatsch machen.“ - „Aber was ist mit den Toilettenregeln?“ Ein drittes Kind: „Wir sollen auf dem Klo keinen Quatsch machen.“ Auf dieses verkürzt wiedergegebene Gespräch hin benennt die etwas verstörte Fragerin kurzerhand die beiden „Röhrenregeln“, bevor noch mehr Quatsch herauskommt. „Keinen Quatsch machen“ ist für die Kinder wohl die Zusammenfassung und Quintessenz all unserer Regeln, dabei kann Quatsch machen doch auch harmlos und spaßig sein. Der Duden sieht dies ebenso und spricht u.a. von: „harmloser Unfug, Alberei; Jux“. Da herrscht noch Klärungsbedarf, denn ab und zu ein bisschen Quatsch von der richtigen Sorte kann Pfeffer in der Suppe des Alltags sein.
Was, wenn ich mal muss?
Diese Frage taucht regelmäßig auf, wenn bei uns ein Draußen-Tag, ein Ausflug, ein Spaziergang oder ein Besuch im Kindertheater ansteht. So muss jedes Mal die Verfügbarkeit eines stillen Örtchens im Voraus bedacht und möglichst geklärt werden. Klar, wir schicken vor dem Weggehen noch einmal alle aufs Klo, aber das muss nichts heißen, denn auch unterwegs kann man ja mal müssen müssen. Im Wald geht es ganz gut, auf dem Spielplatz meist auch noch, aber was ist mit dem freien Feld, dem Gang durch den Ort oder eine fremde Stadt? Mit fünf Jahren weiß man genau, wann Publikum erwünscht ist und wann Privatsphäre Not tut. Als pädagogische Fachkraft hat man deshalb einen eingebauten Toilettensensor, der die Umgebung permanent nach potentiellen Pinkelgelegenheiten abscannt. Wohl dem Kind, das sein Bedürfnis rechtzeitig ankündigt. Und wenn man dann mal mit einem aufs Klo geht, hat das – wen wundert es – ansteckende Wirkung auf die Gruppe. Für die Fälle, bei denen sich die Kinder erst nach Erledigung des Geschäfts zu Wort melden, tüfteln wir an einem Frühwarnsystem. Bis dahin hoffen wir, ausreichend Wechselkleidung in den richtigen Größen im Rucksack zu haben.
März 2016
Nichts wie raus!
Freitag, Draußen-Tag, es geht nach Hause zum Kollegen nach Bonlanden. Auf dem Weg zur Bushaltestelle sehen wir eine andere Kindergartengruppe marschieren und, kaum im Bus, steht an der ersten Haltestelle ein weiteres Trüpplein in Matschhosen, das auf eine andere Linie warten. Bei herrlichem Frühlingswetter zieht es wohl alle nach draußen. Unsere Kinder jedenfalls genießen erst die Fahrt und danach die Kekse beim Kollegen daheim, wo zum Glück auch aufs Klo gegangen werden kann. Am Fildorado vorbei – schade, dass wir keine Badehosen eingepackt haben – geht es zum Spielplatz hinterm Stadion. Dort gibt es mal andere Spielgeräte, als die, die wir sonst immer benutzen: Die Rutsche ist steiler, der Kletterturm höher, es gibt mehr Wippen … Und dann tritt der Fall ein, für den man immer die Ersatzhose in den Rucksack packt; da hat wohl jemand vor lauter Keksessen vergessen, aufs Klo zu gehen. Das Malheur ist aber schnell behoben. Beim Rückweg erreichen wir gleichzeitig mit dem Bus die Haltestelle – Glück gehabt! Jeder findet einen Sitzplatz und erfreut sich noch einmal an der Fahrt. Wenn es nach den Kindern ginge, könnte sie ruhig noch länger dauern.
Gänsemarsch
Bastelarbeiten mit Schablonen haftet der Ruch an, kreativitätstötende Einheitswerke hervorzubringen. Davon lassen wir uns nicht abschrecken und stellen den Kindern vorgezeichnete Bauteile für Gänseküken zur Verfügung: Körper, zwei Füße, Schnabel und Wackelaugen in allen Größen. Beim ersten Exemplar assistieren wir den jüngeren Kindern noch, danach wissen sie wie es geht; die Großen puzzeln sich ihren Gänsenachwuchs selbst zusammen. Am Ende prangt eine Parade sehr origineller Küken am Fenster. Es gibt nämlich fast unzählige Möglichkeiten, die Teile auszuschneiden und danach zusammenzukleben. Am Ende ist jedes Gänslein so individuell, bunt und einzigartig wie das Kind, das es gefertigt hat.
Ein Jahr ist schnell vorüber
und Zauberer Calanis mal wieder auf Stippvisite bei uns. Einige Kinder sind zum ersten Mal dabei und haben trotzdem keine Scheu, sich als Assistenten zur Verfügung zu stellen. Mit großen Augen verfolgen sie, wie schwarzweiße Single-Schallplatten plötzlich Farbe annehmen, nachdem ein Kind ein Tuch der entsprechenden Farbe durch das Loch in der Mitte steckt. Ein anderes füllt Watte in einen Pokal, die nach einer beeindruckenden Stichflamme (hier fügt Calanis einen kleinen Exkurs über die Gefahren von Feuer ein) zu einer Kette bunter Tücher wird. Auch nach jahrelangem Zuschauen gelingt es den Erwachsenen immer noch nicht, hinter alle Tricks zu kommen. Es bleibt also weiterhin spannend. Am Ende füllt sich wie gewohnt ein Gefäß auf geheimnisvolle Weise mit Bonbons und jeder bekommt eins geschenkt. Das Einwickelpapier bleibt (wie all die Jahre zuvor) nach kräftigem Reiben auf wundersamer Weise an der Handfläche haften und „schwebt“ scheinbar nach oben. Bisher musste die Schreiberin getröstet werden, da es bei ihr nie funktionieren wollte. In diesem Jahr jedoch kann sie vor lauter kindlicher Freude nicht an sich halten, allen zu verkünden: „Seht her! Es klappt!“ – „Ich kann zaubern!“ verkneift sie sich nach sieben Jahren Physikunterricht aber gerade noch.
Lernen
Die beiden Schaukeln im Garten sind besetzt und mindestens sechs Kinder stehen in Warteposition. Da dauert es, bis man an die Reihe kommt. Und sitzt man dann endlich drauf, vergeht die Zeit, bis man wieder runter muss, viel zu schnell. - Mit viel Hingabe ist die Schienenbahn aufgebaut worden, da stolpert jemand darüber und zerstört einen Teil davon. Mehr als ärgerlich! Man würde am liebsten explodieren. - Am Maltisch kritzelt einem der Nachbar auf die in der Fertigstellung befindliche Malerei. Da könnte man doch gleich aus der Haut fahren! - In der Puppenecke scheint einer der Mitspieler heute auf Krawall gebürstet. Nichts als Ärger, aber keiner hat angefangen. - Als Kindergartenkind hat man es nicht leicht. Man muss sich an Regeln halten. Man muss warten können. Man soll teilen und abgeben können. Man soll lernen, Konflikte selbständig zu lösen. Und außerdem soll man seine Gefühle anderen mitteilen können (Ich-Botschaften). Können eigentlich die Erwachsenen das alles?
Hoch soll er leben!
Nicht jeder unserer Jubilare begeht seinen Ehrentag so sichtlich genuss- und freudvoll wie es uns der frischgebackene Vierjährige diese Woche vorgemacht hat. Von Anfang bis Ende des Kindergartentages kann man seinem Gesicht die Freude an diesem einmaligen Ereignis ablesen. Es ist keine Frage, welche zwei Freunde er einlädt neben ihm zu sitzen. Selbstbewusst zieht er mit seinen beiden Gästen zu „Zum Geburtstag viel Glück“ in den Stuhlkreis ein und erklimmt seinen Geburtstagsstuhl mit der voll Stolz getragenen Krone auf dem Haupt. Es ist eine Freude zu sehen wie vergnügt er ist: beim Schlagen des Gongs nach jeder angezündeten Geburtstagskerze, beim Auswählen seines Geschenks aus der „Schatzkiste“, beim Entgegennehmen des Geburtstagsständchens, beim Lärm und Getrampel der Geburtstagsrakete und dem Halten der abbrennenden Wunderkerze, beim Auspusten der vier Kerzen, sogar beim Hochleben als es bis knapp unter die Zimmerdecke geht. Auch das Verteilen der von seiner Mutter gebackenen Kekse an die Gäste zelebriert er. „Seht her, dies ist mein Tag!“ – Hoch soll er leben!
Februar 2016
"Die perfekten Kindergarteneltern gibt es nicht",
sagt die Referentin kürzlich bei einer Fortbildung überzeugt. Unser Kollege widerspricht; in unserer Einrichtung gab es schon einmal perfekte Kindergarteneltern: Sie hatten vollstes Vertrauen in uns und ließen es uns auch spüren. Zudem waren sie verständnisvoll, interessiert, hatten stets ein freundliches, aufmunterndes Wort, wurden es nie müde, Freude an und Dank für Kindergartenaktionen zum Ausdruck zu bringen und waren immer mit dabei, wenn es etwas zu tun gab. Die Garderobengespräche – herzlich, offen und humorvoll – waren kleine Freudeninseln und Alltagsperlen für uns pädagogische Kräfte. Im Kindergarten sahen diese Eltern das eigene Kind als Teil einer Gemeinschaft, wo es sich wohlfühlte und mit seinen Freunden spielte. „Alles andere ist Aufgabe der Familie“, waren sie überzeugt. „Eine Ausnahme“, gibt die Referentin unwillig zu. Mag sein, aber es gibt doch immer wieder Eltern, die diesem Vorbild in einigen Punkten nahe kommen.
"Wer hat den Keks aus der Dose geklaut?"
ist ein rhythmisches, höchst sprachförderliches Spiel. Es wurde 2014 vom Kollegen mit in die Einrichtung gebracht und erfreut sich seither größter Beliebtheit bei Groß und Klein. (Wahrscheinlich ist das Spiel ein alter Hut, aber das Rad gibt es auch schon lange und doch meint jeder Führerscheinneuling, es wäre eigens für ihn erfunden worden.) Wie es geht? Einer stellt die obige Frage in den Raum, der Geistesgegenwärtigste sucht sich ein Opfer aus und behauptet im Brustton der Überzeugung: „Egon* hat den Keks aus der Dose geklaut.“ Der fällt aus allen Wolken: „Wer ich?“ – „Ja, du!“ – „Niemals!“, wehrt sich der Beschuldigte. „Wer dann?“, kommt die Rückfrage. Kurzes Zögern, ein Blick in die Runde und ein vermeintlicher Täter ist gefunden. „Ida* hat den Keks aus der Dose geklaut!“ Und mit Ida geht es wieder von vorne los. Natürlich war es keiner, aber alle haben ihren Spaß und niemand wird verschont. Man kann dabei auch manch schauspielerisches Talent entdecken. Probieren Sie es doch mal bei der nächsten Familienfeier oder mit Ihren Kollegen aus, Sie werden den Rhythmus schnell finden. (*Alle Namen wurden geändert; Anm. der Verfasserin.)
Weinselig
Nach einem arbeitsreichen Vormittag im Kindergarten sitzen wir zu dritt mit zig weiteren Kollegen in Stuttgart in der Einführungsveranstaltung einer Fortbildung. „Sie werden das meiste schon kennen und täglich anwenden“, schickt die Referentin voraus, „aber hier erhalten Sie die neuesten Forschungsergebnisse, die Ihnen zeigen, warum Sie Ihre Arbeit richtig machen und sie funktioniert. Es ist wie mit altem Wein in neuen Schläuchen.“ Erkenntnisse aus der Hirnforschung stecken dahinter. Der Nachmittag wird dann wirklich kurzweilig und spannend. Klar kennen und praktizieren wir vieles davon, aber es wird uns neu bewusst, wie kostbar und wertvoll dieser „alte Wein“ ist. Darauf, dass z. B. beim Singen und Spielen von „Mein Hut, der hat drei Ecken“ oder „Dri Chinisin mit dim Kintribiss“ das Hirn gefordert wird, kann man ja eigentlich selber kommen, oder? Die neuen Schläuche jedenfalls machen sich gut. Wir wollen jetzt erst einmal mit den Kindern die alten Lieder mit neuer Überzeugung singen und freuen uns schon auf die nächste Weinprobe.
Abschied
Eines unserer Emma-Kinder darf ab Februar in die Grundschulförderklasse gehen, praktisch schon mal „in die Schule“. Er ist mächtig stolz und voller Vorfreude. Nicht so seine Freundin: „Ich bin traurig, dass er dann nicht mehr hier ist“, sagt sie gefühlte hundert Mal. Bei ihm hingegen überwiegen die positiven Gefühle, außerdem hätte seine Mutter gesagt, dass der Kindergarten zu klein für ihn geworden sei. Das klingt zwar fast so, als wären wir geschrumpft, andererseits trifft es doch irgendwie zu: Der Kindergarten ist als Pflanzgefäß für seine Wurzeln zu eng geworden und es geht für ihn in einem größeren Topf und mit anderem Dünger weiter. Das macht uns Erwachsenen den Abschied in diesem Fall einfacher. Den Kindern aber versüßen wir ihn mit einem Gang zur Goldwiesenschule, wo die Grundschulförderklasse beheimatet ist. Dort machen wir ein Erinnerungsfoto und toben uns auf dem Klettergerüst im Schulhof aus. Zurück im Kindergarten wird dann zünftig gefeiert: mit Gesang, Spielen, Überreichen der Kindergartenmappe, natürlich einem Stück Kuchen für jeden und viel Gelächter.
Januar 2016
Rausgehen oder drinbleiben?
Es ist mal wieder Freitag (Draußen-Tag), eiskalt und drei von vier Kollegen sind etwas angeschlagen. Rausgehen oder drinbleiben? Zwei wollen an die frische Luft, zwei bei der Heizung bleiben, passt doch! „Kinder, wer will mit rausgehen?“ Die Begeisterung hält sich trotz Sonnenscheins sehr in Grenzen. „Keine Lust, spazieren zu gehen …“, heißt es. Plötzlich schlagartiger Stimmungswechsel: Jemand hat das Stichwort „Spielplatz“ fallen lassen. Sofort hat die Mehrheit der Kinder schon die Matschhosen an und ein sehr überschaubares Häufchen, das nicht einmal die Aussicht auf einen Spielplatzbesuch vor die Tür locken kann, bleibt völlig unbeeindruckt zurück. So geht es diesmal zu zweit und mit 19 Kindern quer durch Ortsmitte und Straßenverkehr. Nach dieser nervlichen Herausforderung stellen wir dankbar fest, dass wir den „Wasserspielplatz“ (Adolf-Murthum-Straße) für uns allein haben. Herrlich! Klettern bis zur Spitze, den schneeglatten Hügel wie ein Stuntman hinunterrollen, von Anfang bis Ende in der Nestschaukel liegen – jeder macht nach Herzenslust was er will. Nicht ganz jeder; wir Großen müssen den Überblick über Kinder, Handschuhe und Mützen behalten und anschubsen, anschubsen und nochmals anschubsen. Die Schreiberin hat am Ende so kalte Füße, dass – zurück im Kindi – die Heizung eine Wohltat ist. Und die Kinder spielen auf einmal voll neu entdeckter Hingabe. Das liegt wohl an der frischen Luft.
Kindergartenplatz gesucht?
Suchen Sie für Ihr Kind eine kleine, familiäre und überschaubare Einrichtung? Wir haben zwei feste Gruppen mit jeweils 19 Kindern und unternehmen vieles gemeinsam. Sind Sie der Meinung, dass Ihrem Kind ein geregelter Tages- und Wochenablauf entgegenkommt, dass das gemeinsame Frühstück ein Gewinn ist und biblische Geschichten zur Horizonterweiterung beitragen, dann rufen Sie uns einfach an und wir vereinbaren gern Ihren persönlichen Besuchstermin. Weitere Informationen finden Sie auf den Internetseiten der Stadt Leinfelden-Echterdingen (http://goo.gl/ERqC2z) und der Ev. Kirchengemeinde Echterdingen (www.ekg-echterdingen.de).
Neujahrswunsch
Master of Science Toilettenpädagogik (w/m) dringend ab sofort gesucht.
Wir erwarten selbständiges Arbeiten nach Maria Montessori „Hilf mir, es selbst zu tun“, Geduld ohne Ende und ein sicheres, bestimmtes Auftreten.
Aufgabengebiet: Hinführung der Kinder zum sorgsamen und sachgerechten Umgang mit Papierhandtüchern und Seifenspendern, Betreuung der fünf Kindertoiletten, der Dusche, der sechs Waschbecken samt Spiegel und deren Schutz vor Zweckentfremdung, die Pflege des Wickeltischs, sowie das Windelmanagement. Unterstützung bei der Umsetzung der Toilettenregeln ist Voraussetzung. Regelmäßig fallen auch das Trocknen des Fliesenbodens und das komplette Umkleiden von Kindern an.
Wir bieten: Eine abwechslungsreiche Tätigkeit in einer zweckmäßigen Sanitäranlage, ca. 38 Kinderpopos, z. Zt. sechs Windelkinder, hochwertige Desinfektionsmittel, Handschuhe mit/ohne Puder (latexfrei oder aus Latex) in verschiedenen Größen und ein dankbares, humorvolles Team.
Die Bezahlung erfolgt über Fundraising, Verhandlungen dazu laufen bei entsprechend qualifizierten Bewerbern umgehend an.
Dezember 2015
Irgendwie besonders
Beim Lesen dieser Zeilen ist unsere Weihnachtsfeier samt Krippenspiel vorbei und somit Geschichte, beim Schreiben allerdings noch Zukunft. Sicherlich wird alles irgendwie gut gehen und trotz aller Widrigkeiten (bei den spärlichen Proben mussten wir zeitweise krankheitsbedingt auf Maria und Wirt Nr. 2 verzichten) auch richtig schön werden. Das gemeinsame Singen und Einstudieren von Liedern und Texten in großer Runde ist aber auf jeden Fall immer ein ganz besonderes, Freude schenkendes Erlebnis: Irgendwie sind alle, Große wie Kleine, mit einer besonderen und etwas aufgeregten Spannung bei der Sache. Ganz gleich, wie und ob unsere Familien und Leser Weihnachten feiern, möge jeder die Zeit so erleben, dass sie im Rückblick irgendwie richtig schön war: eine frohe und besondere Zeit am Ende des Jahres.
Plätzchen backen am Flughafen...
… klingt nach Spaß und Abenteuer. Der Spaß den 13 Emma- und Molly-Kindern, das Abenteuer und der Nervenkitzel den beiden Betreuerinnen. Auf dem Hinweg zu Fuß über die Felder laden gefrorene Pfützen zum „Eisbrechen“ ein. Die danach notwendige Grundreinigung der Kinder erfolgt auf der Flughafentoilette. Auf Ebene 5 in Terminal 1 werden dann die Plätzchen in Schichten hergestellt, gebacken und verziert. Am Ende ist die Hälfte der Kinder schon fertig, während die anderen noch am Dekorieren sitzen. Da fahren die ersten schon mal mit Kollegin und S-Bahn heim und der Rest folge mit der Schreiberin im nächsten Zug. Sechs Kinder mit Plätzchentüten in der Hand über Stufen und steile Rolltreppen hinab zum S-Bahnsteig hetzen ist kein Zuckerschlecken. Kaum drin, fährt der Zug ab – Glück gehabt, tief durchatmen. Eltern und Kollegen warten schon, letztere ziemlich erschöpft. Ein Vormittag zu zweit mit 13 kleinen Knopf-Kindern ist nicht minder abenteuerlich und anstrengend. Oh, du fröhliche!
Typische Adventswoche
Turnen für die Kleinen * Singkreis für die Großen * Üben des Krippenspiels * Schulbesuch der Emma-Kinder * Adventsbasteln mit Keksen und Süßwaren: Zusammenkleben von Kerzen, Lokomotiven und Häuschen; Zuckergussorgie beim Dekorieren * Geschichte vom Bischof Nikolaus * Gestalten von Transparentkerzen fürs Fenster * Sternefalten für Jahreskalender der Emma-Kinder und mit Streichhölzern Kerzenanzünden üben * Hausbesuch am Draußen-Tag * diesmal schon entspannteres Adventsflüstern * täglich besinnliches Frühstück bei Kerzenschein und Adventsgeschichte * Spannung am Adventskalender: Wer bekommt heute das Geschenk? * Stress beim Anziehen: Matschhose, Stiefel, Schal, Mütze, Fingerhandschuhe … * Alle Jahre wieder!
Adventsflüstern
Der positive Erfahrungsbericht aus einer anderen Kita klingt vielversprechend: Besinnlichkeit, Ruhe und vorweihnachtliche Atmosphäre allein durch Flüstern. Das machen wir auch! Die Eltern werden informiert, die Kinder darauf vorbereitet und am Freitag ist es soweit. Gefühlte 100 Lichtlein sorgen schon im Eingangsbereich für Stimmung. Anfangs läuft alles wie erwartet. Als jedoch der erste Knopf-Zwerg beim Anblick des Lichtermeers voll echter Begeisterung „Wow, schön!“ ruft, müssen wir feststellen, dass sich manche Gefühle nicht flüsternd ausdrücken lassen, wie z. B. Ärger, Frust, Unmut, Schmerz oder eben auch Freude. Das Kollegium ist in der Folge damit beschäftigt, hier und da ein „Pst!“ von sich zu geben oder ermahnend die Namen der Ruhestörer laut zu flüstern. Als dann das Ende des Frühstücks die Jetzt-dürfen-wir-wieder-normal-sprechen-Zeit einläutet, herrscht allgemeines Aufatmen. Ist schon anstrengend, so ein Geflüster. Nun, bis Weihnachten stehen uns noch drei weitere Flüsterversuche bevor und bekanntlich macht ja auch erst die Übung den Meister.
Weberitis
Weben ist bei uns ein Privileg für die Emma-Kinder (Vorschüler). Manches Jahr bleiben wir auf halbfertigen Webrahmen sitzen, gelegentlich schafft es die Mehrheit, ihre Webstücke zu vollenden. Letztes Jahr gab es für jeden fertiggestellten Webrahmen eine kleine Überraschung (Motivation!), da lief es gut. Dieses Jahr scheint eine Seuche ausgebrochen zu sein - die Weberitis. Der zweite, dritte, ja sogar der vierte Webrahmen ist schon in Arbeit, wir kommen kaum mit der Weiterverarbeitung hinterher: Brustbeutel mit Überschlag, Umhängetasche mit Fransen, Kissen, Teppich, ja sogar eine Hängematte! Schildkröte, Handyhülle und Schal stehen u. a. noch auf der Wunschliste. Auch unsere Molly-Kinder (die mittleren) sind bereits infiziert, so dass es jetzt einen Webrahmen für sie alle zum Üben gibt. Und unsere Knopf-Kinder (die kleinen)? Wehe, ein Webrahmen liegt unbeobachtet herum, sofort findet sich ein Zwerg, der – als gäbe es nichts Schöneres – das Webschiffchen irgendwie durch die Kettfäden schiebt.
November 2015
Nebensache?
Angesichts dessen, was in der weiteren und näheren Welt vor sich geht, wird nicht nur ein Länderspiel zur Nebensache, sondern auch unser Laternenfest. Oder? Im ersten Moment erscheint es wohl so. Welche Bedeutung kann ein Laternenfest im Kindergarten haben? Welche Bedeutung hat es, wenn sich Kinder, Elternbeiräte und pädagogisches Personal alle Mühe geben, einen rundum schönen Rahmen zu gestalten, in dem sich die Familien begegnen, kennenlernen und austauschen können, gemeinsam singend durch die Straßen ziehen und mit Laternen die Nacht erhellen? Hier wird im kleinen Rahmen Offenheit, Toleranz, gemeinsam Verbindendes erlebt und praktiziert. Hier geschieht Herzensbildung. Bei der ganzen frühkindlichen Bildungsdiskussion sollte nicht aus den Augen verloren werden, dass Abitur oder Studium nicht automatisch gegen Vorurteile, Intoleranz oder Fanatismus immun machen. Deshalb trägt jeder, der am Erziehungs- und Bildungsprozess unserer Kinder beteiligt ist, eine große Verantwortung und ist tagtäglich Vorbild vor allem für diese Herzensbildung – eben auch bei einem fast nebensächlichen Laternenfest.
Schon wieder ist eine Woche vorbei!
Nicht nur St. Martins Pferd, auch die Zeit galoppiert unaufhaltsam. Schon hatten die Schüler Herbstferien und wir Praktikanten im Kindergarten, wie wohl so ziemlich alle Kindertageseinrichtungen im Ort, in unserem Fall zwei männliche. Wie viel Freude unsere Kinder doch immer wieder mit den Extra-Spielkameraden haben. An einem Tag beispielsweise durften die Jungs die UNO-Karten fast nicht aus der Hand legen. Aber auch sonst waren sie eine Unterstützung bei den alltäglichen Dingen und so werden sie uns schon ein wenig fehlen … Außerdem haben wir nun doch noch Apfelkuchen gebacken, samt Äpfelschnippeln und Eieraufschlagen. Damit ist aber das Kapitel „Apfel“ jetzt endgültig abgeschlossen. Das Laternenfest am Dienstag, den 10. November, ist unser nächster Höhepunkt. Die alten und neuen Laternenlieder sitzen („Kommt, wir woll'n Laterne laufen ...“ ist und bleibt der Ohrwurm dieser Tage), die Laternen sind mit Hilfe der Eltern gebastelt, die Strecke haben wir am Draußen-Tag abgelaufen, das Wetter scheint zu halten – was wollen wir mehr? Ach ja, dass alle, trotz Rotznasen und Husten, gesund bleiben und mitlaufen können.
Endspurt unserer Apfelwochen
St. Martins Ross scharrt schon ungeduldig mit den Hufen, es soll sich aber ein wenig gedulden, denn wir haben noch keinen Apfelkuchen gebacken! Erst haben wir Äpfel gepflückt, aufgesammelt, innen und außen betrachtet, befühlt, verschiedene Sorten verkostet, Äpfel klein geschnitten, weich gekocht, durch die Flotte Lotte gedreht und das Mus gegessen. Wir haben über Tage hinweg beobachtet, wie der Apfel ohne Schale immer kleiner wird und der mit Schale seine Größe behält, wie ein angefaulter Apfel völlig verfault, schimmelige Punkte bekommt und wie auf dem Apfelmus mit der Zeit grau-weiß-grüne Haare wachsen. Zuletzt haben wir Apfelstückchen in den Entsafter gesteckt und den Saft direkt ins Glas fließen sehen: schaumig und naturtrüb. Durch ein Geschirrtuch gegossen (Grundlage für das Verständnis von Filtern), haben wir die Trübung reduziert. Der Geschmack des Eigenprodukts war absolut überzeugend! Tja, jetzt fehlt, wie gesagt, nur noch ein leckerer Apfelkuchen. Oder ein Bratapfel? Oder getrocknete Apfelringe? Oder doch lieber …? Scharr, scharr – wieher!
Oktober 2015
Herbstspaziergang...
Freitag, Draußen-Tag, es ist herrliches Herbstwetter. Im Kindergarten dreht sich gerade alles, passend zur Jahreszeit, um den Apfel und so wandern wir zu den Streuobstwiesen. Die Kinder sammeln hier ein paar Äpfel und dort ein paar Mostbirnen vom Boden auf („Der sieht komisch aus!“ – „Der ist auch schon verschimmelt.“). Überall sieht man buntes Herbstlaub und blaugrüne Krautreihen stehen neben abgeernteten Feldern. Am Weg findet sich jede Menge kleines Krabbelgetier, Pferde stehen auf Weiden („Halt! Nicht anfassen! Das ist ein Elektrozaun! – Oh, dann ist er wohl doch nicht unter Strom.“), Rabenvögel suchen nach Futter („Guck mal, das sind große Amseln!“), Bussarde ziehen gelassen ihre Kreise.
Eine auf einer Bank pausierende Joggerin lässt sich auf ein Gespräch mit den Kindern ein, geduldig und freundlich. Am Zeppelinstein geht es durch raschelndes Laub, um den Gedenkstein herum, bis zur großen, alten Eiche.(„Hier ist ein Adler gestorben!“ – „ Nein, das Schild bedeutet, dass dieser Baum sehr alt und deshalb geschützt ist. Da steht drauf ‚Naturdenkmal‘“). Wie viele Kinder braucht es, den Stamm zu umfassen? Seine Rinde fühlt sich ganz anders an, als die des Ahorn oder der Linde nebenan.
Flugzeuge sind direkt über unseren Köpfen im Landeanflug. Von der nahen Brücke aus winken wir den LKW- und PKW-Fahrern auf der B 27 zu.
Der Blick vom Zeppelinstein aus über die Felder ringsum ist wohl einer der schönsten in diesem Teil unserer Stadt: Felder, Wiesen, Bäume, von Süden her grüßt Stetten vom Hang herab und von Echterdingen sieht man, außer ein paar Hausdächern und Kränen, nicht viel; aber über dem Herbstlaub thront der wohlvertraute Turm der Stephanuskirche.
Auf einem Weg voller Pferdeäpfel geht es zurück Richtung Kindergarten („Nein, die heißen nur so, die sammeln wir nicht ein.“).
Gehen Sie im Herbst nach draußen, egal bei welchem Wetter. Es gibt so viel zu entdecken, man muss nur hinschauen, - hören und riechen. So sammelt jedes Kind seine Erfahrungen mit dieser wunderschönen Jahreszeit und die Sinneseindrücke begleiten es dann sein Leben lang – alles nur durch einen einfachen Herbstspaziergang.
(zum Draußen-Tag am Freitag, 09.10.2015, B. Tchoulakian)
Umsetzung des Orientierungsplans
Unsere Emma- und Molly-Kinder sind beim Aktionstag eines Supermarktes. Zurück bleiben zwei Kollegen und zehn Knopf-Kinder (davon sieben unter drei Jahren und fünf Eingewöhnungskinder). Wir beschließen spontan und situationsorientiert endlich Nachfüllseife kaufen zu gehen; außerdem ist das Wetter so schön. Anziehen, zu zweit aufstellen, möglichst in einer ordentlichen Reihe quer durch den Ort laufen – das Lernen lebt von der Wiederholung. Im Regallabyrinth des Ladens identifizieren wir Obst, Gemüse, Cornflakes, finden die Seife, widerstehen tapfer den Süßigkeiten an der Kasse und bleiben aber gleich darauf bei der Eisdiele hängen. Zehn zufrieden Eis schleckende Kinder bringen manchen Passanten zum Schmunzeln. Wer Vanille- und wer Schokoeis gegessen hat, lässt sich danach zweifelsfrei feststellen. Ein Stück des restlichen Rückwegs werden wir von einer 82-jährigen Frau begleitet, die 40 Jahre lang Kindergärtnerin war, wie sie erzählt. Sie erinnert sich gern an die Zeit, aber mit uns tauschen möchte sie nicht. Warum eigentlich? Dabei kann die Umsetzung des Orientierungsplans doch so schön sein!
September 2015 - Beginn des neuen KiGa-Jahres
... und dann, und dann - fängt das Ganze wieder von vorne an
In der Garderobe geht es zur Zeit deutlich langsamer zu, was nicht nur daran liegt, dass öfters wieder Matschhosen nötig sind. Nein, noch vor den Ferien halfen die großen Emma-Kinder den jüngeren Kindern beim Anziehen – jetzt brauchen die meisten selber Hilfe. Beim Draußen-Tag dauert das Aufstellen in Paaren jetzt doppelt so lang, weil sie nicht mit ihm und er nicht mit ihr an der Hand laufen will – vor etwa zwei Monaten gab es keine Diskussionen. Das Gehen in einer Reihe ist auch noch ziemlich chaotisch. Noch vor gar nicht allzu langer Zeit hingegen waren die Emma-Kinder verlässliche, verantwortungsbewusste und umsichtige Selbstläufer. Jetzt haben wir zwar auch „Selbst-Läufer“, aber die laufen dann dorthin, wo es ihnen gefällt. Und so gäbe es noch viele Beispiele. Andererseits wissen wir aber, dass am Ende des Kindergartenjahres alle älter, vernünftiger und geübter sein werden, auch wenn das im Moment noch ein schwacher Trost und sehr weit weg ist – denn jetzt sind wir erst einmal wieder ganz am Anfang.
Welches Eingewöhnungskonzept haben Sie in Ihrer Einrichtung?
Wir arbeiten nach dem Lukas-Prinzip. Noch nie gehört? Wir bis dato auch nicht, aber es klingt gut und passt zu uns. Lukas, der Lokomotivführer aus Lummerland, begegnet jedem stets offen, freundlich und interessiert, seien es Halbdrachen, Scheinriesen, der Kaiser von China oder die Wilde 13. Er versucht, seine Gegenüber zu verstehen und ideenreich und praktisch zu helfen, so dass jeder Zufriedenheit und/oder seinen Platz in der Gemeinschaft findet. Wir haben weder mit Riesen noch Drachen zu tun, vielleicht kommt zu uns mal eine Familie aus China, aber von allen Kinder, die wir haben, sind keine zwei gleich. Jedes benötigt sein Tempo, sich an die neue Situation zu gewöhnen und sucht sich seine Vertrauensperson selbst aus. Darauf gehen wir offen und flexibel ein, denn dann kann Vertrauen entstehen und Eingewöhnung gelingen. Mehr zum Lukas-Prinzip finden Sie in den Lummerland-Büchern von Michael Ende oder bei der Augsburger Puppenkiste.
Willkommen zurück im Lummerland
- das gilt sowohl für das Kollegium, als auch für unsere Kinder mit ihren Eltern. Zwischen zwei und vier Wochen Ferien, vereinzelt auch noch länger, liegen hinter uns. Jetzt stellen wir fest, dass die Kinder gewachsen und oft gleichzeitig auch irgendwie erwachsener geworden sind; Dinge, die einem erst auffallen, wenn man sich eine Weile nicht gesehen hat. Die ersten neuen Kinder haben wir auch bereits begrüßt und nähern uns jeden Tag etwas mehr einander an; jedes Kind in dem ihm eigenen Tempo, auf die Weise, die seinem Wesen entspricht und sich die Person/en seines Vertrauens selbst aussuchend.
Am Freitag, dem Draußen-Tag, haben wir bei einem unserer Kinder zuhause ein neugeborenes Lämmchen anschauen können, eine Menge wunderhübscher Stallhasen bewundert, frischgebackenen Hefezopf serviert bekommen, der Reihe nach auf einen großen Traktor steigen dürfen und im großen Hof mit Schaufeln, diversen Fahrzeugen und Spielsachen viel Spaß gehabt. So fängt das neue Kindergartenjahr wirklich gut an! Wenn nun ab Montag auch die letzten unserer Kinder zurück sind und wir die „alten“ Emma-Kinder bei der Einschulung besucht haben, kann es richtig losgehen. Ist dann einmal ein bisschen Zeit zum Luftholen, denken wir gern an unsere frischgebackenen Erstklässler und vermissen sie ein wenig, bevor der Alltag uns wieder mitreißt. Mögen sie sich in der Schule gut einleben, lange Freude am Lernen haben und vielleicht auch einmal wieder bei uns vorbeischauen.
Juli 2015
Sommerfest 2015
Unser diesjähriges Sommerfest am 18.07.2015 stand unter dem Motto „Kindergarten-Alltag erleben“. Los ging es mit einer kleinen Gesangsdarbietung durch unsere Kinder. Anschließend gingen die Kinder symbolisch durch einen geschmückten Reif ins nächste Kindergartenjahr, wohingegen die Emmakinder in diesem Jahr auf eigenen Wunsch „rausgeschmissen“ wurden und von der Bühne durch die Luft auf eine Matte sausten. Eingeteilt in drei Gruppen zeigte uns das Kindergartenteam einige Kernelemente des Alltags. Dazu gehörte eine Turnstunde, der Stuhlkreis mit biblischer Geschichte und natürlich das Freispiel. Anschließend konnte bei einem internationalen Buffet, welches die Eltern zusammengetragen haben, geschlemmt und geplauscht werden.
Jungs-Woche
„Kann ich bei ihnen ein Sozialpraktikum machen?“ – welcher Kindergarten, welche Kita hört diese Anfrage nicht mehrmals jährlich? Dann sind nämlich die Jungs und Mädchen der verschiedenen Schularten wieder unterwegs. Vergangene Woche hatten wir derer gleich drei bei uns, alles Jungs zwischen 12 und 14 Jahren. Jungs, die für eine Woche lang zurück in den Kindergarten wollen und in der Zeit bei uns entweder ein Aha-Erlebnis haben (O-Ton: „Ich bleib hier! Hier lernt man richtig was.“), einen Heidenspaß beim Spielen (in dem Fall pitschenass werden), mit Hängen und Würgen durchhalten (O-Ton hinterher: „Was bin ich froh, dass das vorbei ist!“) oder irgendwas dazwischen. Unseren Kindern ist das aber völlig egal: Sie freuen sich über jedes neue Gesicht, es könnte sich dabei ja um interessante Spielkameraden handeln, sie sind neugierig und offen. Wenn dann die Lehrer/innen der Praktikanten vorbeischauen und wir uns über ihre Schützlinge austauschen, ist es jedes Mal aufs Neue beeindruckend, wie sehr ihnen die Jugendlichen am Herzen liegen. Und so ist es sehr wahrscheinlich, dass irgendwann von unseren Eltern einmal wieder die Frage kommt: „Ist bei euch Boys-Day?“ und wir aufklären: „Nein, Boys-Week.“
Härtetest
Eltern, die freitagabends „sturmfreie Bude“ haben? Kinder, die samstagnachmittags auf dem Sofa einschlafen? - Dann ist Emma-Übernachtung. Bald geht es in die Schule, deshalb zuvor noch der abschließende Kindergartenhärtetest. Nach einer Wasserschlacht finden sich Grillwürste neben Saft und Popcorn im selben Magen ein, werden über 150 Stufen auf den Turm der Stephanuskirche geschleppt, danach von selbst erstandenen Eiskugeln gekrönt, nach einer schnellen Dusche zu später Stunde zu Bett gebracht und vereinzelt bei Taschenlampenschein des Nachts zur Toilette getragen. Wie immer: Ein Kind schläft, kaum auf der Matte, völlig unbeeindruckt ein und öffnet die Augen erst wieder, als das Frühstück auf dem Tisch steht; ein anderes Kind wird einfach nicht vom Schlaf gefunden und es sorgt dafür, dass dieser die restlichen Kinder ebenfalls noch eine Weile vergeblich sucht. Doch auch hier wie immer: Irgendwann ist dann doch Ruhe. Am anderen Morgen kann nicht genügend Kakaopulver ins Müsli: „Boah, das ist ja fast schwarz!“ Über die Güte des Programms gehen die Meinungen auseinander und es gibt freundliche Kritik: „Weißt du, was wir nicht gemacht haben? Wir haben in der Nacht keine echte Kissenschlacht gemacht und Süßis gegessen.“ Da verwechselt wohl jemand „Lummerland“ mit „Burg Schreckenstein“. Dafür haben wir telefoniert, auf AB gesprochen und allerliebste Rückrufe bekommen: einen zum Schlafengehen, einen zum Frühstück. A propos Schlafengehen: Das findet heute bei der Schreiberin definitiv wieder früher und ins eigene Bett statt.
Klein-Babylon
„Frag sie mal, ob sie ein Pflaster möchte“, bittet die Kollegin ein älteres Mädchen und deutet auf ein jüngeres, gleicher Nationalität, das kein Deutsch kann. Die Eine schaut auf den Kratzer am Arm der Anderen und fragt auf Deutsch: „Willst du ein Pflaster?“ Na, so war es eigentlich nicht gedacht, die Kollegin hoffte auf muttersprachliche Unterstützung. Im Kindergartenalter Dolmetscherfunktion zu übernehmen, ist jedoch eine ganz besondere Leistung, die nicht jedes Kind kann oder auch erbringen möchte. Manche Kinder nervt es, als Sprachvermittler herangezogen zu werden, andere kommen mit der Zeit richtig in Übung und sind stolz etwas zu können, was die „Großen“ nicht hinkriegen. Wieder andere Kinder, die ohne Deutschkenntnisse zu uns kommen, behelfen sich selber geschickt mit Händen und Füßen. Dabei versuchen wir unsererseits mit Gesten und Worten ihre Zeichensprach zu interpretieren und zu verstehen; und irgendwann kommt dann das Verstehen – auf beiden Seiten.
Wochensplitter
Tee-Testtage: Jeden Tag eine andere Sorte; von Blubbs-Tee, Feensterntee über Cola-Tee bis hin zu roter bzw. gelber Früchteparade. Fast alle Kinder probieren und geben ihre Stimme ab. – Fototermin: Lächeln auf Kommando; bei manchen will es gar nicht klappen, da kann man sich noch so sehr auf den Kopf stellen, bei anderen ist nach 20 Sekunden alles im Kasten. – Geburtstagsparty: Ausnahmsweise feiern mal wieder beide Gruppen zusammen; das Geburtstagslied klingt so besonders schön und die Donuts sind im Nullkommanichts gevespert. – Nachmittag-Extras: Dienstags beglückt uns eine Mutter mit gekühlter Wassermelone, donnerstags machen wir (angesteckt vom Fotografen am Vortag) jede Menge lustige Gesichterfotos, die der Druckautomat zu einer witzigen Collage zusammensetzt. – Draußen-Tag: Die Kirschen in Nachbars Garten sind so zahlreich, dass wir kommen und pflücken dürfen. Die Zweige hängen fast bis zum Boden, so kommen auch die Kleinsten ran. Am Ende gibt es für alle im Kindergarten Kirschen bis zum Abwinken – rote Schnuten und Saftflecken inklusive.
Wasser marsch!
Am bisher heißesten Tag des Jahres geben auch wir die hauseigenen Wasserwannen im Garten zur Benutzung frei. Das Fachpersonal schleppt fleißig Eimer um Eimer und ein jeder wird mit freudigem Gekreische von Kinderhänden und –füßen begrüßt. Bald liegen feuchte Hosen und T-Shirts einträchtig nebeneinander auf der Hecke in der Sonne zum Trocknen. Währenddessen sind äußerst fröhliche – und auf der Engagiertheitsskala die Höchstmarke sprengende – Wasserspiele im Gange, die selbst vor den pädagogischen Mitarbeitern nicht Halt machen. „Schau mal, es braucht nur etwas Wasser und ein paar leere Plastikbehälter und die Kinder sind glücklich!“, begeistert sich die Kollegin. In diesem Moment trifft sie ein Strahl aus der Wasserpistole ins Genick.
Right
Aktuelle Tageslosung
Wer im Finstern wandelt und wem kein Licht scheint, der hoffe auf den Namen des HERRN!
Jesaja 50,10
Die Finsternis vergeht und das wahre Licht scheint schon.
1.Johannes 2,8
© Evangelische Brüder-Unität – Herrnhuter
Brüdergemeine
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